8C_84/2024 12.02.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_84/2024
Urteil vom 12. Februar 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Heine, Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. Dezember 2023
(200 23 685 UV).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1970, war seit 1. März 2015 als Elektrikergehilfe bei der B.________ AG beschäftigt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Bei einem Sturz am Arbeitsplatz am 11. September 2019 zog er sich eine Fraktur am rechten Handgelenk zu. Nachdem sie die gesetzlichen Leistungen erbracht hatte, schloss die Suva den Fall per Ende April 2022 formlos ab. Mit Verfügung vom 6. April 2022 sprach sie A.________ eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 15 % zu. Einen Anspruch auf Invalidenrente lehnte sie indessen mit Verfügung vom 8. Juli 2022 und Einspracheentscheid vom 19. September 2023 ab.
B.
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 22. Dezember 2023 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz beziehungsweise auf Zusprechung einer Invalidenrente.
Die Suva schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlasssung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen Rentenanspruch des Beschwerdeführers verneinte. Zur Frage stehen einzig die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung und dabei insbesondere die Höhe des von der Beschwerdegegnerin gewährten leidensbedingten Abzugs von dem auf statistischer Basis ermittelten Verdienst, den der Beschwerdeführer nach deren Eintritt zumutbarerweise noch zu erzielen vermöchte (Invalideneinkommen).
3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über den Anspruch auf eine Invalidenrente nach Art. 18 Abs. 1 UVG bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 10 % zutreffend dargelegt. Gleiches gilt bezüglich der Berechnung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) sowie hinsichtlich der Rechtsprechung zum behinderungs- beziehungsweise leidensbedingten Abzug (BGE 148 V 174 E. 9.2.2; 135 V 297 E. 5.2; 126 V 75 E. 5). Ob ein solcher vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage. Demgegenüber stellt die Höhe des Abzuges eine typische Ermessensfrage dar. Eine letztinstanzliche Korrektur kann nur erfolgen bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung (BGE 137 V 71 E. 5.1; Urteil 8C_557/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 3.4).
4.
4.1. Gemäss Vorinstanz verbleibt dem Beschwerdeführer in körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten mit Rücksichtnahme auf die unfallbedingten, vom Suva-Arzt weiter umschriebenen Einschränkungen an der rechten Hand eine zeitlich uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit.
Beim Verdienst, den der Beschwerdeführer hypothetisch als Gesunder erzielen würde (Valideneinkommen), könne, so das kantonale Gericht weiter, nicht auf das letzte Arbeitsverhältnis abgestellt werden, da die vormalige Arbeitgeberin dieses bereits vor dem Unfall gekündigt habe. Es zog vielmehr die statistischen Zahlen gemäss der Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik (LSE) und dabei den Totalwert heran, ebenso wie auch für das zumutbarerweise noch erzielbare Invalideneinkommen. Das kantonale Gericht verzichtete auf eine Ermittlung der genauen Beträge. Der von der Suva gewährte leidensbedingte Abzug von 5 % war gemäss Vorinstanz nicht zu beanstanden. Trotz der Einschränkungen an der rechten Hand verblieben dem Beschwerdeführer eine Vielzahl körperlich leichter oder mittelschwerer Tätigkeiten, zumal keine funktionelle Einhändigkeit vorliege. Andere Gründe für einen leidensbedingten Abzug seien nicht gegeben. Insbesondere bestehe eine 100%ige Restarbeitsfähigkeit ohne Leistungseinbusse. Allfällige sprachliche Schwierigkeiten, eine unzureichende berufliche Ausbildung, das Alter, das Dienstalter oder die Aufenthaltskategorie rechtfertigten des Weiteren keine Reduktion.
4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass eine Ermittlung der beiden Vergleichseinkommen unerlässlich gewesen wäre. Des Weiteren bringt er vor, dass ein mindestens 10%iger leidensbedingter Abzug vom Invalideneinkommen hätte gewährt werden müssen. Zur Begründung beruft sich der Beschwerdeführer insbesondere auf die verbleibenden beträchtlichen Einschränkungen an der rechten Hand, die mit einer Integritätsentschädigung von 15 % abgefunden worden seien und die alleine schon mit einer 10%igen Reduktion hätten berücksichtigt werden müssen. Zu Unrecht sei des Weiteren unberücksichtigt geblieben, dass er als ausländischer Staatsangehöriger lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung B verfüge.
5.
Dass die Vorinstanz bei der Ermittlung der Vergleichseinkommen Bundesrecht verletzt haben sollte, lässt sich nicht ersehen.
5.1. Erfolgte ein Stellenverlust aus invaliditätsfremden Gründen, ist der Validenlohn anhand von Durchschnittswerten zu bestimmen (SVR 2007 IV Nr. 38 S. 130, I 943/06 E. 5.1.3 und 6.2; Urteile 8C_561/2022 vom 4. August 2023 E. 5.3.1; 9C_212/2015 vom 9. Juni 2015 E. 5.4; I 95/03 vom 28. Januar 2004 E. 4.2.2). Es wird denn beschwerdeweise auch nicht bestritten, dass sowohl beim Invaliden- wie auch beim Valideneinkommen auf denselben statistischen Wert abzustellen war. Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers erübrigt sich in dieser Konstellation die genaue Ermittlung der Vergleichseinkommen; der Invaliditätsgrad entspricht dem Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des Abzuges vom Tabellenlohn. Dabei handelt es sich um eine rein rechnerische Vereinfachung (Urteile 9C_675/2016 vom 18. April 2017 E. 3.2.1; 8C_68/2016 vom 3. März 2016 E. 4.1; I 1/03 vom 15. April 2003 E. 5.2).
5.2. Das medizinische Anforderungs- und Belastungsprofil stellt eine zum zeitlich zumutbaren Arbeitspensum hinzutretende qualitative oder quantitative Einschränkung der Arbeitsfähigkeit dar. Dadurch wird in erster Linie das Spektrum der erwerblichen Tätigkeiten (weiter) eingegrenzt, welche unter Berücksichtigung der Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung der versicherten Person realistischerweise noch in Frage kommen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob mit Bezug auf eine konkret in Betracht fallende Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage verglichen mit einem gesunden Mitbewerber nur bei Inkaufnahme einer Lohneinbusse reale Chancen für eine Anstellung bestehen. Lediglich wenn auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung solcher Einschränkungen, die personen- oder arbeitsplatzbezogen sein können, kein genügend breites Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten mehr besteht, rechtfertigt sich allenfalls ein (zusätzlicher) Abzug vom Tabellenlohn (Urteile 8C_243/2023 vom 5. September 2024 E. 7.6 mit Hinweis auf 8C_823/2023 vom 8. Juli 2024, zur Publikation vorgesehen; 8C_48/2021 vom 20. Mai 2021 E. 4.3.3).
Die Vorinstanz ging davon aus, dass dem Beschwerdeführer trotz seiner unfallbedingten Einschränkungen an der rechten Hand eine hinreichende Auswahl an möglichen Arbeitsplätzen verbleibe. Nachdem die funktionellen Einschränkungen der rechten Hand bereits im qualitativen medizinischen Zumutbarkeitsprofil berücksichtigt worden seien, würde ein (höherer) Abzug beim Tabellenlohn zu einer unzulässigen doppelten Anrechnung derselben Gesichtspunkte führen. Inwiefern sie damit unrichtige Feststellungen in sachverhaltlicher Hinsicht getroffen oder sonstwie Bundesrecht verletzt haben sollte, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist nicht erkennbar.
Das kantonale Gericht stellte des Weiteren fest, dass sich die ausländische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beziehungsweise seine Aufenthaltsbewilligung B gleichermassen beim Validen- wie auch beim Invalideneinkommen auswirke und bei Anwendung der gleichen statistischen Werte bei beiden Vergleichseinkommen nicht lediglich beim Invalidenlohn und somit einseitig zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden könne. Entsprechend sah es keinen Anlass, in das Ermessen der Suva einzugreifen. Inwieweit die Vorinstanz damit Bundesrecht verletzt haben sollte, lässt sich nicht ersehen (zur Berücksichtigung von Lohneinbussen, die auf invaliditätsfremde Gesichtspunkte zurückzuführen sind: BGE 129 V 222 E. 4.4).
5.3. Damit lassen sich die vorinstanzlichen Erwägungen zu den erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung und insbesondere zum leidensbedingten Abzug vom Invalideneinkommen insgesamt nicht beanstanden. Es muss daher bei der von der Suva gewährten und vom kantonalen Gericht bestätigten 5%igen Reduktion beziehungsweise beim rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 5 % sein Bewenden haben. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.
6.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. Februar 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo