5A_544/2024 25.03.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_544/2024
Urteil vom 25. März 2025
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Bovey, Präsident,
Bundesrichter Hartmann, Bundesrichterin De Rossa,
Gerichtsschreiber Buss.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Betreibungsamt Olten-Gösgen,
Amthausquai 23, 4601 Olten 1 Fächer.
Gegenstand
Existenzminimumsberechnung; Ausgleich des Existenzminimums bei variablem Einkommen,
Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn vom 14. August 2024 (SCBES.2024.50).
Sachverhalt:
A.
A.________ reichte am 4. Juli 2024 bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn eine Beschwerde gegen das Betreibungsamt Olten-Gösgen ein. Er warf dem Betreibungsamt namentlich mangelhafte Sorgfalt, eine Verletzung der Auskunftspflicht, das Ignorieren von Beweismitteln sowie eine fehlerhafte Berechnung seines Existenzminimums vor. Mit Urteil vom 14. August 2024 wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat.
B.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. August 2024 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. Ausserdem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.
Das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörde schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat eine Replik eingereicht.
Erwägungen:
1.
1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden über Beschwerden gegen Verfügungen von Vollstreckungsorganen gemäss Art. 17 SchKG unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist unabhängig von einer Streitwertgrenze zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG).
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe dem Betreibungsamt mit E-Mail vom 24. Juni 2024 mitgeteilt, dass er rückwirkend für den Monat Mai 2024 die Differenz zwischen seinem Existenzminimum von Fr. 2'291.-- und seinem in diesem Monat tatsächlich erzielten Einkommen von Fr. 1'948.65, also Fr. 342.35, ausbezahlt haben wolle. Eine solche Auszahlung sei nicht zeitnah erfolgt, weil die gepfändeten Gelder zu früh an die Gläubiger ausbezahlt worden seien. Es müsse deshalb geprüft werden, ob seine Rechte verletzt worden seien. Indes hat die Vorinstanz festgestellt und ist unbestritten geblieben, dass dem Beschwerdeführer die Differenz von Fr. 342.35 zum errechneten Existenzminimum am 4. Juli 2024 (unmittelbar nach Eingang der pfändbaren Quote für den Monat Juni 2024) überwiesen wurde. Weil der Beschwerdeführer nur darauf abzielt, ein fehlerhaftes Handeln des Betreibungsamts feststellen zu lassen, kann auf die Beschwerde in diesem Punkt mangels aktuellen und praktischen Interesses nicht eingetreten werden (vgl. BGE 120 III 107 E. 2; 99 III 58 E. 2; Urteil 5A_477/2024 vom 9. Oktober 2024 E. 2.1). Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Pfändung Nr. xxx am 13. Mai 2024 nach Ablauf des Lohnpfändungsjahres abgerechnet worden ist. Die Anzeige vom 13. Mai 2024 wurde dem Beschwerdeführer eingeschrieben zugestellt, doch hat der Beschwerdeführer diese an ihn gerichtete Mitteilung nicht auf der Post abgeholt. Der Beschwerdeführer kann sich nicht über mangelnde Information beklagen, wenn er die an ihn gerichteten Mitteilungen bei der Post nicht abholt. Ausserdem ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer sein Ausgleichungsbegehren erst am 24. Juni 2024 gestellt hat.
3.
3.1. Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren - wie zumindest implizit auch vor Bundesgericht - eine Erhöhung des Grundbetrags von Fr. 850.-- auf Fr. 1'100.-- verlangt und dies damit begründet, dass bei ihm und seiner (Wohn-) Partnerin zu Unrecht von einem kostensenkenden Konkubinat ausgegangen worden sei. Die Vorinstanz hat erwogen, die letzte Existenzminimumsberechnung mit dem Grundbetrag "Konkubinat ohne Kind" von Fr. 850.-- datiere vom 20. März 2024. Weil die Beschwerde folglich verspätet erhoben worden sei, sei auf die Beschwerde in diesem Punkt nicht einzutreten. Gleichwohl hat sie die Berechnung des Existenzminimums unter dem Blickwinkel der Nichtigkeit gemäss Art. 22 SchKG überprüft.
Was der Beschwerdeführer hiergegen einwendet, verfängt nicht. Aus den Akten geht hervor, dass die Existenzminimumsberechnung vom 20. März 2024 - welche für sich genommen keine anfechtbare Verfügung darstellt (BGE 65 III 68 S. 70; Urteil 5A_725/2018 vom 16. Mai 2019 E. 4.2) - zur Pfändungsverfügung vom selben Datum gehört. Dass diese (samt beiliegender Existenzminimumsberechnung) ihm nicht eröffnet worden wäre, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Er stellt sich einzig auf den Standpunkt, dass die Zustellung der Pfändungsverfügung, entgegen der sich darauf befindlichen Rechtsmittelbelehrung, die 10-tägige Beschwerdefrist nicht habe in Gang setzen können, weil nicht begründet worden sei, weshalb die Existenzminimumsberechnung in Abweichung von dem von ihm unterzeichneten Pfändungsprotokoll vom 19. März 2024 den Eintrag "Konkubinat ohne Kind" enthalte. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer verfügte über alle notwendigen Angaben, um sich gegen die Pfändung fristgerecht mit Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG zur Wehr zu setzen. Dass die Vorinstanz die erst am 4. Juli 2024 erhobene Beschwerde als verspätet erachtet und deshalb nur noch eine allfällige Nichtigkeit der Lohnpfändung geprüft hat, ist folglich nicht zu beanstanden.
3.2. Die Vorinstanz hat erwogen, von einem kostensenkenden Konkubinat könne in der Regel nach einem einjährigen Zusammenleben ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, bereits seit mehr als einem Jahr in einer Wohngemeinschaft mit einer anderen erwachsenen Person, die ebenfalls über ein Einkommen verfüge, zu leben. Das Betreibungsamt habe für den Grundnotbedarf des Beschwerdeführers daher zu Recht den hälftigen Ehegatten-Grundbetrag eingesetzt. Dies scheine angebracht, da in wirtschaftlicher Hinsicht die Kosten der im Grundbetrag enthaltenen Aufwendungen für die allgemeine Lebenshaltung für zwei in einer Hausgemeinschaft von gewisser Dauer lebende erwachsene Personen mit denjenigen vergleichbar seien, die einem Ehepaar entstünden. Ein krasser Eingriff ins Existenzminimum des Beschwerdeführers sei weder dargetan noch ersichtlich.
3.3. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, er habe bereits anlässlich des Pfändungsvollzugs angegeben, in einer Wohngemeinschaft zu leben und dies sei im Pfändungsprotokoll vom 19. März 2024 auch so vermerkt worden. Die Vorinstanz und das Betreibungsamt hätten sich trotz seines ausdrücklichen Angebots nicht persönlich von den Verhältnissen vor Ort überzeugt. Bei einer offiziellen Abklärung der räumlichen Situation wäre festgestellt worden, dass er und seine (Wohn-) Partnerin eine Maisonette-Wohnung bewohnten. Seine (Wohn-) Partnerin bewohne die 2. Etage und er die 3. Etage. Sie hätten separate Badezimmer und auch unterschiedliche Orte, was die Betten, die Computer, die Kleidung sowie die Haushaltsreiniger mit Utensilien betreffe. Nur die Küche und das Wohnzimmer würden geteilt. Bei der Bezahlung der wöchentlichen Einkäufe würden sie sich abwechseln und auch bei der Miete, beim Strom, beim Internet sowie bei den Abgaben für die Serafe würden sie zusammenspannen. Sie seien finanziell voneinander unabhängig und hätten auch kein gemeinsames Konto. Sie würden lediglich unter dem gleichen Dach wohnen und hätten ansonsten keine enge private Verbindung, wie dies in einer Liebschaft, einem Konkubinat oder einer Ehe der Fall sei. Sie hätten die Wohngemeinschaft einzig deshalb gegründet, um nicht zu vereinsamen. Ein Konkubinat bestehe somit nicht. Ein solches nur nach der Dauer des Zusammenlebens zu definieren, greife viel zu kurz, da man ansonsten jede Studenten-WG als Konkubinat bezeichnen müsste. Die Argumentation der Vorinstanz scheitere aber auch daran, dass von einem stabilen Konkubinat (je nach Rechtsbereich) erst ab einer Zeitdauer von 2 bis 5 Jahren gesprochen werden könne.
3.4. Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Da die vom Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht vorgetragenen Ausführungen zur konkreten Wohnsituation und zur Intensität des Zusammenlebens nicht entscheidwesentlich sind (vgl. E. 3.5.3 nachfolgend), kann offenbleiben, ob es sich dabei um zulässige sog. unechte Noven im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt (vgl. zum Novenrecht BGE 143 V 19 E. 1.2).
3.5.
3.5.1. Die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums des Kantons Solothurn vom 13. Oktober 2014 stützen sich - wie diejenigen anderer Kantone - in Ziffer I. auf die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 1. Juli 2009 (abgedruckt in BlSchK 2009 S. 193 ff.). Nach diesen ist einem alleinstehenden Schuldner ein Grundbetrag von Fr. 1'200.-- und einem Ehepaar, zwei in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Personen oder einem Paar mit Kindern ein Grundbetrag von Fr. 1'700.-- anzurechnen. Im BGE 130 III 765, auf den sich die Richtlinien beziehen, hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei beidseitig verdienenden kinderlosen Konkubinatspaaren, die eine dauernde Hausgemeinschaft bilden, der Grundbetrag des im Konkubinat lebenden Schuldners in der Regel auf die Hälfte des Ehegatten-Grundbetrages festzusetzen ist. Es handelt sich jedoch um Ermessensausübung (BGE 130 III 765 E. 2.4) und je nach Art des Zusammenlebens und der Einkommensverhältnisse kann die Berücksichtigung eines höheren als nur des hälftigen Grundbetrags angemessen sein (VONDER MÜHLL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl. 2021, N. 24a zu Art. 93 SchKG; WINKLER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, 4. Aufl. 2017, N. 30 zu Art. 93 SchKG). Die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtsprechung, wonach eine Lebensgemeinschaft von mindestens 2 bis 5 Jahren vorliegen muss, betrifft andere Rechtsbereiche und ist für das Betreibungsrecht nicht massgeblich (vgl. VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 24a zu Art. 93 SchKG; WINKLER, a.a.O., N. 30 zu Art. 93 SchKG; OCHSNER, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 93 f. zu Art. 93 SchKG). Erforderlich für die Anrechnung des halben Ehegatten-Grundbetrages ist jedoch auf jeden Fall, dass die Hausgemeinschaft partnerschaftlicher Natur ist (BGE 132 III 483 E. 4.2; Urteil 5A_827/2022 vom 16. Mai 2023 E. 5.3.1). Lebt der Schuldner mit einer erwachsenen Person (volljährige Kinder mit eigenem Einkommen mitumfassend) in einer nicht partnerschaftlichen Wohngemeinschaft, kann nicht der hälftige Ehepaaransatz als Grundbetrag eingesetzt werden, sondern darf die betreffende Tatsache einzig bei den Wohnkosten und gegebenenfalls durch einen kleinen Abzug beim Grundbetrag für einen alleinstehenden Schuldner berücksichtigt werden (BGE 144 III 502 E. 6.6). Wie viel vom Grundbetrag allenfalls abzuziehen ist, hat in Anwendung des nach Art. 93 Abs. 1 SchKG eingeräumten Ermessens das Betreibungsamt bzw. die kantonale Aufsichtsbehörde zu beurteilen (BGE 132 III 483 E. 4.3).
3.5.2. Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen der Nichtigkeit zu Unrecht verneint hat (vgl. vorne E. 3.1). Nach der im angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegebenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Einkommenspfändung dann nichtig, wenn sie offensichtlich krass in das Existenzminimum des Schuldners eingreift und diesen dadurch in eine absolut unhaltbare Lage zu versetzen droht (BGE 105 III 48 S. 49; Urteil 7B.207/2004 vom 8. November 2004 E. 7.3). Dabei ist für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen der Nichtigkeit zutreffen, auf den Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs abzustellen (VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 64 zu Art. 92 und N. 65 zu Art. 93 SchKG).
3.5.3. Die Vorinstanz hat lediglich festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einer erwachsenen Person bereits seit mehr als einem Jahr zusammengelebt hat. Hingegen hat die Vorinstanz keine konkreten Feststellungen zur Frage getroffen, ob der Beschwerdeführer mit seiner (Wohn-) Partnerin im Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs in einer blossen Wohngemeinschaft oder in einem Konkubinat im Sinne einer dauernden Hausgemeinschaft partnerschaftlicher Natur gelebt hat. Zwar könnte eine Aufteilung und weitgehende räumliche Trennung der benutzten Zimmer, wie sie vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird, durchaus ein Indiz für das Vorliegen einer blossen Wohngemeinschaft darstellen. Die Frage, in welcher Form das Zusammenleben zwischen dem Beschwerdeführer und seiner (Wohn-) Partnerin stattgefunden hat und wie dieses zu qualifizieren ist, kann vorliegend aber offenbleiben. Der Beschwerdeführer hat nämlich nicht rechtsgenüglich dargelegt, inwiefern die verfügte Lohnpfändung ihn in eine absolut unhaltbare Lage gebracht hätte und demnach nicht bloss Anfechtbarkeit, sondern sogar Nichtigkeit der Pfändung angenommen werden müsste. Dass dies nicht der Fall war, hat der Beschwerdeführer in seiner Replik vor Bundesgericht denn auch gleich selbst eingeräumt. Gemäss seinen dortigen Ausführungen ist eine unhaltbare Lage erst dadurch entstanden, dass der mit E-Mail vom 24. Juni 2024 verlangte rückwirkende Ausgleich seines Existenzminimums betreffend den Monat Mai 2024 nicht sofort erfolgt ist (s. dazu vorne E. 2). Bis zu diesem Zeitpunkt habe eine unhaltbare Lage nicht bestanden.
4.
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Angesichts der konkreten Umstände ist jedoch auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung wird damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Olten-Gösgen und der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn mitgeteilt.
Lausanne, 25. März 2025
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Bovey
Der Gerichtsschreiber: Buss