1C_562/2024 13.01.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_562/2024
Urteil vom 13. Januar 2025
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler, Merz,
Gerichtsschreiberin Hänni.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Präsidentin,
An der Aa 6, 6300 Zug.
Gegenstand
Gesuch nach Datenschutzgesetz (Ersuchen um Datensperre und Anonymisierung),
Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Präsidentin,
vom 5. September 2024 (K 2024 5).
Sachverhalt:
A.
Mit Eingabe vom 23. August 2024 ersuchte A.________ das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, verschiedene Elemente in den ihn betreffenden Entscheiden, die in der öffentlich zugänglichen Entscheiddatenbank (https//verwaltungsgericht.zg.ch) verzeichnet sind, zu löschen bzw. zu anonymisieren. Konkret verlangte er:
"1) Die Löschung sämtlicher Verfahrensnummern zu meiner Person
2) Die Löschung oder Anonymisierung meiner Krankheiten und Daten zu medizinischen Berichten
3) Die Anonymisierung meiner finanziellen Situation
4) Die Anonymisierung meiner Prozessführung."
B.
Mit Beschluss vom 5. September 2024 wies die Präsidentin des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug das Gesuch ab, soweit sie darauf eintrat.
C.
Dagegen erhebt A.________ am 11. September 2024 "Einsprache" beim Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Gutheissung seiner Anträge, insbesondere die vollständige Sperrung seiner Daten ausserhalb rechtshängiger Verfahren sowie die Anonymisierung sämtlicher ihn betreffenden Verfahrensnummern und Gesundheitsdaten in der Entscheiddatenbank des Verwaltungsgerichts. Weiter beantragt er die superprovisorische Sperrung all seiner Personendaten. Schliesslich stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren.
Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts nahm zur Beschwerde Stellung und beantragt die Abweisung des Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen.
Mit Verfügung vom 8. Oktober 2024 wies der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung das Gesuch um Erlass einer vorsorglichen Massnahme ab.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs.1 BGG) und mit freier Kognition (Art. 95 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 148 I 160 E. 1 mit Hinweis).
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unter anderem zulässig gegen Endentscheide letzter kantonaler Instanzen in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG).
Vorliegend ist ein kantonaler Justizverwaltungsakt der Präsidentin des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug angefochten, der sich auf öffentliches Recht stützt. Darin wird ausserhalb eines hängigen Verfahrens in erster Instanz ein Gesuch um Anonymisierung von Gerichtsurteilen abgewiesen, die auf der Internetseite des Verwaltungsgerichts veröffentlicht wurden.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es sich beim angefochtenen Beschluss um einen Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts handelt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist der Entscheid jedoch nicht letztinstanzlich; dieser sei vielmehr auf der Grundlage des Datenschutzgesetzes des Kantons Zug vom 28. September 2000 (DSG/ZG; BGS 157.1) i.V.m. dem Gesetz des Kantons Zug über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 1. April 1976 (VRG/ZG; BGS 162.1) mit Einsprache bei der Vorinstanz anfechtbar. Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts führt dagegen aus, das kantonale Datenschutzgesetz sei aufgrund von § 3 Abs. 4 DSG/ZG nicht anwendbar, womit ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vorliege.
Im Folgenden ist zu prüfen, ob das DSG/ZG anwendbar ist oder nicht. Trifft Letzteres zu, liegt ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vor, der vor dem Bundesgericht angefochten werden kann.
1.2. Nach § 3 Abs. 4 DSG/ZG richten sich Rechte und Ansprüche der betroffenen Personen in Verfahren der Zivil- und Strafrechtspflege (inklusive Verfahren der internationalen Rechtshilfe) sowie der Verwaltungsrechtspflege nach dem anwendbaren Verfahrensrecht. Im Bericht und Antrag des Regierungsrats des Kantons Zug wird zu § 3 Abs. 4 DSG/ZG ausgeführt, dieser diene dazu, Kollisionen zwischen den verfahrensrechtlichen und datenschutzrechtlichen Informationsansprüchen der Parteien bzw. der betroffenen Personen zu vermeiden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das anwendbare Verfahrensrecht nach Abschluss des Verfahrens das DSG für anwendbar erkläre. An der richterlichen Unabhängigkeit ändere diese nichts. Aus diesem Grund würden Datenbearbeitungen durch Justizbehörden im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Bst. a DSG/ZG von der Aufsicht der oder des Datenschutzbeauftragten ausgenommen. Datenbearbeitungen durch Gerichte im nicht justiziellen Bereich, wie z.B. das Bearbeiten von Daten über das Personal durch die administrativen Dienste von Gerichten, blieben allerdings dem DSG unterstellt (Bericht und Antrag des Regierungsrats des Kantons Zug vom 18. Juni 2019 zur Änderung des Datenschutzgesetzes, Vorlage Nr. 2985.1, S. 18).
1.3. Der Beschwerdeführer beantragt eine weitergehende Anonymisierung von ihn betreffenden Urteilen des Verwaltungsgerichts, die unter Anwendung des VRG/ZG ergangen sind. Das VRG/ZG enthält keine Bestimmung, wonach dieses nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr anwendbar bzw. das kantonale Datenschutzgesetz anwendbar wäre. Darüber hinaus ist es berechtigt, davon auszugehen, das Verwaltungsgericht des Kantons Zug übe bei der Veröffentlichung seiner Rechtsprechung und bei der damit einhergehenden Anonymisierung eine justizielle Tätigkeit aus. Vor diesem Hintergrund hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, das kantonale Datenschutzgesetz sei nicht anwendbar und ihr Entscheid sei letztinstanzlich (vgl. auch §§ 35 und 61 VRG/ZG).
1.4. Der angefochtene Justizverwaltungsakt kann daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und hat als Adressat des angefochtenen Beschlusses ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden.
2.
In der Sache macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die Vorinstanz sei in Willkür verfallen (Art. 9 BV) und habe das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, indem sie ohne Begründung davon ausging, das kantonale Datenschutzgesetz sei nicht anwendbar. Wie soeben ausgeführt, hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, dieser Erlass sei nicht anwendbar und verfällt somit nicht in Willkür. Im Übrigen hat die Präsidentin des Verwaltungsgerichts zwar nicht detailliert ausgeführt, wieso das kantonale Datenschutzgesetz nicht anwendbar ist; der Beschluss war jedoch so abgefasst, dass es dem Beschwerdeführer ohne Weiteres möglich war, dessen Tragweite zu erkennen und die Nichtanwendung des kantonalen Datenschutzgesetzes vor dem Bundesgericht zu rügen (vgl. BGE 148 III 30 E. 3.1 mit Hinweisen). Es liegt also auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor
3.
Der Beschwerdeführer bringt in der Sache vor, alle ihn betreffenden Urteile des Verwaltungsgerichts müssten pseudonymisiert bzw. die darin enthaltenen besonders schützenswerten Daten gesperrt werden, weil sonst zwischen den ihn betreffenden Verfahren Zusammenhänge erstellt werden könnten. Er macht damit sinngemäss eine Verletzung seines Anspruchs auf Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) geltend.
3.1. Der Grundsatz der Justizöffentlichkeit (Art. 30 Abs. 3 BV) gewährleistet einen grundsätzlichen Anspruch der Öffentlichkeit auf Einsicht in alle Urteile nach Urteilsverkündung (BGE 147 I 407 E. 6.4.2; Urteil 1C_642/2020 vom 17. März 2022 E. 2.3). Dieser ist jedoch nicht absolut, sondern kann insbesondere zum Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) der Prozessbeteiligten eingeschränkt werden. Dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten kann in aller Regel durch Anonymisierung Rechnung getragen werden. Da die Anonymisierung eine Einschränkung des Anspruchs auf Einsicht in alle Urteile nach der Urteilsverkündung darstellt, muss diese in Übereinstimmung mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip erfolgen (BGE 147 I 407 E. 6.4.2). Insbesondere darf die Anonymisierung nicht dazu führen, dass das Urteil nicht mehr verständlich ist. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass Personen, die mit den Einzelheiten des Falles vertraut sind, erkennen können, um wen es geht (BGE 147 I 407 E. 7.3; 133 I 106 E. 8.3; Urteile 1C_642/2020 vom 17. März 2022 E. 2.3; 2C_677/2015 vom 31. März 2016 E. 4.2).
3.2. In ihrem Beschluss hat die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ausgeführt, die vom Beschwerdeführer zitierten Urteile seien nur in anonymisierter Form der Öffentlichkeit zugänglich. Weiter sei es interessierten Personen nur unter erheblichem Aufwand möglich, zu erfahren, dass es im Kanton Zug einen Mann gebe, der an verschiedenen Verfahren vor verschiedenen Instanzen beteiligt sei. Die breite Öffentlichkeit könne ihn als Individuum jedoch nicht identifizieren. Es reiche nicht, wenn wenige, ihm nahestehende Personen ihn - nur bei vorgängiger Kenntnis einer oder mehrerer der einschlägigen Verfahrensnummern - in den so aufgefundenen, anonymisierten Versionen der publizierten Entscheide identifizieren könnten. Der Beschwerdeführer könne kein Interesse daran geltend machen, in den verschiedenen laufenden Verfahren den jeweiligen Behörden voneinander abweichende Sachverhaltsdarstellungen präsentieren zu können, ohne zu riskieren, dass allfällige Widersprüche thematisiert und geklärt würden. Die Öffentlichkeit habe auch ein Interesse zu erfahren, wenn einzelne Rechtssuchende die Justiz mit immer neuen Verfahren stark beanspruchten und damit erhebliche Ressourcen binden würden.
3.3. Der Beschwerdeführer führt dagegen aus, die Gegenpartei in einem ihn betreffenden Zivilverfahren könne anhand des dadurch bekannten Datums eines medizinischen Berichts in der Entscheiddatenbank des Verwaltungsgerichts alle ihn betreffenden Urteile ausfindig machen und so Kenntnis über seine gesundheitliche Situation erlangen. Damit zeigt er aber lediglich auf, dass einige wenige Personen, die in anderen Verfahren gegen ihn verwickelt sind und dadurch spezielle Vorkenntnisse haben (Datum eines medizinischen Berichts), unter Umständen andere ihn betreffende Verfahren ausfindig machen und so an andere Informationen gelangen könnten. Gemäss der oben dargestellten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Justizöffentlichkeit verletzt dies den Anspruch auf Schutz der Privatsphäre jedoch nicht.
Darüber hinaus zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, inwiefern die breite Öffentlichkeit ohne spezielle Vorkenntnisse Zusammenhänge zwischen ihn betreffenden Urteilen des Verwaltungsgerichts herstellen könnte oder ihn als Individuum identifizieren könnte. Insgesamt ergibt sich, dass sowohl dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit wie auch dem Schutz der Privatsphäre vorliegend gebührend Rechnung getragen wurde. Die Rüge des Beschwerdeführers betreffend Schutz der Privatsphäre ist unbegründet. Somit kann offenbleiben, ob - wie die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ausführt - die Öffentlichkeit überdies ein Interesse daran hat, zu erfahren, dass einzelne Rechtssuchende die Justiz übermässig beanspruchten.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Da die gesetzlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann dem Gesuch stattgegeben werden (Art. 64 BGG). Der Beschwerdeführer ersucht zudem um unentgeltliche Verbeiständung. Er hat sich vor Bundesgericht jedoch nicht vertreten lassen und es besteht auch kein Anlass, ihm von Amtes wegen einen Anwalt oder eine Anwältin zu bestellen (vgl. Art. 41 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
4.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Januar 2025
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Haag
Die Gerichtsschreiberin: Hänni