8C_85/2024 03.02.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_85/2024
Urteil vom 3. Februar 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Heine, Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier,
Beschwerdeführer,
gegen
GENERALI Allgemeine Versicherungen AG,
Avenue Perdtemps 23, 1260 Nyon,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Leistungskürzung),
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Dezember 2023 (UV.2023.00024).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1993, war als Aushilfe bei der B.________ AG, angestellt und dadurch bei der Generali Allgemeine Versicherungen AG (nachfolgend: Generali) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Gemäss Unfallmeldung vom 7. Juli 2021 und Fragebogen vom 28. Juli 2021 war er am 22. Mai 2021 mit einem Messer angegriffen und mit sieben Stichwunden verletzt worden. Die Generali kam für die Heilbehandlung auf. Die Ausrichtung von Geldleistungen verweigerte sie indessen unter Berufung auf die eingeholten Akten der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit der Begründung, dass ein absolutes Wagnis vorliege (Verfügung vom 16. Juni 2022 und Einspracheentscheid vom 11. Januar 2023).
B.
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 13. Dezember 2023 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils seien ihm die gesetzlichen Geldleistungen, eventuell unter Kürzung um 50 %, zuzusprechen.
Nach Beizug der vorinstanzlichen Akten verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen Anspruch auf Geldleistungen des Unfallversicherers wegen Vorliegens eines absoluten Wagnisses verneinte.
3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Kürzung oder Verweigerung von Geldleistungen für Nichtberufsunfälle bei sogenannten absoluten Wagnissen zutreffend dargelegt (Art. 39 UVG, Art. 50 Abs. 1 UVV; BGE 141 V 216 E. 2; 141 V 37 E. 2.3). Es wird darauf verwiesen.
Hervorzuheben ist, dass ein absolutes Wagnis praxisgemäss in zwei Konstellationen vorliegt: Zum einen, wenn eine Handlung aufgrund objektiver Gegebenheiten mit Gefahren verbunden ist, die unabhängig von den konkreten Verhältnissen nicht auf ein vernünftiges Mass herabgesetzt werden können. Zum andern ist aus objektiven Gründen ebenfalls auf ein absolutes Wagnis zu erkennen, wenn es am schützenswerten Charakter einer Handlung mangelt (SVR 2007 UV Nr. 4 S. 10, U 122/06 E. 2.1). Der schützenswerte Charakter kann insbesondere bei sportlichen Betätigungen zumeist bejaht werden (beispielsweise Bergsteigen und Klettersport, BGE 97 V 72 E. 3, oder Canyoning, BGE 125 V 312 E. 3a), dies unter Vorbehalt besonders gefährlicher Sportarten (dazu BGE 141 V 37 E. 4 mit Hinweisen: beispielsweise [Thai-] Boxwettkämpfe, aber auch Auto-Bergrennen und Motorrad- beziehungsweise Motocross-Rennen).
Das Wagnis ist als besonders schwerer Fall mit gänzlicher Verweigerung der Geldleistungen zu qualifizieren bei besonderem Verschulden beziehungsweise subjektiven Motiven des Versicherten oder aber bei besonderer Gefahr (SZS 2013 S. 172, 8C_504/2007 E. 7.2; Urteil 8C_683/2010 vom 5. November 2010 E. 7).
4.
4.1. Gemäss Vorinstanz war ein Cousin eines Bekannten des Beschwerdeführers entführt und ein Lösegeld verlangt worden. Die Entführer hätten gedroht, dem Entführten passiere etwas, wenn das Lösegeld nicht gebracht oder die Polizei gerufen werde. Obwohl er vermutet habe, dass es dabei Probleme geben könnte, habe sich der Beschwerdeführer zusammen mit dem erwähnten sowie einem weiteren Bekannten mit einem Fahrzeug an einen Treffpunkt begeben, um mit den Entführern zu sprechen und den Entführten zu befreien. Unmittelbar nach Verlassen des Fahrzeuges sei der Beschwerdeführer dort von mehreren Personen attackiert und durch Messerstiche schwer verletzt worden. Das kantonale Gericht qualifizierte das Verhalten des Beschwerdeführers mit dem Unfallversicherer als absolutes Wagnis in einem besonders schweren Fall.
4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, allein aus dem Umstand, dass eine Person entführt und Lösegeld gefordert worden sei, lasse sich für ihn als blossen Vermittler keine unmittelbar drohende, akute Gefahr für Leib und Leben ableiten. Zwar hätten er und seine Begleiter kein Geld mitgebracht. Indessen sei er bereits unmittelbar nach Verlassen des Fahrzeuges angegriffen worden, was nicht als Reaktion auf das fehlende Lösegeld zu werten sei. Die Drohung eines Angriffs habe lediglich dem Entführten gegolten, was im Übrigen nicht retrospektiv, sondern prospektiv zu beurteilen sei. Selbst wenn von einem absoluten Wagnis auszugehen wäre, läge jedenfalls kein besonders schwerer Fall vor, was denn auch von der Vorinstanz nicht weiter begründet worden sei.
4.3. Dass die Vorinstanz mit der Qualifikation des Vorfalls als Wagnis und dabei als besonders schweren Fall Bundesrecht verletzt haben sollte, vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Die vom kantonalen Gericht festgestellte, vom Beschwerdeführer insoweit nicht bestrittene Situation muss zunächst als unkontrollierbare Gefahr auch für das eigene Leben gelten. Daran kann nichts ändern, dass sich der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bloss als Vermittler habe anbieten wollen, zumal, wie aus den Akten der Staatsanwaltschaft und aus dem Einspracheentscheid weiter hervorgeht, der eigentliche Hintergrund der Entführung ein Streit um 10 kg Marihuana beziehungsweise um Fr. 50'000.- war. Sich in eine solche Gefahr zu begeben, kann zudem jedenfalls nicht als schützenswert gelten. Dass die Vorinstanz auf ein Wagnis erkannt hat, ist nicht zu beanstanden. Es lässt sich ferner auch nicht ersehen, inwieweit das kantonale Gericht die hier weiter zu beachtenden Grundsätze verletzte, indem es angesichts der vorliegenden Umstände gar von einer besonderen Gefahr und einem besonderen Verschulden ausging. Dies lässt sich unabhängig von der strafrechtlichen Qualifikation der im Raum stehenden, allenfalls bandenmässig verübten Drogendelikte im Einzelnen beurteilen. Zudem ist hier auch nicht von Belang, ob gegen den Beschwerdeführer selber ein Strafverfahren eröffnet wurde oder nicht. So zog das kantonale Gericht insbesondere in Erwägung, dass bei einer Entführung mit Drohungen und einer Lösegeldforderung jedenfalls nicht das persönliche Gespräch mit den Entführern zu suchen sei, sondern die Polizei zu alarmieren wäre, zumal entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht davon auszugehen gewesen sei, dass es sich bei den Entführern um harmlose Kinder und Jugendliche handle, sondern vielmehr mit Tätern mit erheblicher krimineller Energie zu rechnen gewesen sei, die vor Gewalt nicht zurückschreckten.
4.4. Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 BGG abzuweisen.
5.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Februar 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo