5A_898/2024 19.05.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_898/2024
Urteil vom 19. Mai 2025
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Bovey, Präsident,
Bundesrichter Hartmann, Josi,
Gerichtsschreiber Levante.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Kazik,
Militärstrasse 76, 8004 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
Bezirksgericht Bülach, Spitalstrasse 13, 8180 Bülach.
Gegenstand
Provisorische Nachlassstundung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 26. November 2024 (PS240220-O/U).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________ ist Miteigentümerin je zur Hälfte am Grundstück B.________strasse xxx, U.________ (Einfamilienhaus) und an Stockwerk- bzw. Miteigentumsanteilen mit Sonderrecht an einer 5.5-Zimmer-Wohnung, einem Bastelraum und zwei Parkplätzen an der C.________strasse yyy, U.________. Die andere Hälfte der Miteigentumsanteile steht im Eigentum ihres Ehemannes. Das Einfamilienhaus an der B.________strasse xxx wird von A.________ bewohnt, die 5.5-Zimmer-Wohnung an der C.________strasse yyy von ihrem Ehemann.
A.b. Infolge von zwei Betreibungen gegenüber A.________ und sieben Betreibungen gegenüber ihrem Ehemann wurde für den 25. Oktober 2024 die Versteigerung der Miteigentumsanteile angesetzt.
A.c. Am 24. Oktober 2024 stellte A.________ beim Bezirksgericht Bülach ein Gesuch um Nachlassstundung. Sie verlangte (bereits superprovisorisch) die provisorische Nachlassstundung für die Dauer von vier Monaten. Zudem seien die auf den Folgetag, 25. Oktober 2024 angeordneten Zwangsversteigerungen der Grundstücke C.________strasse yyy sowie B.________strasse xxx superprovisorisch aufzuheben. Weiter beantragte sie, dass von der Einsetzung eines Sachwalters bzw. einer Sachwalterin abzusehen sei.
A.d. Mit Urteil vom 25. Oktober 2024 wies das Bezirksgericht (als Nachlassgericht) den superprovisorischen Antrag auf Aufhebung der Steigerungen (in Urteilserwägung Ziff. 2.4) und das Gesuch von A.________ um provisorische Nachlassstundung ab (Dispositiv-Ziff. 1). Auf eine Konkurseröffnung im Sinne von Art. 293a Abs. 3 SchKG wurde verzichtet (Dispositiv-Ziff. 2).
B.
B.a. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts erhob A.________ mit Eingabe vom 4. November 2024 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich. Sie beantragte die Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 1 des erstinstanzlichen Urteils und die Gewährung der provisorischen Nachlassstundung, wobei von der Einsetzung eines Sachwalters bzw. einer Sachwalterin abzusehen sei.
B.b. Das Obergericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 26. November 2024 ab.
C.
Mit Eingabe vom 30. Dezember 2024 hat A.________ Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Gewährung der provisorischen Nachlassstundung, wobei von der Einsetzung eines Sachwalters bzw. einer Sachwalterin abzusehen sei.
Es sind die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist das Urteil einer kantonalen Rechtsmittelinstanz, welche die vom Nachlassgericht verweigerte provisorische Nachlassstundung bestätigt hat. Der Entscheid unterliegt unabhängig eines Streitwertes der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Schuldnerin vom obergerichtlichen Entscheid, der verfahrensabschliessend ist (Art. 90 BGG; BGE 133 III 589 E. 1), hinreichend berührt, um Beschwerde in Zivilsachen zu führen (Art. 76 Abs. 1 BGG).
1.2. Vor der Revision des SchKG (Sanierungsrecht) vom 21. Juni 2013 (Inkrafttreten am 1. Januar 2014; AS 2013 4111) hat die Rechtsprechung den Entscheid über die Nachlassstundung als vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG qualifiziert, welche sich darauf beschränkt, eine Prognose über die Erfolgsaussichten auf einen allfälligen Nachlassvertrag zu stellen (BGE 135 III 430 E. 1.3; vgl. BGE 142 III 364 E. 2.1).
Im Gegensatz zum früheren Recht eröffnet das Nachlassgericht nach dem geltenden Recht bei Nichtbewilligung der (provisorischen oder definitiven) Nachlassstundung von Amtes wegen den Konkurs (Art. 293a Abs. 3, Art. 294 Abs. 3 SchKG). Diese in einem Zug ergehende Entscheidung ist keine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 142 III 364 E. 2.3, 2.4; Urteil 5A_827/2019 vom 18. März 2021 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 III 226).
Wird die provisorische Nachlassstundung hingegen zu früh (unnötig bzw. ohne Sanierungsbedarf) oder gar rechtsmissbräuchlich beantragt, kann sich die amtswegige Konkurseröffnung nicht auslösen (BGE 142 III 364 E. 2.3; NEUENSCHWANDER, Premières expériences judiciaires du nouveau droit de l'assainissement, JdT 2016 II S. 22 Fn. 18). Das Gleiche gilt, wenn sich das Gesuch um provisorische Nachlassstundung mangels Unterlagen nicht beurteilen lässt (u.a. HUNKELER, in: Kurzkommentar SchKG, 3. Aufl. 2025, N. 9, 9a zu Art. 293a mit Hinweisen). Die Nichtbewilligung der provisorischen Nachlassstundung ist in diesen Fällen nicht blosse Vorfrage der Konkurseröffnung (BGE 142 III 364 E. 2.3), sondern stellt einen selbständigen Entscheid dar, der unter die vorsorglichen Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG fällt, wie dies bereits vor der Revision des Sanierungsrechts der Fall war.
Der vorliegende Entscheid, mit welchem das Obergericht zur Auffassung gelangt ist, dass die besonderen Voraussetzungen zur Nichtbewilligung des Gesuchs um provisorische Nachlassstundung ohne gleichzeitige Konkurseröffnung gegeben sind, stellt daher eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG dar.
1.3. Die Beschwerde (Postaufgabe: 30. Dezember 2024) gegen das obergerichtliche Urteil (Zustellungsdatum: 29. November 2024) ist fristgemäss erhoben worden (Art. 46 Abs. 2 lit. a, Art. 100 Abs. 1 BGG).
1.4. Mit der vorliegenden Beschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Das Bundesgericht wendet dabei das Recht nicht von Amtes wegen an, sondern prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).
1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
2.
Das Obergericht hat festgehalten, dass die Beschwerdeführerin die anteilsmässige Aufteilung der offenen Steuerschuld auf sie und ihren Ehemann anstrebe, wie sich aus den beim Steueramt eingereichten Dokumenten entnehmen lasse. Hingegen sei fraglich, ob die Aufnahme einer neuen Hypothek zur Ablösung der alten und zur Tilgung der verbleibenden Steuerschulden eine nachhaltige Sanierungsmassnahme darstelle, zumal die Beschwerdeführerin keine konkreten Angaben zu ihren aktuellen und künftigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen mache. Ob das derart vage begründete Gesuch um provisorische Nachlassstundung rechtsmissbräuchlich sei, hat das Obergericht offengelassen.
Das Obergericht hat hingegen erwogen, dass die Beschwerdeführerin trotz anwaltlicher Vertretung bei Gesuchseinreichung keinerlei Angaben dazu mache, wie sie ihren Lebensunterhalt aktuell finanziere und wie sie ihn künftig zu finanzieren beabsichtige. Dem Gesuch der Beschwerdeführerin fehle es nicht nur an einzelnen Belegen, sondern ganz grundlegend an der notwendigen Behauptungssubstanz. Auf Basis der spärlichen Gesuchsangaben lasse sich weder eine Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung noch eine Konkurseröffnung verantworten. Das Obergericht ist zum Ergebnis gelangt, dass der Entscheid des Nachlassgerichts - Abweisung des Gesuchs ohne Nachfristansetzung - nicht zu beanstanden sei.
3.
Anlass zur Beschwerde gibt die Abweisung des Gesuchs um provisorische Nachlassstundung. Die Beschwerdeführerin wehrt sich gegen die Auffassung des Obergerichts, welches ihr Gesuch mangels Belegen und ausreichender Substanziierung ohne Konkurseröffnung abgewiesen hat.
3.1. Im Wesentlichen wirft die Beschwerdeführerin dem Obergericht eine Verletzung von Art. 293 sowie Art. 293a SchKG bzw. Bundesrecht (nach Art. 95 lit. a BGG) vor, weil es überhöhte Anforderungen an das Nachlassstundungsgesuch gestellt habe. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das Gesuch entgegen der vorinstanzlichen Auffassung genügend substanziiert worden sei, zumal bloss die "offensichtliche Aussichtslosigkeit" einer Sanierung zu prüfen sei.
3.2. Das Nachlassverfahren wird eingeleitet u.a. durch ein Gesuch des Schuldners mit folgenden Beilagen: eine aktuelle Bilanz, eine Erfolgsrechnung und eine Liquiditätsplanung oder entsprechende Unterlagen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Ein-kommenslage des Schuldners ersichtlich ist, sowie ein provisorischer Sanierungsplan (Art. 293 lit. a SchKG). Das Nachlassgericht bewilligt unverzüglich eine provisorische Stundung (Art. 293a Abs. 1 SchKG).
3.2.1. Besteht offensichtlich keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages, so eröffnet das Nachlassgericht von Amtes wegen den Konkurs (Art. 293a Abs. 3 SchKG). An die Bewilligung der provisorischen Stundung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie ist zu bewilligen, sofern nicht von Beginn an klar erkennbar ist, dass keine Aussichten auf eine Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages bestehen (BGE 147 III 226 E. 3.1.3; Urteil 5A_510/2023 vom 16. November 2023 E. 5.1.1).
3.2.2. Lässt das Gesuch um provisorische Nachlassstundung hingegen keine Prüfung der finanziellen Verhältnisse und der Sanierungsaussichten des Schuldners zu, weil die Unterlagen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners hervorgeht, nicht vorliegen, so fehlt es an einer Grundlage für einen Entscheid. In diesem Fall ist das Gesuch zur Verbesserung zurückzuweisen. Unterlässt der Schuldner die Verbesserung, ist auf das Gesuch um Nachlassstundung nicht einzutreten und die amtswegige Konkurseröffnung kann sich nicht auslösen, wie in der Lehre und kantonalen Praxis bestätigt wird (u.a. HUNKELER, a.a.O., N. 9a zu Art. 293a; BAUER/LUGINBÜHL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 5a, 5b; Urteil PS160185 vom 21. November 2016 des Obergerichts des Kantons Zürich, ZR 2016 Nr. 71, E. 3.5).
3.3. Vorliegend hat das Obergericht die Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung mangels ausreichender Substanziierung des Gesuchs verweigert und daher den Konkurs nicht eröffnet. Zur fehlenden Substanziierung hat das Obergericht erwogen, dass die Beschwerdeführerin keinerlei Angaben dazu mache, wie sie ihren Lebensunterhalt aktuell finanziere und wie sie ihn künftig zu finanzieren beabsichtige. Sie lege nur einen sehr kleinen Ausschnitt ihrer Finanzen offen. Über die persönliche Beziehung zu ihrem Ehemann bringe sie keine Informationen vor. Die Hintergründe ihrer Schulden und der bereits im Verwertungsstadium befindlichen Betreibungen lasse sie mehrheitlich im Dunkeln. Auf der "Basis der spärlichen Gesuchsangaben" könne weder eine Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung noch eine Konkurseröffnung ausgesprochen werden.
3.4. Die Beschwerdeführerin legt nicht in einer den Begründungsanforderungen genügenden Weise (E. 1.4) dar, inwiefern das Obergericht einen Entscheid getroffen habe, der sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar sei oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen und gegen das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV verstossen soll (zum Willkürbegriff: BGE 148 II 106 E. 4.6.1 mit Hinweisen). Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf rein appellatorische Kritik an der Anwendung von Art. 293 und Art. 293a SchKG, was im vorliegenden Verfahren indes nicht zulässig ist. Insoweit kann auf die vorliegende Beschwerde nicht eingetreten werden.
Unbehelflich ist, soweit die Beschwerdeführer vorbringt, "das Obergericht sei in Willkür verfallen", weil es die persönlichen Beziehungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann und den Hintergrund der offenen Steuerforderungen für die Frage der Nichtaussichtslosigkeit der Sanierung als relevant erachtet habe. Dass von persönlichen und familiären Verhältnissen abhängt, wie die Beschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt aktuell finanziert und wie sie ihn künftig zu finanzieren beabsichtigt, stellt sie selber nicht in Frage. Sie legt nicht dar, inwiefern es stossend sei, im Stundungsgesuch Informationen über ihre Beziehung zu ihrem Ehemann zu verlangen, um die finanziellen Verhältnisse beurteilen zu können. Sodann kann nicht als geradezu unhaltbar bezeichnet werden, wenn das Obergericht ohne Hinweise der Beschwerdeführerin auf die Hintergründe der "offenen Steuerforderungen" keine genügende Grundlage erblickt hat, um im konkreten Fall das Mindestmass an Sanierungschancen zu beurteilen und das Ermessen auszuüben (BGE 147 III 226 E. 3.1.3; HUNKELER, a.a.O., N. 21 zu Art. 293). Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin selber nicht, dass ihr zufolge anwaltlicher Einreichung des Gesuchs um provisorische Nachlassstundung keine Nachfrist zur Verbesserung gewährt worden ist. Sofern die Vorbringen überhaupt hinreichend begründet sind, kann von Willkür nicht gesprochen werden, wenn das Obergericht das Stundungsgesuch als ungenügend erachtet und keine Konkurseröffnung ausgesprochen hat.
3.5. Die Beschwerdeführerin weist ferner darauf hin, dass das Dispositiv im Entscheid des Nachlassgerichts ("Abweisung des Nachlassgesuchs") unzutreffend sei und konsequenterweise - nach der (entscheidtragenden) Erwägung des Obergerichts - auf "Nichteintreten" hätte lauten müssen (vgl. E. 3.2.2). Ob ein Sach- oder ein Prozessurteil vorliegt, entscheidet sich nicht nach der Bezeichnung des Entscheides, sondern allein nach dessen Gehalt (BGE 147 III 365 E. 5.5.1). Die Beschwerdeführerin behauptet selber nicht, dass sie durch eine bloss unzutreffende Bezeichnung (Abweisung statt Nichteintreten) im Dispositiv des Nachlassgerichts beschwert sei (vgl. BGE 142 III 643 E. 3.3 a.E.) und inwiefern ein Verstoss gegen ihre verfassungsmässigen Rechte vorliegen soll.
4.
Nach dem Dargelegten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Entschädigungspflicht entfällt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Bezirksgericht Bülach und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mitgeteilt.
Lausanne, 19. Mai 2025
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Bovey
Der Gerichtsschreiber: Levante