6B_80/2024 09.01.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_80/2024
Urteil vom 9. Januar 2025
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichter von Felten,
Gerichtsschreiberin Fildir.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Lars Heidbrink,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Bedingter Strafvollzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 12. September 2023 (STK 2022 50).
Sachverhalt:
A.
Das Strafgericht Schwyz sprach A.________ mit Urteil vom 7. Juli 2022 wegen mehrfacher Misswirtschaft, Unterlassung der Buchführung, ungetreuer Geschäftsbesorgung, betrügerischem Konkurs und Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 18 Monaten auf und setzte die Probezeit auf 5 Jahre fest. Auf Berufung von A.________ und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz hin bestätigte das Kantonsgericht Schwyz das erstinstanzliche Urteil am 12. September 2023.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, es sei ihm in Abänderung des Urteils des Kantonsgerichts Schwyz vom 12. September 2023 der bedingte Strafvollzug zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die 30-tägige Frist ist nur gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wird (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die rechtsuchende Person trägt die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung, die mit Gewissheit feststehen und nicht bloss überwiegend wahrscheinlich sein muss (BGE 142 V 389 E. 2.2 mit Hinweisen). Ihr obliegt der Nachweis, dass sie ihre Eingabe bis um 24 Uhr des letzten Tages der laufenden Frist der Post übergeben hat. Dabei wird vermutet, dass das Datum des Poststempels mit demjenigen der Übergabe an die Post übereinstimmt (BGE 147 IV 526 E. 3.1; 142 V 389 E. 2.2).
1.2. Das angefochtene Urteil wurde dem Beschwerdeführer am 12. Dezember 2023 zugestellt. Am 14. Dezember 2023 wurde es von der Vorinstanz berichtigt und am darauf folgenden Tag erneut zugestellt. Mit der Berichtigung begann die Beschwerdefrist an das Bundesgericht neu zu laufen und endete unter Berücksichtigung des Fristenstillstands (Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG) am 30. Januar 2024.
1.3. Die Beschwerde wurde mit A-Post verschickt (Briefkasteneinwurf) und ging am 31. Januar 2024 beim Bundesgericht ein. Der Poststempel auf dem Umschlag ist nicht lesbar. Auf der Rückseite befindet sich jedoch die Unterschrift von B.________, datiert mit 29. Januar 2024. Der Umschlag enthält zudem ein Schreiben, in welchem B.________ den Briefkasteneinwurf am 29. Januar 2024 bestätigt und darauf hinweist, den Vorgang gefilmt zu haben. Am 31. Januar 2024 wurde der Rechtsvertreter aufgefordert, das fragliche Video dem Bundesgericht zuzustellen. Dieser Aufforderung kam er mit Eingabe vom 5. Februar 2024 nach. Die Auswertung der Aufnahme bestätigt die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verweigerung des vollbedingten Strafvollzugs und macht eine Verletzung von Art. 42 Abs. 1 StGB geltend. Zusammengefasst bringt er vor, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht eine ungünstige Prognose gestellt. Sie habe seine Vorstrafen fälschlicherweise als teilweise einschlägig qualifiziert, auf eine nicht einschlägige Vorstrafe aus Deutschland abgestellt, positive Aspekte nicht berücksichtigt und auf Elemente der Strafzumessung rekurriert. Ausserdem sei sie zum Schluss gekommen, sein Verschulden sei als leicht einzustufen. Daraus folge zwingend, dass keine ungünstige Prognose vorliege.
2.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer sei mehrfach vorbestraft. Unter seinen Vorstrafen befinde sich eine zumindest teilweise einschlägige Vorstrafe: Er sei mit Strafbefehl vom 24. November 2017 wegen "Widerhandlungen im Sinne von Art. 187 Abs. 1 DBG, Art. 87 Abs. 3 AHVG und Art. 76 Abs. 3 BVG" schuldig gesprochen worden. Auch in diesem Zusammenhang habe er seine gesetzlichen Pflichten in Bezug auf eines seiner Unternehmen verletzt und Gelder unrechtmässig genutzt, um den Verpflichtungen seiner Gesellschaft nachzukommen. Danach habe er sein Verhalten nicht geändert, sondern rund anderthalb Jahre lang in ähnlicher Weise weiter delinquiert. Hinzu komme, dass er selbst im laufenden Verfahren straffällig geworden sei. In Anbetracht seiner strafrechtlichen Vorbelastung, der erneuten Straffälligkeit während des hängigen Verfahrens und der wirkungslos gebliebenen unbedingten Geldstrafen für seine Vorstrafen sowie unter Berücksichtigung der mehrjährigen Delinquenz, der hohen Deliktssumme und des Handelns aus überwiegend eigenen finanziellen Interessen sei von einer ungünstigen Prognose auszugehen und dem Beschwerdeführer der vollbedingte Strafvollzug zu verweigern. Stattdessen sei ihm der teilbedingte Vollzug zu gewähren.
3.
3.1. Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs setzt nicht die positive Erwartung voraus, der Täter werde sich bewähren, sondern es genügt die Abwesenheit der Befürchtung, dass er es nicht tun werde. Der Strafaufschub ist deshalb die Regel, von der grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden darf (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2; vgl. auch BGE 135 IV 180 E. 2.1; 134 IV 97 E. 7.3; Urteile 6B_265/2024 vom 21. Oktober 2024 E. 1.1.2; 6B_30/2024 vom 5. August 2024 E. 2.3.3; 6B_244/2021, 6B_254/2021 vom 17. April 2023 E. 5.3.4 mit Hinweisen). Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Ein relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung. Einschlägige Vorstrafen sind bei der Prognosestellung erheblich zu gewichten; sie schliessen den bedingten Vollzug aber nicht notwendig aus (vgl. BGE 135 IV 180 E. 2.1; 134 IV 1 E. 4.2.1; Urteile 6B_1153/2021 vom 29. März 2023 E. 2.3.4; 6B_617/2021 vom 8. Oktober 2021 E. 1.3.1; 6B_1005/2017 vom 9. Mai 2018 E. 4.1.1; je mit Hinweisen). Bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens steht dem Sachgericht ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn es sein Ermessen über- bzw. unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (BGE 145 IV 137 E. 2.2; 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 140 E. 4.2).
Als Mittellösung zwischen dem vollständigen Aufschub der Strafe und deren Vollzug wurde die teilbedingte Strafe eingeführt. Der Hauptanwendungsbereich der teilbedingten Strafe liegt bei Freiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren. Im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42 und Art. 43 StGB zwischen einem und zwei Jahren Freiheitsstrafe ist hingegen der vollständige Strafaufschub die Regel. Der teilbedingte Vollzug kommt nur (subsidiär) zur Anwendung, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1).
3.2. Vorliegend wurde eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, womit grundsätzlich von der Regel des vollständigen Strafaufschubs auszugehen ist. Die Vorinstanz erachtet jedoch die Vermutung der günstigen Prognose mit Blick auf die Vorstrafen des Beschwerdeführers und die Tatumstände als widerlegt.
3.2.1. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das Abstellen der Vorinstanz auf seine Vorstrafenbelastung im Rahmen der Prognosestellung nicht zu beanstanden. Dies gilt sowohl für seine Verurteilung wegen Veruntreuung von Quellensteuern und Vergehen gegen das AHVG und BVG im Jahr 2017 als auch für den Schuldspruch wegen "vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis" während des laufenden Verfahrens. Es trifft zwar zu, dass es sich bei Letzterem nicht um eine einschlägige Vorstrafe handelt. Für die Prognosebildung sind aber auch Vorstrafen, welche andersartige Delikte betreffen, nicht völlig belanglos (Urteile 6B_869/2016 vom 1. Juni 2017 E. 4.3; 6B_1095/2014 vom 24. März 2015 E. 3.2; 6B_1058/2010 vom 1. März 2011 E. 2.3; vgl. auch Urteil 6B_429/2021 vom 3. Mai 2022 E. 2.7.4; je mit Verweis auf BGE 100 IV 133 E. 2d), sodass nicht zu bemängeln ist, wenn die Vorinstanz das Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 15. April 2021 in ihre Würdigung miteinbezieht. Sie stützt sich auch zu Recht auf seine Vorstrafe wegen Steuer- und Sozialversicherungsdelikten aus dem Jahr 2017. Den Vorstrafencharakter dieser Taten vermag der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, sie hätten denselben Zeitraum betroffen wie die im vorinstanzlichen Verfahren beurteilten Vermögens- und Konkursdelikte, nicht zu widerlegen, hat er doch gemäss angefochtenem Urteil nach seiner Verurteilung vom 24. November 2017 noch bis in das Jahr 2019 weiterdelinquiert. Gleichzeitig anerkennt er mit seinem Vorbringen, es handle sich bei den Verstössen gegen das DBG, AHVG und BVG um blosse "Nebenprodukte" der begangenen Vermögens- und Konkursdelikte, die Einschlägigkeit dieser Vorstrafe. Einschlägige Vorstrafen dürfen - und müssen - nicht nur berücksichtigt, sondern als erheblich ungünstiges Element gewichtet werden (vgl. Urteile 6B_300/2020 vom 21. August 2020 E. 3.6; 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018 E. 1.2.2; 6B_963/2017 vom 15. Februar 2018 E. 3.2). Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Kritik des Beschwerdeführers an der vorinstanzlichen Begründung der Einschlägigkeit mit der Verletzung von gesetzlichen Pflichten ist rein appellatorischer Natur (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Er setzt sich nicht weiter damit auseinander, dass die Vorinstanz mit der Verletzung von (gesetzlichen) unternehmerischen Pflichten argumentiert und die Einschlägigkeit zusätzlich damit begründet, er habe auch im Kontext der Steuer- und Sozialversicherungsdelikte Gelder unrechtmässig verwendet, um den Verpflichtungen seiner Gesellschaft nachzukommen. Seine Einwände vermögen deshalb, soweit überhaupt auf sie einzutreten ist, nicht zu überzeugen.
3.2.2. Auch die Berücksichtigung der Tatumstände durch die Vorinstanz erweist sich als bundesrechtskonform. Anders als der Beschwerdeführer vorbringt, sind diese nicht nur für die Strafzumessung relevant, sondern Teil der bundesgerichtlich anerkannten Prognosekriterien (vgl. BGE 135 IV 180 E. 2.1; 134 IV 1 E. 4.2.1; Urteile 6B_265/2024 vom 21. Oktober 2024 E. 1.1.4; 6B_333/2024 vom 30. August 2024 E. 2.3.2). Es ist daher richtig, wenn die Vorinstanz zur Einschätzung des Rückfallrisikos auf die Dauer der Delinquenz, die Höhe der Deliktssumme und das Tatmotiv abstellt. Demgegenüber handelt es sich beim Verschulden primär um ein Strafzumessungskriterium (vgl. BGE 134 IV 1 E. 5.3.3). Entsprechend geht der Einwand des Beschwerdeführers fehl, aufgrund des ihm attestierten leichten Verschuldens könne ihm keine ungünstige Prognose gestellt werden. Ein leichtes Verschulden kann durchaus in Kombination mit einer negativen Prognose auftreten - und umgekehrt (vgl. SCHNEIDER/GARRÉ, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Auflage 2019, N. 19 zu Art. 43).
3.2.3. Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz bei der Prüfung des künftigen Legalverhaltens des Beschwerdeführers das ihr zustehende Ermessen verletzt haben soll. Unter Berücksichtigung seiner Vorstrafen und der Tatumstände geht sie in nachvollziehbarer Weise von einer negativen Prognose aus und gelangt zu dem vertretbaren Schluss, jedenfalls ein Teil der ausgesprochenen Strafe sei zu vollziehen. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer, wie er in seiner Beschwerde unter dem Titel der fehlenden "Legalprognose zu seinen Gunsten" vorbringt, seit der Eröffnung der Strafuntersuchung mit Ausnahme des Verstosses gegen das deutsche "Straßenverkehrsgesetz" im Jahr 2021 nicht mehr straffällig geworden ist und auch keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nimmt. Eine Verletzung von Art. 42 Abs. 1 StGB liegt nicht vor. Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zu Art. 42 Abs. 2 StGB ist mangels Anwendbarkeit der Bestimmung auf den vorliegenden Fall nicht einzugehen.
4. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Januar 2025
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Muschietti
Die Gerichtsschreiberin: Fildir