9C_66/2025 15.04.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_66/2025
Urteil vom 15. April 2025
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Moser-Szeless, Präsidentin,
Bundesrichter Stadelmann, Parrino,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Ausgleichskasse medisuisse, Frongartenstrasse 9, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. November 2024 (AB.2024.00026).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die 1959 geborene A.________, deutsche Staatsangehörige, reiste am 15. Mai 2018 in die Schweiz ein und erhielt am 1. Juni 2018 von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich die Bewilligung zur Berufsausübung als Ärztin. Ab 1. Juli 2018 war sie der Ausgleichskasse medisuisse als Selbstständigerwerbende angeschlossen. Mit zwei Beitragsverfügungen vom 19. September 2023 setzte die Kasse die von A.________ geschuldeten persönlichen Beiträge (einschliesslich Verwaltungskosten) für die Beitragsjahre 2020 und 2021 gestützt auf die Steuermeldungen des kantonalen Steueramtes Zürich auf Fr. 19'946.- und Fr. 18'694.80 fest.
A.b. Ende September 2023 meldete sich A.________ zum Bezug einer Altersrente der Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) an. Im Rahmen der mit der Ausgleichskasse geführten Korrespondenz erkundigte sie sich nach den Bemessungsgrundlagen der Altersrente und der persönlichen Beiträge. Dabei brachte sie unter anderem vor, dass sie aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in Deutschland auch dort Sozialversicherungsbeiträge bezahle, ihre selbstständige Erwerbstätigkeit erst ab 1. Januar 2024 ausschliesslich in der Schweiz ausüben werde und ihr Lebensmittelpunkt nach wie vor in Deutschland liege. Die Ausgleichskasse nahm die von A.________ am 25. Oktober 2023 vorgetragenen Einwände als Einsprache entgegen. Mit Entscheid vom 28. Februar 2024 hielt sie an ihren Verfügungen vom 19. September 2023 fest.
B.
Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung des Einspracheentscheides und der Beitragsverfügungen für die Jahre 2020 und 2021 beantragen, indem sie als bloss in Deutschland beitragspflichtig einzustufen sei. Mit Urteil vom 29. November 2024 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Ausgleichskasse zu verpflichten, "die auf unrichtigen Tatsachen beruhenden Beitragsverfügungen für die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021 aufzuheben und neu zu berechnen". Dabei sei das gesamte Einkommen im Wohnstaat Deutschland von der Berechnung auszunehmen, da es dort bereits "versteuert" worden sei.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.
Soweit die Beschwerdeführerin im letztinstanzlichen Verfahren neu auch die Aufhebung der die Jahre 2018 und 2019 betreffenden Beitragsverfügungen verlangt, ist darauf schon deshalb nicht einzutreten, weil diese bereits in Rechtskraft erwachsen sind. Abgesehen davon könnte der Streitgegenstand im Laufe des Rechtsmittelverfahrens nur eingeschränkt (minus), nicht aber ausgeweitet (plus) oder geändert (aliud) werden (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.1). Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.
3.
Im angefochtenen Urteil werden die hier massgebenden Rechtsgrundlagen zur Versicherungsunterstellung von Personen, die im Gebiet der EU und der Schweiz eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben und Staatsangehörige der Schweiz oder eines EU-Staates sind, zutreffend dargelegt. Insbesondere wird richtig ausgeführt, dass diese Personen gemäss Art. 13 Abs. 2 Bst. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; Grundverordnung) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates unterliegen, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausüben (mindestens 25 %; vgl. auch Art. 14 Abs. 8 der Verordnung [EG] Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Grundverordnung [SR 0.831.109.268.11; Durchführungsverordnung]). Korrekt ist auch die Wiedergabe der Rechtsprechung zum Begriff des Wohnortes (BGE 138 V 186 E. 3.3.1 mit weiteren Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
4.
4.1. Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin sei in den Beitragsjahren 2020 und 2021 (wie bereits in der Zeit vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2019) zu 40 % in Deutschland und zu 60 % in der Schweiz selbstständig erwerbstätig gewesen. Da beide Werte die Wesentlichkeitsschwelle von 25 % überschreiten würden, sei für die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung (weiterhin) der Wohnort entscheidend. Aufgrund der Aktenlage sei die Kasse zu Recht von einem Wohnsitz in der Schweiz ausgegangen.
4.1.1. Hinsichtlich der für die Bestimmung des Wohnorts relevanten Verhältnisse wurde im angefochtenen Urteil zusammengefasst folgender Sachverhalt grundsätzlich verbindlich festgestellt (vgl. E. 1) : In der Anmeldung vom 29. Juni 2018 nannte die Beschwerdeführerin als Wohnsitz "Strasse U.________, in V.________". Diese Wohnadresse gab sie auch an unter Ziffer 4 "Wohnsitz/Lebensmittelpunkt" des Fragebogens zu Erwerbstätigkeiten im Ausland, wobei im entsprechenden Formular darauf hingewiesen wird, dass sich der Wohnsitz nach jenem Ort bestimmt, wo sich die Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält, und dass es nicht möglich ist, zugleich an mehreren Orten Wohnsitz zu haben. In ihrem Schreiben vom 10. Juli 2018 informierte die Ausgleichskasse die Beschwerdeführerin sodann dahingehend, dass bei ihr von einem Lebensmittelpunkt/ Hauptwohnsitz in der Schweiz auszugehen sei und sie für die Gesamtheit ihrer Erwerbseinkünfte (Deutschland [60 %] und Schweiz [40 %]) der schweizerischen Sozialversicherung unterstellt und abgabepflichtig sei. Sie liess ihr als Bestätigung für die Beitragsbefreiung in Deutschland das gleichentags ausgestellte Formular A1 (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) zukommen, gemäss welchem sie für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2022 den schweizerischen Vorschriften unterstellt war. Auf dieser Grundlage erfolgten denn auch die unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beitragsverfügungen vom 24. Februar 2022 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 und vom 3. Juni 2022 für das Jahr 2019. Nachdem die Beschwerdeführerin im Rahmen der Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung im Jahr 2022 angegeben hatte, dass ihre Situation unverändert sei (E-Mail vom 25. September 2022), wurde ihr mit einem weiteren Formular A1 am 29. November 2022 die Befreiung von den deutschen Sozialversicherungsabgaben aufgrund der Unterstellung unter die schweizerischen Vorschriften für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis 30. Juni 2026 bescheinigt.
4.1.2. Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen sich aus den Unterlagen ergebenden Sachverhalt vorgebrachten Einwendungen (sie habe ihren Lebensmittelpunkt seit jeher in Deutschland, wo sich auch ihre zehn [erwachsenen] Kinder aufhalten würden und die Familie Grundbesitz habe, sie sei in Deutschland entgegen dem Formular A1 nie von der Abgabepflicht befreit gewesen und habe doppelt Sozialversicherungsbeiträge bezahlt etc.), erachtete die Vorinstanz, soweit sie diese nicht von vornherein als aktenwidrig entkräftete, als unbelegt (so insbesondere die "doppelte" Beitragsbelastung) und wenig glaubhaft. Irrelevant sei auch das von der Beschwerdeführerin angerufene, von der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) am 10. April 2024 ausgestellte Formular A1, welches eine Unterstellung unter die deutschen Rechtsvorschriften für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. September 2022 bestätigte, denn es sei offensichtlich in Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten und bereits rechtskräftig entschiedener Sachverhalte ausgestellt worden.
4.2. Was in der im letztinstanzlichen Verfahren eingereichten Beschwerde vorgebracht wird, ist nicht geeignet, die vorinstanzlichen Feststellungen und Erwägungen als offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
4.2.1. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Bescheinigung (Formular A1) vom 10. Juli 2018 sei ihr "untergejubelt" worden und entspreche nicht den Tatsachen, denn sie sei bei deren Ausstellung immer noch ausschliesslich in Deutschland erwerbstätig gewesen, bezieht sie sich mit dem Jahr 2018 auf einen Zeitraum, welcher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet und im Übrigen bereits rechtskräftig beurteilt worden ist (vgl. bereits E. 2 hiervor). Abgesehen davon finden ihre Behauptungen in den aus dieser Zeit stammenden Akten keine Stütze. Vielmehr widerspricht die Beschwerdeführerin damit ihren eigenen früheren, unterschriftlich bestätigten Angaben und darüber hinaus auch den von ihr akzeptierten Verfügungen vom 24. Februar und 3. Juni 2022, in welchen sie aufgrund ihres schweizerischen Wohnsitzes zur Beitragszahlung in der Schweiz auf dem gesamten vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2019 erzielten Einkommen verpflichtet worden war.
4.2.2. In Bezug auf die hier allein zu prüfenden Jahre 2020 und 2021 bestreitet die Beschwerdeführerin zwar nicht (mehr), in diesem Zeitraum sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz selbstständig erwerbstätig gewesen zu sein, doch macht sie erneut geltend, ihr Wohnort habe sich damals - wie seit jeher - in Deutschland befunden. V.________ sei nie der Ort gewesen, den sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens im Sinne eines Wegzugs aus Deutschland ausgesucht hätte. Wie die Vorinstanz indessen zutreffend darlegte, stehen diese Behauptungen in offensichtlichem Widerspruch zu den von der Beschwerdeführerin selbst gemachten Angaben (insbesondere in ihrer Anmeldung sowie in der unveränderte Verhältnisse bestätigenden E-Mail vom 25. September 2022) und zu ihrem damaligen Verhalten (sie focht die von einem Wohnsitz in der Schweiz ausgehenden Verfügungen vom 24. Februar und 3. Juni 2022 nicht an, sie beantragte kurze Zeit später bzw. auf den Ablauf der Aufenthaltsbewilligung B hin [gültig bis 14. Mai 2023] erfolgreich die einen schweizerischen Wohnsitz voraussetzende Niederlassungsbewilligung C etc.). Selbst wenn die Beschwerdeführerin, wie sie heute (wenn auch wenig glaubwürdig) geltend macht, in der Anmeldung nur den Zweck gesehen haben sollte, "nicht eines illegalen Aufenthaltes beschuldigt werden zu können", ändert dies nichts daran, dass sich die Ausgleichskasse auf die von ihr darin gemachten (und im Übrigen später bestätigten) Angaben verlassen durfte. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus vorbringt, sie habe sich in V.________ nur vorübergehend aufgehalten, woraus sich kein Wohnsitz ergebe, ist ihr zu entgegnen, dass auch ein von vornherein bloss vorübergehender Aufenthalt einen Wohnsitz begründen kann, wenn er auf eine bestimmte Dauer angelegt ist und der Lebensmittelpunkt dorthin verlegt wird (vgl. BGE 143 II 233 E. 2.5.2; 137 II 122 E. 3.6). Dass dies bei ihr der Fall war, wurde im angefochtenen Urteil zutreffend dargetan.
4.2.3. Beizupflichten ist der Vorinstanz schliesslich auch insoweit, als sie dem von den deutschen Behörden am 10. April 2024 (für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. September 2022) ausgestellten Formular A1, welches in eklatantem Widerspruch zu den von der Beschwerdegegnerin am 10. Juli 2018 (für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2022) und 29. November 2022 (für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis 30. Juni 2026) ausgestellten Formularen A1 steht, im vorliegenden Verfahren keine weitere Bedeutung beimass. Vorab ist unklar, wie diese Bescheinigung zustande kam. Sodann schliesst sie mit den Jahren 2018 (ab Juli) und 2019 einen Zeitraum ein, über welchen bereits gegenteilige rechtskräftige Verfügungen vorliegen. Auf jeden Fall aber bewirkt sie auch betreffend die hier streitigen Jahre 2020 und 2021, entgegen der Beschwerdeführerin, kein Hinfälligwerden des von den schweizerischen Behörden aufgrund einer eingehenden Prüfung der Verhältnisse und mit dem damaligen Einverständnis der Beschwerdeführerin zeitnah ausgestellten Formulares A1 vom 10. Juli 2018. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann.
6.
Entsprechend dem Prozessausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 15. April 2025
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Moser-Szeless
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann