7B_859/2024 17.09.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_859/2024
Urteil vom 17. September 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch,
Bundesrichter Hurni, Kölz, Hofmann,
Gerichtsschreiberin Mango-Meier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft Frauenfeld,
Maurerstrasse 2, 8510 Frauenfeld.
Gegenstand
Haftüberprüfung und Haftverlängerung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 9. Juli 2024 (SW.2024.62).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Frauenfeld führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB), unbefugten Schiessens (§ 34 Einführungsgesetz [des Kantons Thurgau] zum Schweizerischen Strafrecht vom 17. August 2005 [EG StGB; RB 311.1]) und Widerhandlung gegen das Waffengesetz vom 20. Juni 1997 (WG; SR 514.54). Sie wirft ihm im Wesentlichen vor, in einem relativ kleinen Wintergarten insgesamt 32 Schüsse mit seiner Pistole abgegeben zu haben.
B.
B.a. Am 22. März 2024 versetzte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau A.________ einstweilen bis am 19. Juni 2024 in Untersuchungshaft. Am 6. Mai 2024 verlangte dieser seine Haftentlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragte am 10. Mai 2024 die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs und stellte gleichzeitig ein Haftverlängerungsgesuch. Mit Entscheid vom 21. Mai 2024 wies das Zwangsmassnahmengericht - nach Vereinigung der beiden Verfahren - das Haftentlassungsgesuch ab und verlängerte die Untersuchungshaft bis zum 19. August 2024, längstens jedoch bis fünf Arbeitstage nach allfällig früherem Eingang eines Gefährlichkeitsgutachtens. Mit Entscheid vom 25. Juni 2024 verlängerte es die Untersuchungshaft bis zum 19. September 2024.
B.b. Die von A.________ gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 21. Mai 2024 erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 9. Juli 2024 ab.
C.
Mit Beschwerde vom 6. August 2024 gelangt A.________ gegen den Entscheid des Obergerichts an das Bundesgericht. Er beantragt dessen Aufhebung und seine sofortige Haftentlassung, eventualiter gegen Ersatzmassnahmen, oder die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung.
Die kantonalen Akten wurden eingeholt. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend die Ablehnung eines Haftentlassungsgesuchs und die Fortsetzung von Untersuchungshaft. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG) und befindet sich, soweit aus den Akten ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er hat folglich ein aktuelles, rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV) wegen strafprozessualer Haft bzw. Haftbedingungen erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung der StPO frei. Art. 98 BGG gelangt bei strafprozessualen Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 316 E. 3.3, 330 E. 2.1 mit Hinweisen).
3.
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, dass der eine Untersuchungshaft rechtfertigende dringende Tatverdacht im Sinne von Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO bezüglich der Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB) nicht gegeben sei. Die Vorinstanz habe in der von ihr sinngemäss aufgestellten Gleichung "geladene und ungesicherte Waffe = unmittelbare Lebensgefahr = Gefährdung des Lebens" nicht berücksichtigt, dass vorliegend die von ihr selbst als Voraussetzung genannte Bedrohungssituation fehle. Es liege keine konkrete und unmittelbare Lebensgefahr vor, welche der Beschwerdeführer mit direktem Vorsatz und in skrupelloser Weise herbeigeführt habe. Beim Beschwerdeführer fehle es offensichtlich an einer Vortat und einer qualifizierten Anlasstat.
3.2. Nach dem per 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Art. 221 Abs. 1bis StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft ausnahmsweise zulässig, wenn (a.) die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben, anstatt; und (b.) die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben (sog. qualifizierte Wiederholungsgefahr).
Das zusätzliche Erfordernis der "schweren Beeinträchtigung" durch die untersuchte qualifizierte Anlasstat bezweckt, dass nicht nur der abstrakte Strafrahmen der Straftaten, sondern auch die Umstände des Einzelfalles bei der Haftprüfung berücksichtigt werden (Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung, BBl 2019 6743 f. Ziff. 4.1). Bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts ist jedoch keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht eine inhaftierte Person geltend, sie befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für ein Verbrechen oder Vergehen und eine Beteiligung der Beschwerdeführerin oder des Beschwerdeführers an dieser Tat vorliegen. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das untersuchte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte. Zur Frage des dringenden Tatverdachts bzw. zur Schuldfrage ist weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafgericht vorzugreifen (zum Ganzen: Urteil 7B_671/2024 vom 10. Juli 2024 E. 2.2.1 mit Hinweisen; vgl. Art. 20 StGB).
3.3.
3.3.1. Gemäss Art. 129 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt.
In objektiver Hinsicht ist eine konkrete, unmittelbare Lebensgefahr erforderlich. Eine solche liegt vor, wenn sich aus dem Verhalten des Täters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge direkt die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Todesfolge ergibt (BGE 133 IV 1 E. 5.1). Im Zusammenhang mit Schusswaffen bejaht die Rechtsprechung eine unmittelbare Lebensgefahr etwa bei der Bedrohung eines Menschen mit einer geladenen und entsicherten Pistole aus kürzester Distanz. Richtet der Täter eine schussbereite Waffe auf einen Menschen, kann sich auch ohne weitere zielgerichtete Handlungen desselben - etwa zufolge Aufregung, unvorhergesehener Reaktion des Opfers, Intervention Dritter oder Defekts der Waffe - jederzeit ungewollt ein Schuss lösen. Es hängt demnach nur vom Zufall ab, ob das Opfer durch einen Schuss getötet werden kann, sodass eine unmittelbare Lebensgefahr für den Bedrohten beim Einsatz von schussbereiten Waffen stets gegeben ist (Urteil 6B_637/2023 vom 18. Oktober 2023 E. 1.1.2).
3.3.2. Die Vorinstanz geht infolge des Haltens der geladenen und ungesicherten Pistole in die Richtung des Schützenkollegen und der Ehefrau des Beschwerdeführers sowie der mehrfachen Schussabgabe im relativ kleinen Wintergarten in Anwesenheit des Kollegen (eventuell der Ehefrau) von einem dringenden Tatverdacht in Bezug auf eine Gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB aus. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, unterscheidet sich die vorliegende Situation von der oben genannten Rechtsprechung in der Bedrohungsintensität. Aufgrund der im vorinstanzlichen Entscheid wiedergegebenen Aussagen von den bei der Eskalation anwesenden Personen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Lauf seiner Schusswaffe nicht in vergleichbarer Weise gezielt auf jemand anderen richtete. Auch wenn die Vorinstanz keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweise vorzunehmen hat, hätte sie die Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers bei ihrer Beurteilung des Tatverdachts nicht gänzlich unberücksichtigt lassen dürfen. Trotz Widersprüchen zu den Aussagen der Ehefrau erscheinen die Aussagen des vom Beschwerdeführer selbst herbeigerufenen Schützenkollegen für die Vorinstanz dennoch überzeugend und das Abstützen darauf ist nicht von vornherein haltlos. Die Vorinstanz durfte entsprechend im Haftverfahren feststellen, dass ein dringender Verdacht besteht, der Beschwerdeführer habe die geladene und ungesicherte Pistole (ohne Anvisieren) in die Richtung des Kollegen und der Ehefrau gehalten.
3.3.3. Während der vom Beschwerdeführer als "Kurzschluss im Delirium" bezeichneten Eskalation gab er insgesamt 32 Schüsse ab. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hielt er zunächst die geladene und ungesicherte Pistole in die Richtung seines Schützenkollegen und seiner Ehefrau. Alsdann schoss er im relativ kleinen Wintergarten mehrfach in die Richtung des Cheminées und aus dem Fenster, obwohl sich dieser Kollege und eventuell auch seine Ehefrau im Raum befanden. Auch wenn es sich beim Beschwerdeführer um einen - wie er selbst geltend macht - erfahrenen und geübten Schützen handeln mag, schufen die starke Alkoholisierung und der psychische Ausnahmezustand die konkrete Gefahr einer ungenauen oder ungewollten Schussabgabe. Spätestens bei den mehrfachen Schüssen in verschiedene Richtungen im Wintergarten musste die Vorinstanz konkrete Verdachtsmomente annehmen, dass für den Kollegen des Beschwerdeführers infolge der eingeschränkten Kontrollierbarkeit der Schussabgaben und möglichen Querschlägern/Abprallern nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge direkt die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit von dessen Todesfolge bestand. Aufgrund der durch die Vorinstanz festgehaltenen Umstände bestehen genügend konkrete Anhaltspunkte, um die Verletzung des Lebens von zumindest einer der beiden anwesenden Personen durch einen unkontrollierten Schuss als unmittelbar drohendes Ereignis anzunehmen.
3.4.
3.4.1. Des Weiteren ist in subjektiver Hinsicht direkter Vorsatz mit Bezug auf die unmittelbare Lebensgefahr verlangt; Eventualvorsatz genügt nicht (BGE 133 IV 1 E. 5.1 mit Hinweisen). Bei sicherem Wissen um den Eintritt der tödlichen Verletzung liegt Tötungsvorsatz vor, sodass die Art. 111 ff. StGB greifen. Eine Verurteilung wegen Art. 129 StGB kommt nur in Betracht, wenn der Täter trotz der erkannten Lebensgefahr handelt, aber darauf vertraut, die Gefahr (der Todeseintritt) werde sich (im Gegensatz zu jener der Lebensgefahr) nicht realisieren (BGE 136 IV 76 E. 2.4 mit Hinweis; Urteil 6B_637/2023 vom 18. Oktober 2023 E. 1.1.2).
3.4.2. Im Rahmen dieses Haftprüfungsverfahren ist bei der derzeitigen Aktenlage davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als erfahrener und geübter Schütze um die unmittelbare Lebensgefährdung durch einen ungenauen oder ungewollten Schuss und möglichen Querschlägern oder Abprallern wusste, wenn er in einem relativ kleinen Raum bei schlechter psychischer und physischer Verfassung seine geladene sowie ungesicherte Pistole auf andere Personen richtete und mehrere Schüsse in verschiedene Richtungen abgab, wobei sich zumindest eine Person in seiner Nähe befand. Es ist deshalb nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz den Beschwerdeführer dringend verdächtigt, den Tatbestand der Gefährdung des Lebens auch in subjektiver Hinsicht erfüllt zu haben.
3.5.
3.5.1. Weiter erfordert der Tatbestand skrupelloses Handeln. Skrupellos ist ein in schwerem Grad vorwerfbares, ein rücksichtsloses oder hemmungsloses Verhalten (BGE 133 IV 1 E. 5.1). Je grösser die vom Täter geschaffene Gefahr ist und je weniger seine Beweggründe zu billigen sind, desto eher ist die Skrupellosigkeit zu bejahen. Diese liegt stets vor, wenn die Lebensgefahr aus nichtigem Grund geschaffen wird oder deutlich unverhältnismässig erscheint, sodass sie von einer tiefen Geringschätzung des Lebens zeugt (Urteil 6B_637/2023 vom 18. Oktober 2023 E. 1.1.2 mit Hinweis).
3.5.2. Die Vorinstanz hat es unterlassen, auf die Skrupellosigkeit gesondert einzugehen. Der Beschwerdeführer richtete seine Pistole in einem relativ kleinen Raum auf die anderen beiden anwesenden Personen und gab nicht nur einen, sondern mehrere Schüsse in unterschiedliche Richtungen ab, womit er das Leben zumindest einer dieser Personen massiv gefährdete. Aufgrund dieser durch die Vorinstanz beschriebenen Umstände bestehen genügend konkrete Anhaltspunkte, welche in diesem Moment jegliche Rücksicht des Beschwerdeführers auf das Leben anderer Menschen vermissen lassen.
3.5.3. Eine verminderte Schuldfähigkeit schliesst Skrupellosigkeit nicht grundsätzlich aus (vgl. Urteil 6S.334/2004 vom 30. November 2004 E. 3.2 mit Hinweis). Aufgrund der Umstände ist nicht zwingend auf eine Schuldunfähigkeit des Beschwerdeführers zu schliessen, da er in seinem stark alkoholisierten Zustand noch telefonisch mehrere Personen herbeirief und bei einer Abgabe von 32 Schüssen seine Schusswaffe mehrfach nachgeladen haben musste. Abgesehen davon kann strafprozessuale Haft selbst dann zulässig sein, wenn die Aussicht besteht, die beschuldigte Person könnte von Schuld und Strafe freigesprochen werden. Der vom Haftgericht hier zu prüfende dringende Tatverdacht gemäss Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO beschränkt sich daher auf eine tatbestandsmässige und rechtswidrige Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB. Das Vorliegen und das Ausmass der strafrechtlichen Schuldfähigkeit sowie die schuldangemessene bzw. sachlich gebotene (verschuldensunabhängige) Sanktion ist demgegenüber vom Sachgericht nach Vorliegen des psychiatrischen Schuldfähigkeitsgutachtens zu prüfen (vgl. zum Ganzen: BGE 143 IV 330 E. 2.2; Urteil 1B_403/2022 vom 23. August 2022 E. 3.3.2).
3.6. Aufgrund der konkreten Umstände ist der Beschwerdeführer dringend verdächtigt, sich wegen Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB strafbar gemacht zu haben. Bei dieser untersuchten Anlasstat handelt es sich um ein Verbrechen, welches den dringenden Tatverdacht nach Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO zu begründen vermag. Eine einschlägige Vortat ist im Falle der qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht erforderlich (BBl 2019 6743 Ziff. 4.1; Urteile 7B_671/2024 vom 10. Juli 2024 E. 2.2.2; 7B_155/2024 vom 5. März 2024 E. 3.6.2 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Die Rügen des Beschwerdeführers zum fehlenden Tatverdacht und zur fehlenden Vortat erweisen sich insofern als unbegründet.
4.
4.1. Des Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, dass keine qualifizierte Wiederholungsgefahr vorliege, da von ihm keine ernsthafte und unmittelbare Gefahr ausgehe. Er bringt ausserdem vor, dass nicht ansatzweise ersichtlich sei, welche gleichartigen, schweren Verbrechen drohen sollten.
4.2.
4.2.1. Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO verlangt als Prognoseelement die ernsthafte und unmittelbare Gefahr, dass die beschuldigte Person ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben werde. Zwar wurde in der Bundesgerichtspraxis zu aArt. 221 Abs. 1 lit. c StPO nicht wörtlich vom Erfordernis einer "ernsthaften und unmittelbaren" Gefahr (von neuen Schwerverbrechen) gesprochen. Es bestand aber in diesem Sinne schon altrechtlich eine restriktive Haftpraxis, indem das Bundesgericht ausdrücklich betonte, qualifizierte Wiederholungsgefahr komme nur in Frage, wenn das Risiko von neuen Schwerverbrechen als "untragbar hoch" erschiene (Urteil 7B_671/2024 vom 10. Juli 2024 E. 2.2.2; 7B_155/2024 vom 5. März 2024 E. 3.6.2, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen). Bei der erforderlichen ungünstigen Prognose ist zu berücksichtigen, dass Schwerverbrechen akut resp. in naher Zukunft drohen müssen und deshalb die Haft mit grosser Dringlichkeit angeordnet werden muss (Urteil 7B_583/2024 vom 25. Juni 2024 E. 3.2.3 und E. 3.4.4, zur Publikation vorgesehen; BBl 2019 6743 Ziff. 4.1; siehe Urteil 7B_671/2024 vom 10. Juli 2024 E. 2.2.2). Die richterliche Prognosebeurteilung stützt sich dabei auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Urteil 7B_671/2024 vom 10. Juli 2024 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Hierbei ist namentlich die konkret vom Beschuldigten ausgehende Gefährlichkeit bzw. das bei ihm vorhandene Gewaltpotenzial einzubeziehen (Urteil 7B_155/2024 vom 5. März 2024 E. 3.1.1, zur Publikation vorgesehen), was sich je nachdem entweder zu Lasten oder zu Gunsten des Beschuldigten auswirken kann (BGE 143 IV 9 E. 2.6).
4.2.2. Gutachten unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht darf in Fachfragen jedoch nur aus triftigen Gründen von einer Expertise abweichen und muss Abweichungen begründen (BGE 146 IV 114 E. 2.1; 142 IV 49 E. 2.1.3; je mit Hinweis). Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung verstossen (Urteil 6B_1037/2023 vom 5. Juni 2024 E. 3.3 mit Hinweisen). Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien die Überzeugungskraft dieser Expertise ernstlich erschüttern. Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet oder diese in sich widersprüchlich sind oder die Expertise sonstwie an Mängeln krankt, die derart offensichtlich sind, dass sie auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind (BGE 141 IV 369 E. 6.1 mit Hinweis).
Dies gilt grundsätzlich auch für die vorab zu einem psychiatrischen Hauptgutachten in Auftrag gegebenen Expertisen (wie Vorabberichte, Kurz-, Fokal- oder Partialgutachten). Solche summarischen Vorabstellungnahmen im Haftverfahren enthalten aus zeitlichen und sachlichen Gründen regelmässig keine vertiefte Analyse der zu begutachtenden Person mit umfassender Auswertung der Akten, Exploration und weiteren Erhebungen (siehe T HIERRY URWYLER, in: Handbuch Strafrecht, Psychiatrie, Psychologie, 2022, S. 267 Rz. 624). Sie sind deshalb besonders vorsichtig und zurückhaltend zu würdigen (siehe MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 3. Auflage 2023, N. 23b zu Art. 182 StPO; T HIERRY URWYLER, a.a.O., S. 266 Rz. 622 und S. 267 Rz. 624). Sofern das Gesamtgutachten noch nicht vorliegt, müssen die Haftgerichte folglich eine durch die sachverständige Person umschriebene ungünstige Rückfallprognose für ein gleichartiges, schweres Verbrechen der gesamten Beweislage gegenüberstellen. Hierbei sind insbesondere die Aussagen der beschuldigten Person, allfälliger Auskunftspersonen und Zeugen sowie gegebenenfalls weitere Indizien in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen. Der Haftrichter hat jedoch im Rahmen des Haftprüfungsverfahrens weder eine umfassende und abschliessende Würdigung der psychiatrischen Begutachtung vorzunehmen noch dem Sachrichter diesbezüglich vorzugreifen (Urteil 7B_49/2024 vom 2. Februar 2024 E. 3.3). Die Überprüfung durch das Haftgericht ist lediglich summarischer Natur (Urteile 7B_53/2024 vom 7. Februar 2024 E. 7.2.2; 7B_1022/2023 vom 11. Januar 2024 E. 4.3).
Würdigt dabei das Gericht einzelne belastende Indizien offensichtlich unrichtig oder lässt es entlastende Umstände willkürlich ausser Acht, führt dies nicht zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils durch das Bundesgericht. Die Beschwerde ist nur gutzuheissen, wenn der Entscheid auch bei objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich ist. Die beschwerdeführende Partei, die vor Bundesgericht eine willkürliche Beweiswürdigung rügt, darf sich daher nicht darauf beschränken, aufzuzeigen, wie einzelne Indizien willkürfrei zu würdigen gewesen wären. Sie muss sich vielmehr mit der gesamten Beweislage befassen und darlegen, inwiefern aus ihrer Sicht auch der aus der Gesamtheit der verschiedenen Indizien gezogene Schluss geradezu willkürlich ist (zum Ganzen: Urteile 6B_582/2021 vom 1. September 2021 E. 1.3.2; 6B_941/2023 vom 29. April 2024 E. 1.2.2; je mit Hinweisen).
4.2.3. Die Vorinstanz verweist im Zusammenhang mit der Begründung der "ernsthaften und unmittelbaren Gefahr" auf den vorab zum ausführlichen Gefährlichkeitsgutachten ergangenen forensisch-psychiatrischen Vorabbericht. Die Rückfallgefahr (für ähnliche Straftaten wie die Vorgeworfene) ergebe sich aus der störungsbedingt unzureichenden Fähigkeit, Affekte und Substanzkonsum sicher zu kontrollieren. Da die Gutachterin nachvollziehbar ausreichend konkrete Anzeichen für die (durch Alkohol hervorgerufene) Suchtproblematik darlegt, ist die diesbezügliche Tatsachenfeststellung der Vorinstanz nicht unhaltbar und sie durfte diese im Haftentscheid berücksichtigen.
4.2.4. Im vorliegenden Fall genügen der forensisch-psychiatrische Vorabbericht und die von der Vorinstanz erwähnten Umstände, um für den Beschwerdeführer eine ungünstige Rückfallprognose zu stellen. Die in Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO erwähnte "ernsthafte und unmittelbare Gefahr" ergibt sich aus der im Vorabbericht zum psychiatrischen Hauptgutachten festgestellten störungsbedingt unzureichenden Fähigkeit des Beschwerdeführers, Affekte sowie Substanzkonsum sicher zu kontrollieren, sowie aus dessen Verhalten vor und nach der Tat. Nach dem übermässigen Alkoholkonsum eskalierte die Situation dermassen, dass der Beschwerdeführer bei seinem "Kurzschluss im Delirium" in einem Wohngebiet 32 Schüsse in verschiedene Richtungen abgab, und dies teils bei eingeschränkter Sicht durch ein Fenster mutmasslich über die Grundstücksgrenze hinweg sowie in Anwesenheit von mindestens einer weiteren Person in einem relativ kleinem Raum. Im Vorabbericht zum psychiatrischen Hauptgutachten ist betreffend die Wiederholungs- und Ausführungsgefahr festgehalten, dass bisher keine Signale erkennbar seien, dass beim Beschwerdeführer ein tiefergehender Prozess des Reflektierens und der Verantwortungsübernahme in Gang gekommen seien. Aufgrund der konkreten Tatumstände und des Nachtatverhaltens des Beschwerdeführers kommt eine Geringschätzung gegenüber von Leib und Leben anderer Personen in besonderem Ausmass zum Ausdruck. Deren Ursprung gilt es - beförderlich aufgrund des Freiheitsentzugs des Beschwerdeführers (vgl. Art. 5 Abs. 2 StPO) - durch ein psychiatrisches Gutachten abzuklären (vgl. Art. 182 StPO). Aufgrund des im Vorabbericht zum psychiatrischen Hauptgutachten festgestellten deliktsrelevanten pathologischen Zustands des Beschwerdeführers, welcher sich in seinem Verhalten vor und nach der Tat zeigt und durch Beweisaussagen belegt ist, durfte die Vorinstanz im Ergebnis von einer ungünstigen Rückfallprognose ausgehen.
4.3.
4.3.1. Der Wortlaut von Art. 221 Abs. 1bis Bst. b StPO sieht vor, dass die drohende Tatbegehung ein schweres Verbrechen betreffen muss. Dieses bezieht sich auf die in Art. 221 Abs. 1bis Bst. a StPO genannten geschützten Rechtsgüter, d.h. die physische, psychische und sexuelle Integrität anderer Personen (Urteil 7B_583/2024 vom 25. Juni 2024 E. 3.2.3, zur Publikation vorgesehen). Da Art. 10 Abs. 2 StGB kein Abgrenzungskriterium für schwere und "minder schwere" Verbrechen enthält, muss zur Abgrenzung primär die Strafdrohung berücksichtigt werden. Dabei kann nicht jede Straftat, die mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, ein schweres Verbrechen darstellen, da dies auf sämtliche in Frage kommenden Verbrechenstatbestände des StGB zutrifft (Urteil 7B_671/2024 vom 10. Juli 2024 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Bei der Beurteilung von deren Schwere ist insbesondere auf das konkret zu schützende Rechtsgut einzugehen. Die Anordnung der Haft zur Verhinderung eines Rückfalls rechtfertigt sich nur, wenn das Interesse an der öffentlichen Sicherheit zum Schutz dieses Rechtsguts Vorrang vor der persönlichen Freiheit des Beschuldigten hat (vgl. Urteil 7B_583/2024 vom 25. Juni 2024 E. 3.2.4 mit Hinweis, zur Publikation vorgesehen).
4.3.2. Die Freilassung des Beschwerdeführers wäre bei den derzeitigen Erkenntnissen mit erheblichen konkreten Risiken für die öffentliche Sicherheit verbunden. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, könnte es bei der derzeitigen psychischen Verfassung des Beschwerdeführers nach einem hohen Alkoholkonsum zu einer weiteren Kurzschlusshandlung kommen, bei welcher der Beschwerdeführer wiederum Menschen am Leben gefährden oder sie tatsächlich verletzen (oder gar töten) könnte. Bei der Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB handelt es sich um ein Verbrechen, welches mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sanktioniert wird. Durch diese Norm wird in erster Linie das hochrangigste aller Rechtsgüter - das Leben - geschützt. Aufgrund konkreter Umstände ist von einer derart hohen (ernsthaften und unmittelbaren) Wahrscheinlichkeit für neue Gefährdungen des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB auszugehen, dass sich die Anordnung und Aufrechterhaltung der strafprozessualen Haft bis zum Erhalt des psychiatrischen Hauptgutachtens rechtfertigt. Die Annahme der Vorinstanz, es liege eine qualifizierte Wiederholungsgefahr für ein Schwerverbrechen im Sinne von Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO vor, ist nicht zu beanstanden.
5.
5.1. Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, dass allfälligen noch vorhandenen Restbedenken - eventualiter unter Anordnung von geeigneten Ersatzmassnahmen wie der Auflage einer kontrollierten Alkoholabstinenz, allenfalls kombiniert mit dem Verbot, Schusswaffen zu besitzen - ohne Weiteres begegnet und so auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen werden könnte.
5.2. Die angeordnete Haft muss verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und lit. d sowie Art. 212 Abs. 2 lit. c StPO). An Stelle der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft ordnet das zuständige Gericht Ersatzmassnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 237 Abs. 1 StPO; Urteil 7B_671/2023 vom 10. Juli 2024 E. 2.1). Art. 237 Abs. 2 StPO enthält eine nicht abschliessende Aufzählung von möglichen Ersatzmassnahmen, wobei beispielsweise die Auflage, sich einer ärztlichen Behandlung oder einer Kontrolle zu unterziehen, genannt wird (Bst. f; BGE 145 IV 503 E. 3.1; Urteil 7B_583/2024 vom 25. Juni 2024 E. 3.1, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweis).
5.3. Die Vorinstanz verweist auf die gutachterliche Feststellung, wonach die Informationslage aktuell zu gering erscheine, um zu beurteilen, ob die derzeitige Wiederholungsgefahr für ähnliche wie die vorgeworfenen Straftaten durch Ersatzmassnahmen gesenkt werden könnte. Dem Vorabbericht zum psychiatrischen Hauptgutachten ist weiter zu entnehmen, dass Ersatzmassnahmen in jedem Fall über reine Abstinenzkontrollen hinausgehen müssten. Die vorinstanzliche Feststellung, dass lebensgefährliche Verletzungen auch ohne Einsatz einer Schusswaffe (z.B. mittels eines in [fast] jedem Haushalt vorhandenen Fleischmessers) zugefügt werden könnten, ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht zu beanstanden. Dieser könnte sich jederzeit wieder eine Waffe beschaffen, sich in einen Rauschzustand versetzen und im Falle einer erneuten Eskalation wäre ein rechtzeitiges Eingreifen der Polizei nicht gewährleistet. Eine Anordnung von Ersatzmassnahmen ist jetzt, vor Erstattung des Hauptgutachtens, nicht zweckmässig. Das Ergebnis der Vorinstanz, mit blossen Ersatzmassnahmen anstelle von Haft lasse sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Wiederholungsgefahr nicht wirksam bannen, hält demzufolge vor Bundesrecht stand.
6.
Aufgrund des Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und ist ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Frauenfeld, dem Obergericht des Kantons Thurgau und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. September 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Mango-Meier