5A_11/2025 27.02.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_11/2025
Urteil vom 27. Februar 2025
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Bovey, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Bundesrichterin De Rossa,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz Heller,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Advokatin Annalisa Landi,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Einsetzung einer Kindesvertretung,
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 23. Dezember 2024 (VWBES.2024.400).
Sachverhalt:
A.
A.________ und B.________ sind die Eltern eines am 21. September 2013 geborenen Sohnes. Zwischen ihnen schwelt seit längerem ein Streit um die Obhut.
B.
Am 16. September 2024 stellte die Mutter die Begehren, es sei ihr zu erlauben, den Sohn in U.________ (Kanton Solothurn) abzumelden und in V.________ (Kanton Aargau) anzumelden und ihn in der Kreisprimarschule C.________ abzumelden und per Schulantritt am 23. Oktober 2024 an der Kreisschule D.________ anzumelden. Am 18. September 2024 verlangte der Vater die Zuteilung der alleinigen Obhut. Am 28. Oktober 2024 stellte die Mutter detaillierte Anträge zur Betreuungsregelung.
Mit Entscheid vom 31. Oktober 2024 wies die KESB Olten-Gösgen das Gesuch der Mutter um Verlegung des Aufenthaltsortes des Kindes nach V.________ ab und legte - in Modifikation der elterlichen Vereinbarung vom 13. Dezember 2022, welche eine alternierende Obhut mit hälftiger Betreuung und Wohnsitz bei der Mutter vorsah - fest, dass der Sohn weiterhin unter der alternierenden Obhut der Eltern stehe, sich sein Wohnsitz beim Vater befinde und er an drei Wochenenden pro Monat sowie während drei Vierteln der Schulferien von der Mutter betreut werde.
C.
Im Rahmen des von der Mutter anhängig gemachten Beschwerdeverfahrens setzte das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Instruktionsverfügung vom 23. Dezember 2024 Rechtsanwältin E.________, welche das Kind bereits in einem früheren Verfahren vertreten hatte, als Kindesvertreterin ein und setzte ihr Frist für die Einreichung einer Stellungnahme zum Antrag auf Entzug der aufschiebenden Wirkung und einer Vernehmlassung zur Sache.
D.
Hiergegen gelangte die Mutter mit Beschwerde vom 5. Januar 2025 an das Bundesgericht mit den Begehren, die betreffende Anordnung sei aufzuheben und das Verwaltungsgericht sei anzuweisen, den Parteien vorgängig das rechtliche Gehör zur Frage der Einsetzung einer Kindesvertretung zu gewähren. Ferner stellte sie am 19. Januar 2025 ein Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen.
Mit Verfügung vom 22. Januar 2025 hielt das Bundesgericht fest, dass es im bundesgerichtlichen Verfahren keinen "Rechtsschutz in klaren Fällen" gebe; jedoch erteilte es der Beschwerde die aufschiebende Wirkung, nachdem diesbezüglich die Stellungnahmen eingegangen waren und das Obergericht der möglichen Kindesvertreterin die gesetzte Frist abgenommen hatte.
In der Sache verlangte das Verwaltungsgericht mit Vernehmlassung vom 17. Januar 2025 die Abweisung der Beschwerde. Der Vater stellte in seiner Vernehmlassung vom 19. Januar 2025 die Anträge, die Beschwerde sei abzuweisen, eventualiter sei auf die Einsetzung einer Kindesvertretung zu verzichten. Am 29. Januar 2025 reichte die Mutter eine Replik ein.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist eine kantonal letztinstanzliche Instruktionsverfügung im Rahmen einer Obhutsangelegenheit, mit welcher für das kantonale Beschwerdeverfahren eine Kindesvertreterin eingesetzt wurde (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdeführerin hält fest, der Charakter der angefochtenen Verfügung sei fraglich; dass über die Einsetzung einer Kindesvertretung abschliessend entschieden worden sei, spreche für einen Endentscheid. Indes begründet sie für den Fall, dass es um einen Zwischenentscheid gehe, in Rz. 24 auch den nicht wieder gutzumachenden Nachteil.
Typisch für den Zwischenentscheid ist nicht nur, dass das Verfahren weitergeht, sondern auch, dass sich die im Zwischenentscheid geregelte Frage (z.B. Sistierung, Ausstand) von derjenigen der Hauptsache unterscheidet. Soweit es sich um einen Zwischenentscheid handelt, ist dieser nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG anfechtbar; diese sind in der Beschwerde darzulegen, soweit sie nicht ohne Weiteres ins Auge springen (BGE 144 III 475 E. 1.2; 149 II 476 E. 1.2.1). Die Beschwerdeführerin äussert sich zum nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG und ohnehin springt dieser im Kontext der Gehörsverletzung, welche den alleinigen Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet, ins Auge: Im Rahmen der Anfechtung des Endentscheides über die Obhut wäre die Beanstandung der ohne Anhörung der Eltern erfolgten Einsetzung einer Kindesvertreterin zwar möglich (Art. 93 Abs. 3 BGG), würde aber zu jenem Zeitpunkt keinen Sinn mehr machen.
Auf die im Übrigen form- und fristgerechte Beschwerde ist somit einzutreten. Verfahrensgegenstand kann indes nur die Frage der Gehörsgewährung bilden; das Eventualbegehren in der Vernehmlassung des Vaters betrifft die Sache selbst und steht ausserhalb des möglichen Urteilsgegenstandes.
2.
Keiner der Elternteile hatte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Einsetzung einer Kindesvertreterin beantragt. Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung von Amtes wegen getroffen und dies (einzig) damit begründet, dass eine Kindesvertretung angesichts der entgegengesetzten Positionen der Eltern angebracht sei und aus den Akten hervorgehe, dass das Kind zur früheren Vertreterin eine gute Kommunikationsbasis gefunden habe, weshalb keine Veränderung in der Person angezeigt sei.
3.
Die Mutter macht beschwerdeweise einen Anspruch auf vorgängige Anhörung und in diesem Zusammenhang eine Gehörsverletzung geltend, indem das Verwaltungsgericht im Rahmen der Instruktionsverfügung von sich aus eine Kindesvertretung eingesetzt hat, ohne vorher die Eltern zu dieser Frage anzuhören.
Das Verwaltungsgericht macht vernehmlassungsweise geltend, über die Einsetzung einer Kindesvertretung sei von Amtes wegen zu entscheiden, dies auch im Rechtsmittelverfahren. Vorliegend habe der Vater im KESB-Verfahren einen Antrag auf Einsetzung der "bisherigen Kinderanwältin" als Kindesvertreterin gestellt und es hätte der Mutter bis zum Verhandlungstermin freigestanden, dazu Stellung zu nehmen; auch anlässlich des Termins vom 28. Oktober 2024 hätten beide Seiten Gelegenheit zu Parteivorträgen gehabt. Den Erwägungen des KESB-Entscheides sei zu entnehmen, dass dabei auch die Rolle der Kindesvertreterin thematisiert worden sei. Zwar habe die KESB auf eine Einsetzung verzichtet, aber deren E-Mail über die Kontaktierung seitens des Kindes sei in den Erwägungen des KESB-Entscheides gewürdigt worden. Den Parteien sei somit im Rahmen des KESB-Verfahrens das rechtliche Gehör zur Einsetzung einer Kindesvertretung gewährt worden, dies in zeitlicher Nähe zum verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren; die Gehörsgewährung sei mithin ausreichend gewesen und eine erneute Gewährung des rechtlichen Gehörs hätte nur Zeitverzögerung bedeutet.
Der Vater bringt in seiner Vernehmlassung vor, der Sohn habe sich im KESB-Verfahren von sich aus an die frühere Kindesvertreterin gewandt und diese habe davon in einer an die Eltern und an die KESB gerichteten E-Mail berichtet; indem die KESB diese E-Mail zu den Akten genommen habe, sei implizit akzeptiert worden, dass Rechtsanwältin E.________ als Kindesvertreterin fungiere. Es sei logisch, dass das angerufene Rechtsmittelgericht die Vorakten prüfe und dann das Verfahren instruiere. Im Übrigen habe sich die Mutter zwischenzeitlich erklärt und sei dabei zu behaften, dass sie keine Kindesvertretung eingesetzt haben wolle; damit sei eine allfällige Gehörsverletzung jedenfalls geheilt.
4.
Die Einsetzung einer Kindesvertretung wird zwar von Amtes wegen geprüft und sie erfolgt ermessensweise, jedoch ist den Eltern gemäss Lehre und bundesgerichtlicher Rechtsprechung wegen der damit verbundenen finanziellen Belastung und Beschränkung der Vertretungsmacht vorgängig zur Einsetzung das rechtliche Gehör zu gewähren (Urteil 5A_894/2015 vom 16. März 2016 E. 4.1; AFFOLTER-FRINGELI/ VOGEL, in: Berner Kommentar, 2016, N. 64 zu Art. 314a bis ZGB; MEIER, in: Commentaire Romand, 2. Aufl. 2023, N. 33 zu Art. 314a bis ZGB; SCHWEIGHAUSER, in: FamKomm Scheidung, 4. Aufl. 2022, Band II, N. 48 zu Art. 299 ZPO; SPYCHER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 9 zu Art. 299 ZPO; SCHWEIGHAUSER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 4. Aufl. 2025, N. 32 zu Art. 299 ZPO; ISLER/ DIGGELMANN, Vertretung und prozessuale Stellung des Kindes im Zivilprozess, in: SJZ 2015, S. 146 f.).
Was dagegen vorgebracht wird, überzeugt nicht: Dass die Frage angeblich bereits im Rahmen des KESB-Verfahrens diskutiert worden wäre und die Parteien ihre diesbezügliche Stellungnahme eingebracht hätten, ist in der angefochtenen Verfügung als für das Bundesgericht verbindlicher Sachverhaltsbasis (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) nirgends erwähnt und lässt sich so auch nicht den Erwägungen des KESB-Entscheides entnehmen. Dort wird erwähnt, dass Rechtsanwältin E.________ mit einer E-Mail orientiert habe, sie sei vom Kind kontaktiert worden, und an anderer Stelle wird festgehalten, deren Einsetzung als Kindesvertreterin würde das Verfahren unnötig in die Länge ziehen, nachdem sich die KESB von der persönlichen Situation des Kindes und dessen Einstellung ein Bild habe machen können. Ohnehin hätte sich eine Diskussion einzig auf die Einsetzung einer Kindesvertreterin im KESB-Verfahren beziehen können. Ob eine Einsetzung erstmals im Rechtsmittelverfahren geboten ist, stellt eine andere Frage dar und es konnte dem Verwaltungsgericht ohne Anhörung der Parteien nicht klar sein, wie diese hierzu Stellung beziehen würden. Es beruft sich in der Instruktionsverfügung denn auch nicht auf eine solche Positionierung, sondern begründet die Einsetzung einzig mit den entgegengesetzten elterlichen Positionen zur Obhutsfrage. Mithin ging es entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts so oder anders nicht um eine "erneute", sondern um eine erstmalige Anhörung der Parteien zur Frage der Einsetzung einer Kindesvertreterin im Rechtsmittelverfahren. Im Übrigen ist jeder Anhörung eine gewisse Zeitverzögerung immanent, weshalb diese für sich genommen kein Grund sein kann, von einer Anhörung abzusehen. Dass sodann aufgrund der Umstände des Einzelfalles zur Wahrung des Kindeswohls von einer besonderen Dringlichkeit bei der Einsetzung auszugehen gewesen wäre, welche eine vorgängige Anhörung ausgeschlossen hätte, wird nicht vorgebracht; ohnehin hätte diesfalls nachgelagert eine Gehörsgewährung erfolgen müssen.
Schliesslich kann das Bundesgericht in der vorliegenden Konstellation nicht gewissermassen im Sinn einer Heilung des rechtlichen Gehörs selbst über die Einsetzungsfrage entscheiden, weil dies direkt die Sache betrifft, welche ausserhalb des Beurteilungsgegenstandes steht (dazu E. 1).
5.
Nach dem Gesagten ist Ziff. 4 der angefochtenen Verfügung in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und anschliessenden neuen Entscheidung unter Berücksichtigung der elterlichen Standpunkte zur Frage der Einsetzung einer Kindesvertreterin im Rechtsmittelverfahren an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
6.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdegegner, welcher auf Abweisung der Beschwerde geschlossen hat, im bundesgerichtlichen Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In Gutheissung der Beschwerde wird Ziff. 4 der Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 17. Januar 2025 aufgehoben und die Sache zur Gehörsgewährung und neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und der möglichen Kindesvertreterin mitgeteilt.
Lausanne, 27. Februar 2025
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Bovey
Der Gerichtsschreiber: Möckli