8C_518/2024 23.12.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_518/2024
Urteil vom 23. Dezember 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin PD Dr. Silvia Bucher,
Beschwerdeführerin,
gegen
SWICA Versicherungen AG, Römerstrasse 37, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 4. Juli 2024 (S 2022 111).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1971, war im Restaurant "B.________" in der Küche und als Reinigungsangestellte beschäftigt und dadurch bei der SWICA Versicherungen AG gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Bei einem Misstritt auf der Terrasse verletzte sie sich am 17. Juni 2019 am linken Fuss. Die Röntgenuntersuchung vom 2. August 2019 zeigte eine nicht dislozierte Fraktur am Metatarsale V. Es erfolgte eine konservative Behandlung. Nachdem A.________ über anhaltende Beschwerden klagte, holte die SWICA ein Gutachten der MEDAS Zentralschweiz vom 21. Januar 2021 ein. Danach litt A.________ an einem unfallbedingten CRPS (komplexes beziehungsweise chronisches regionales Schmerzsyndrom; Grad I). Von einer Behandlung durch einen Facharzt für Rheumatologie sei im Zeitraum ungefähr eines halben Jahres eine namhafte Besserung zu erwarten. Gestützt auf die Einschätzung ihres Vertrauensarztes Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Chirurgie, stellte die SWICA ihre Leistungen per 30. November 2021 ein mit der Begründung, dass der Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden habe (Status quo ante), spätestens per 29. März 2021 wiederhergestellt gewesen sei (Verfügung vom 16. Februar 2022 und Einspracheentscheid vom 11. August 2022).
B.
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Urteil vom 4. Juli 2024 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils seien ihr auch über den 30. November 2021 hinaus die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen.
Die SWICA und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen über den 30. November 2021 hinausgehenden Anspruch auf Leistungen der Beschwerdegegnerin für das Ereignis vom 17. Juni 2019 verneinte. Zur Frage steht die Zuverlässigkeit der ärztlichen Stellungnahmen als Beurteilungsgrundlage.
3.
Das kantonale Gericht hat die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang (BGE 142 V 435 E. 1; 129 V 177 E. 3.1) zutreffend dargelegt. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Haftung für die Verschlimmerung eines krankhaften Vorzustandes beziehungsweise bezüglich Entfallen der vom Unfallversicherer einmal anerkannten Leistungspflicht bei Teilursächlichkeit des Unfalls nach Wiederherstellung des Gesundheitszustandes, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1; SVR 2010 UV Nr. 31 S. 125, 8C_816/2009 E. 4.3; Urteile 8C_781/2017 vom 21. September 2018 E. 5.1; 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008 E. 3.2 und 4). Gleiches gilt hinsichtlich der Regeln zum Beweiswert von Arztberichten im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a) und von versicherungsinternen beziehungsweise von vertrauensärztlichen Feststellungen im Besonderen (BGE 139 V 225 E. 5.2; 135 V 465 E. 4.4; 125 V 351 E. 3b/ee; 122 V 157 E. 1d; Urteile 8C_646/2019 vom 6. März 2020 E. 4.3; 9C_634/2019 vom 12. November 2019 E. 4.3; 8C_71/2016 vom 1. Juli 2016 E. 5.2). Es wird darauf verwiesen. Hervorzuheben ist, dass auch reine Aktengutachten beweiskräftig sind, sofern ein lückenloser Befund vorliegt und es im Wesentlichen nur um die fachärztliche Beurteilung eines an sich feststehenden medizinischen Sachverhalts geht, mithin die direkte ärztliche Befassung mit der versicherten Person in den Hintergrund rückt (SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; SZS 2008 S. 393, I 1094/06 E. 3.1.1 a.E.; Urteile U 10/87 vom 29. April 1988 E. 5b, nicht publ. in: BGE 114 V 109, aber in: RKUV 1988 Nr. U 56 S. 366; 8C_780/2016 vom 24. März 2017 E. 6.1). Zu ergänzen ist, dass auf ein versicherungsexternes Gutachten praxisgemäss abzustellen ist, sofern nicht konkrete Indizien gegen dessen Zuverlässigkeit sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4; 125 V 351 E. 3b/bb). Die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag der therapeutisch tätigen (Fach-) Person einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4) lässt es rechtsprechungsgemäss nicht zu, ein Administrativ- oder Gerichtsgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Arztpersonen beziehungsweise Therapiekräfte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige - und nicht rein subjektiver Interpretation entspringende - Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (BGE 135 V 465 E. 4.5; 125 V 351 E. 3b/cc; SVR 2017 IV Nr. 7 S. 19, 9C_793/2015 E. 4.1; Urteile 8C_630/2020 vom 28. Januar 2021 E. 4.2.1; 8C_370/2020 vom 15. Oktober 2020 E. 7.2).
4.
4.1. Gemäss Vorinstanz ist gestützt auf die vertrauensärztliche Einschätzung von einer Wiederherstellung des Vorzustandes per 29. März 2021 auszugehen, nachdem das von den Gutachtern festgestellte, nach der Fraktur vom 17. Juni 2019 aufgetretene CRPS gemäss den behandelnden Ärzten ausgeheilt gewesen sei. Daran konnte nach dem kantonalen Gericht nichts ändern, dass die Beschwerdeführerin auch weiterhin über Schmerzen klagte, zumal sich diese nicht anders hätten erklären lassen, als dass sie erst nach dem Unfall aufgetreten seien.
4.2. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren bereits vorinstanzlich vorgebrachten Einwand, dass es zur Beurteilung der hier vorliegenden komplexen Problematik eines Facharzttitels in orthopädischer Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates bedurft hätte, der dem Vertrauensarzt fehle, und zudem mangels feststehenden Sachverhalts eine Einschätzung allein aufgrund der Akten nicht zu genügen vermöge. Jedenfalls gingen die behandelnden Ärzte entgegen dem Vertrauensarzt von verbleibenden unfallkausalen Beschwerden aus.
5.
5.1. Es liegen zunächst bildgebend ausgewiesene arthrotische Veränderungen vor, die indessen, insoweit auch letztinstanzlich unbestritten, von keiner Seite als unfallkausal beschrieben wurden, zumal sie nicht nur am unfallbedingt verletzten linken, sondern auch am rechten Fuss festgestellt wurden (MEDAS-Gutachten und Bericht des Dr. med. D.________, FMH Rheumatologie, vom 29. März 2021). Des Weiteren diagnostizierte der behandelnde Arzt Dr. med. E.________, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, eine Gelenkspaltverschmälerung am Tarsometatarsalgelenk (TMT) V (erstmals erwähnt im Bericht vom 22. September 2021), die er am 11. Mai 2022 einem operativen Eingriff unterzog (Resektionsarthroplastik). Zur allfälligen Unfallkausalität dieses Befunds äusserte sich Dr. med. E.________ nicht.
5.2. Im Vordergrund des hier zu beurteilenden Streits steht eine neurologische Symptomatik als mögliche verbleibende Unfallfolge. Während nach einer Konsultation in der Klinik F.________ am 29. April 2021 zunächst die Verdachtsdiagnose einer Morton-Neuralgie gestellt worden war (Bericht vom 6. Juni 2021), liegt gemäss Dr. med. E.________ eine entzündliche Veränderung am Peroneus-brevis-Nerv vor (Berichte vom 18. Oktober 2021 sowie vom 12. Januar und 31. August 2022). Dass durch das früher diagnostizierte CRPS auch weiterhin noch Beschwerden verursacht würden, lässt sich keiner der nach dem 29. März 2021 ergangenen ärztlichen Stellungnahmen entnehmen.
5.2.1. Das Hauptargument der Beschwerdeführerin lautet dahingehend, dass schon deshalb, weil der behandelnde Arzt Dr. med. E.________ die von ihm als neurologisch interpretierte Schmerzursache als unfallbedingt erachte, auf die gegenteilige Einschätzung des Vertrauensarztes nicht abgestellt werden könne. Es komme hinzu, so die Beschwerdeführerin weiter, dass es dem Vertrauensarzt an der fachlichen Kompetenz zur Beurteilung der Fussbeschwerden fehle, zumal er im Rahmen seiner Aktenbeurteilung unzulässigerweise eine eigenständige Beurteilung abgebe, die sich so aus den vorliegenden Untersuchungsberichten nicht herleiten lasse.
5.2.2. Dem ist zunächst entgegenzusetzen, dass sich Dr. med. E.________ in seinen Stellungnahmen, insbesondere in der letzten vom 31. August 2022, auf die Aussage beschränkt, er erachte die Problematik als klar unfallkausal, ohne diese Einschätzung eingehender zu begründen. Verschiedentlich verweist er darauf, dass es sich um posttraumatisch persistierende Beschwerden handle. Aus der blossen Tatsache, dass die Beschwerden erst nach dem Unfall aufgetreten sind, lässt sich jedoch kein Beweis über deren Unfallkausalität führen ("post hoc ergo propter hoc"; BGE 119 V 335 E. 2b/bb; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.2.3.1).
5.2.3. Die Beschwerdeführerin war bereits anlässlich der Begutachtung im November 2020 neurologisch abgeklärt worden und danach erneut durch Dr. med. G.________, FMH Neurologie, im Frühjahr 2021 (Bericht vom 9. April 2021). Pathologische Befunde konnten dabei nicht erhoben werden. Gemäss dem neurologischen Teilgutachter sei bei der erlittenen Fraktur eine Beteiligung von Nerven schwer vorstellbar. Das von der Beschwerdeführerin angegebene Areal der sensiblen Beeinträchtigung sei neurologisch-topisch nicht spezifisch zuzuordnen. Es beinhalte zur Hauptsache das Territorium der Peroneusnerven (superficialis und suralis), welche jedoch beide einen normalen Elektroneurographiebefund gezeigt hätten.
5.2.4. Der Vertrauensarzt wies weiter darauf hin, anlässlich der bildgebenden Untersuchung nach dem Unfall hätten sich ausser der nicht dislozierten Fraktur keine weiteren traumatischen Schäden gezeigt. Hingegen seien degenerative Veränderungen in Form einer Arthrose am Talonavikulargelenk und am Calcaneocuboidalgelenk sowie einer Plantarfasziitis bei Senk-Spreizfuss ausgewiesen (Stellungnahmen vom 13. November 2021 und vom 10. Februar 2022). Anzufügen bleibt, dass sich bei weiteren bildgebenden Untersuchungen am 13. Januar 2022 in der Klinik H.________ (Ganzkörperskelettszintigraphie, Knochenspect, CT des linken Fusses), Arthrosezeichen am TMT-Gelenk DV sowie am Grosszehengrundgelenk, aber keine Weichteilverkalkungen beziehungsweise Narbenknochen am linken Fuss zeigten. Dass jedenfalls auch degenerative Schädigungen vorliegen, wird denn auch beschwerdeweise nicht bestritten.
5.2.5. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, nicht hineinreichend abgeklärt worden zu sein. Inwiefern der Vertrauensarzt somit nicht hätte darauf abstellen dürfen, dass trotz mehrfacher neurologischer Untersuchung keine pathologischen Befunde erhoben werden konnten, ist nicht zu erkennen. Gleiches gilt insoweit, als die Vorinstanz sich ihrerseits auf die vertrauensärztliche Einschätzung stützte. Soweit der behandelnde Arzt dennoch von einer neurologischen Schmerzursache ausging und die Beschwerden zudem, wenn auch ohne weitergehende nachvollziehbare Begründung, als unfallbedingt erachtete, vermag dies unter den gegebenen Umständen keine auch nur geringen Zweifel an der vertrauensärztlichen Aktenstellungnahme zu erwecken.
5.2.6. Damit lässt sich insgesamt nicht ersehen, inwiefern das kantonale Gericht die zu beachtenden Beweiswürdigungsregeln verletzt haben sollte. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.
6.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. Dezember 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo