8C_128/2024 16.01.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_128/2024
Urteil vom 16. Januar 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
handelnd durch den Regionalen Sozialdienst Oberwynental, Beiständin: B.________,
und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Neuanmeldung, Nichteintreten),
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. Januar 2024 (VBE.2023.287).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________, geboren 1979, meldete sich Anfang Dezember 2016 unter Hinweis auf Aufmerksamkeitsdefizite, Konzentrations-störungen sowie eine depressive Episode erstmals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau führte medizinische sowie erwerbliche Abklärungen durch und holte bei Dr. med. C.________ ein psychiatrisches Gutachten vom 3. Juli 2018 ein. Gestützt darauf wies sie das Rentenbegehren am 24. Januar 2019 ab.
A.b. In der Folge gewährte die IV-Stelle berufliche Massnahmen in Form eines Jobcoachings (Arbeitstraining). Ein entsprechender Arbeitsversuch wurde vorzeitig abgebrochen, nachdem A.________ im Zuge eines operativen Eingriffs nicht in den Einsatzbetrieb zurückgekehrt war.
A.c. Im Juli 2020 reichte A.________ eine Neuanmeldung samt medizinischer Unterlage ein und machte eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands geltend. Nach Konsultation des Regionalen Ärztlichen Dienstes (nachfolgend: RAD) trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 10. Mai 2023 auf das erneute Gesuch nicht ein.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 9. Januar 2024 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des versicherungsgerichtlichen Urteils sei die Sache zur materiellen Beurteilung des Leistungsanspruchs an die Vorinstanz bzw. die IV-Stelle zurückzuweisen. Sodann ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Bundesgericht holt die vorinstanzlichen Akten ein. Einen Schriftenwechsel führt es nicht durch.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV die revidierten Bestimmungen des IVG sowie des ATSG samt entsprechendem Verordnungsrecht in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Verfügung erging nach dem 1. Januar 2022. Da die massgeblichen Bestimmungen betreffend die prozessuale Voraussetzung des Glaubhaftmachens (Art. 87 Abs. 2 f. IVV) keine Änderung erfahren haben, stellen sich diesbezüglich im Zuge des ab 1. Januar 2022 geltenden Rechts keine intertemporalrechtlichen Fragen (vgl. Urteil 8C_238/2023 vom 22. November 2023 E. 3.1).
3.
Die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen rechtlichen Grundlagen sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
4.
Die Vorinstanz hat geprüft, ob das Nichteintreten der Beschwerdegegnerin auf das von der Beschwerdeführerin Anfang Juli 2020 erneut gestellte Leistungsgesuch aus Sicht des Bundesrechts stand hält. Sie vertrat dabei im Wesentlichen den Standpunkt, dass im anspruchserheblichen Zeitraum seit der am 24. Januar 2019 verfügten Abweisung des Leistungsbegehrens bis hin zum Zeitpunkt der Verfügung vom 10. Mai 2023 keine relevante Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands, welcher hier einzig im Streit liegt, glaubhaft gemacht worden sei.
4.1. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht. Beruft sie sich in medizinischer Hinsicht allein auf die Angaben ihrer behandelnden Psychiaterin Dr. med. D.________ und der in der gleichen Praxis tätigen Psychologin lic. phil. E.________ vom 20. März 2023, so steht mit der darin diagnostizierten wahnhaften Störung (ICD-10 F22.0) zwar eine neue Diagnose im Raum. Indessen wurde diese, wie die Vorinstanz verbindlich (vgl. E. 1 hiervor) festgestellt hat, selbst von den Behandlerinnen als "remittiert" bezeichnet. Damit einhergehende funktionelle Einschränkungen von hinreichender Dauer sind denn auch in keiner Weise dokumentiert. Die einmalige, im Wesentlichen auf den Angaben der Beschwerdeführerin beruhende und zudem offenbar medikamentös gut behandelbare ("mittels medikamentöser Unterstützung Seroquel remittiert"; vgl. Bericht vom 20. März 2023) Dekompensation im Rahmen eines Arbeitsversuchs gibt keinen genügenden Anlass für ein Eintreten auf die Neuanmeldung. Sodann kann in Bezug auf die von Dr. med. D.________ und lic. phil. E.________ festgestellten rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33.4) ohne Weiteres auf die einlässliche Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts verwiesen werden. Dabei berücksichtigte dieses insbesondere, dass die behandelnden Fachpersonen im Zusammenhang mit der Depression keinen Schweregrad benannt hätten und ausserdem von einer Teilremission ("teilremittiert") ausgegangen seien (vorinstanzliche Erwägung 4.2). Schon vor diesem Hintergrund erscheint durchaus naheliegend, dass verglichen mit der vom psychiatrischen Gutachter Dr. med. C.________ bereits im Juli 2018 festgestellten leichten depressiven Episode (ICD-10 F32.0) keine relevante Verschlechterung glaubhaft gemacht ist (vgl. psychiatrische Expertise vom 3. Juli 2018).
4.2. Dies gilt umso mehr, als die von Dr. med. D.________ und lic. phil. E.________ im Zuge der Neuanmeldung erhobenen Befunde in weiten Teilen nicht nur - wie das kantonale Gericht dargelegt hat - vom psychiatrischen Sachverständigen, sondern auch durch sie selber bereits vor Erlass der abweisenden Verfügung vom 24. Januar 2019 erhoben wurden. So hielten die Behandlerinnen bereits dannzumal fest, die Beschwerdeführerin sei in der Stimmung labil, impulsiv, leide unter (erhöhten) Konzentrationsschwierigkeiten und Vergesslichkeit, habe Schwierigkeiten im Alltag, in der Interaktion mit anderen sowie Mühe mit der Entscheidungsfindung für die Lebensführung (vgl. Berichte vom 27. November 2017 und 24. März 2018). Diesen Einschränkungen wurde im beweiskräftigen psychiatrischen Gutachten vom 3. Juli 2018 umfassend Rechnung getragen und eine 30 % überschreitende Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen. Im März 2023 beschrieben Dr. med. D.________ und lic. phil. E.________ gleichermassen, die Beschwerdeführerin zeige insbesondere emotionale und körperliche Überforderung, sei erhöht stressanfällig, impulsiv, emotional labil, wirke schnell hilflos und könne mit Problemen und Aufgaben im Alltag nicht umgehen. Inwieweit eine wesentlich veränderte Befundlage vorliegen soll, ist vor diesem Hintergrund nicht zu ersehen (vgl. dazu: Urteil 8C_238/2023 vom 22. November 2023 E. 3.2.2). Hält die Beschwerdeführerin dem hauptsächlich entgegen, sie sei nicht in der Lage, ohne Begleitung Termine wahrzunehmen, so hilft dies nicht weiter. Vielmehr stellte bereits der psychiatrische Gutachter Dr. med. C.________ eine Beeinträchtigung in der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit fest. Dementsprechend wurde die Beschwerdeführerin schon zur damaligen Begutachtung von ihrem Ex-Ehemann gefahren. Somit hat die Vorinstanz willkürfrei darauf schliessen dürfen, dass es sich bei der - schon vor der Begutachtung wesentlich abweichenden - Einschätzung der Dr. med. D.________ und lic. phil. E.________ lediglich um eine andere Würdigung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen medizinischen Sachverhalts handelt, was für die Glaubhaftmachung einer Verschlechterung nicht ausreicht (statt vieler: Urteil 8C_677/2023 vom 22. August 2024 E. 4.1 mit Hinweisen).
4.3. Im Übrigen beschränkt sich die Beschwerdeführerin weitgehend auf eine rein appellatorische Kritik an der RAD-Stellungnahme vom 18. April 2023 mit Wiedergabe der eigenen Sichtweise (zur Beweiskraft versicherungsinterner Aktenbeurteilungen vgl. statt vieler: BGE 139 V 225 E. 5.2 mit Hinweis auf BGE 135 V 465 E. 4.4). Offensichtlich unzutreffend ist nach dem Gesagten die Behauptung, Beschwerdegegnerin und kantonales Gericht hätten sich so verhalten, als ob bereits im vorliegenden Verfahrensstadium der schlüssige Beweis für eine gesundheitliche Verschlechterung hätte erbracht werden müssen. Ebenso wenig war die Beschwerdegegnerin entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin verpflichtet, bei der behandelnden Psychiaterin einen ergänzenden Bericht einzuholen (zur Geltung des Untersuchungsgrundsatzes im Verfahren der Neuanmeldung: BGE 130 V 64 E. 5.2.5; Urteile 8C_481/2020 vom 15. Dezember 2020 E. 2.5; 9C_353/2017 vom 25. Juli 2017 E. 2). Auch die sonstigen Vorbringen zeigen weder eine offensichtliche Unrichtigkeit des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts noch eine anderweitige Bundesrechtswidrigkeit.
5.
Schliesslich ist anhand der Aktenlage nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Beschwerde zum Vornherein als aussichtslos qualifiziert und der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege versagt hat, ohne die Bedürftigkeit zu prüfen. Der im angefochtenen Urteil enthaltenen Begründung, die Verlustgefahren der Beschwerde seien zum Vornherein beträchtlich höher ausgefallen als die Gewinnaussichten, nachdem sich die Beschwerdeführerin einzig auf den Bericht der Dr. med. D.________ und der lic. phil. E.________ abstütze (vgl. E. 4.2 hiervor), hält die Beschwerdeführerin nichts Stichhaltiges entgegen.
6.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin sind demnach die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 16. Januar 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder