8C_630/2024 05.06.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_630/2024
Urteil vom 5. Juni 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Claude Schnüriger,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle Basel-Stadt,
Aeschengraben 9, 4051 Basel,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 17. Juli 2024 (IV.2023.117).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________, geboren 1969, war als Wagenführer für die B.________ beschäftigt, als er am 29. August 1999 einen Autounfall erlitt. Wegen anhaltender Beschwerden an der Halswirbelsäule bezog er ab August 2000 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad: 73 %) der Invalidenversicherung. Der Rentenanspruch wurde am 28. Juli 2006 bestätigt.
A.b. Im Zuge eines Revisionsverfahrens hob die IV-Stelle Basel-Stadt die Rente gestützt auf ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle MEDAS Ostschweiz vom 1. März 2013 mit Verfügung vom 25. März 2015 auf. Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 8. September 2015 gut und wies die Sache an die IV-Stelle zurück. Diese veranlasste in der Folge eine Abklärung durch die Dres. med. C.________, Neurologie FMH, und D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, (Gutachten vom 24. April 2016), und bestätigte am 25. Oktober 2016 einen unveränderten Rentenanspruch.
A.c. Die IV-Stelle leitete eine weitere Revision ein und zog in diesem Rahmen die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) bei. Diese umfassten unter anderem einen von der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft als Haftpflichtversicherer veranlassten Observationsbericht über eine Überwachung von März bis August 2017. Nach Einholung einer Stellungnahme durch den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) sistierte die IV-Stelle die Invalidenrente mit Verfügung vom 27. November 2018. Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht mit Urteil vom 6. November 2019 ab.
A.d. Das von der Suva zwischenzeitlich eingeholte Gutachten der MEDAS Zentralschweiz vom 25. Juli 2019, insbesondere das psychiatrische Teilgutachten von Dr. med. E.________, erachtete der RAD als nicht beweiskräftig. Die IV-Stelle ordnete am 11. Dezember 2020 eine Abklärung durch die Klinik F.________ an. Nachdem das Sozialversicherungsgericht die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde gutgeheissen hatte, erfolgte eine Auftragserteilung über das Zuweisungssystem "Suisse MED@P" an das Swiss Medical Assessment- and Business-Center SMAB, St. Gallen. Gestützt auf dessen Gutachten vom 2. Februar 2023 hob die IV-Stelle den Rentenanspruch mit Verfügung vom 18. Oktober 2023 per 30. November 2018 auf.
B.
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht mit Urteil vom 17. Juli 2024 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei ihm auch weiterhin die bisherige ganze Invalidenrente (beziehungsweise eine Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 73 %) zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der Beschwerdegegnerin am 18. Oktober 2023 verfügte Aufhebung des Rentenanspruchs per 30. November 2018 gestützt auf das SMAB-Gutachten bestätigte. Unbestrittenerweise wurde die Invalidität bis anhin als psychiatrisch bedingt begründet. Zur Frage steht nunmehr, ob das kantonale Gericht bei gutachtlich festgestellter Aggravation zu Recht von einer rentenerheblichen Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgegangen sei.
3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 144 I 28 E. 2.2; 141 V 9 E. 2.3; 134 V 131 E. 3; 130 V 343 E. 3.5) sowie über den Beweiswert insbesondere von versicherungsexternen Gutachten (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4; 125 V 351 E. 3b/bb) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
Zu ergänzen ist hinsichtlich der Beurteilung der Invalidität bei psychischen Leiden, dass in jedem Einzelfall eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unabhängig von der diagnostischen Einordnung eines Leidens und grundsätzlich unbesehen der Ätiologie ausgewiesen und in ihrem Ausmass bestimmt sein muss. Entscheidend ist die Frage, ob es der versicherten Person zumutbar ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, was sich nach einem weitgehend objektivierten Massstab beurteilt. Die objektivierte Zumutbarkeitsbeurteilung fand in Art. 7 Abs. 2 ATSG ihren gesetzlichen Niederschlag. (BGE 143 V 409 E. 4.2.1 mit Hinweisen; ferner 143 V 418; 141 V 281). Bei zwischenzeitlich festgestelltem aggravatorischem Verhalten, ohne dass zuvor entsprechende klare Hinweise vorgelegen hätten, ist von einem veränderten Sachverhalt auszugehen (SVR 2023 IV Nr. 37 S. 124, 8C_553/2021 E. 6.1 und 6.3.1). Verunmöglicht die nicht authentische Beschwerdepräsentation eine Beurteilung des Gesundheitszustandes durch den psychiatrischen Gutachter, liegt eine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht vor (vgl. Art. 43 Abs. 3 ATSG), was rechtsprechungsgemäss eine Umkehr der Beweislast zur Folge hat (Urteil 8C_526/2024 vom 24. März 2025 E. 4.2.7).
Anzufügen bleibt ferner, dass der Rentenanspruch bei gegebenem Revisionsgrund für den Zeitpunkt der Revisionsverfügung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") neu zu prüfen ist (BGE 141 V 9 E. 2.3).
4.
4.1. Gemäss Vorinstanz ist gestützt auf das voll beweiskräftige SMAB-Gutachten vom 2. Februar 2023 eine rentenerhebliche Verbesserung mit Wiederherstellung einer 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer den Befunden an der Halswirbelsäule angepassten Verweistätigkeit ausgewiesen. Dies gilt nach dem kantonalen Gericht zunächst insbesondere hinsichtlich der somatischen Beschwerden. Aber auch bezüglich der psychischen Defizite sei von einer vollumfänglichen Arbeitsfähigkeit auszugehen. Im neuropsychologischen Teilgutachten sei eine bewusste Aggravation unter negativer Antwortverzerrung und nicht authentischer Beschwerdeschilderung festgestellt worden. Der psychiatrische Gutachter habe in der Folge deshalb keine Diagnose vergeben können.
In erwerblicher Hinsicht liess sich kein rentenbegründender Invaliditätsgrad ermitteln. Darüber hinaus fehlte es gemäss Vorinstanz am Eingliederungswillen, weshalb die Beschwerdegegnerin trotz des über 15-jährigen Rentenbezugs zu Recht auf Wiedereingliederungsmassnahmen verzichtet habe.
4.2. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes eingetreten sei, wobei eingeräumt wird, dass die Rentenzusprechung vorab aus psychiatrischen Gründen erfolgt sei. Die SMAB-Gutachter stützten sich nunmehr allein auf den vorliegenden Observationsbericht, der jedoch als Parteibehauptung des Haftpflichtversicherers des Unfallgegners nicht als beweiswertig gelten könne. Die Observation sei in die Wege geleitet worden, nachdem dieser bis zum heutigen Tag nie eine Zahlung geleistet und er selber, der Beschwerdeführer, den Versuch unternommen habe, die aufgelaufenen Ansprüche zu erledigen. Die im Jahr 2016 durch Dres. med. C.________ und D.________ getroffene und im Rahmen der Abklärung der MEDAS Zentralschweiz im Jahr 2019 von Dr. med. E.________ bestätigte Einschätzung des im Vordergrund stehenden psychiatrischen Befundes einer Persönlichkeitsstörung mit ausgeprägten Problemen der Impulskontrolle liessen die SMAB-Gutachter derweilen unberücksichtigt. Der psychiatrische SMAB-Gutachter halte gar ausdrücklich fest, dass seit der Begutachtung im Jahr 2016 keine Veränderung eingetreten, sondern wegen der nunmehr gezeigten Inkonsistenzen und der Observationsergebnisse eine abweichende Einschätzung vorzunehmen sei. Diese beschränkten sich aber, so der Beschwerdeführer, im Wesentlichen auf den Umstand, dass er mit der "Guggemuusig" seiner Clique an der Basler Fasnacht mitgemacht habe. Daraus ohne weitere Begründung auf eine Aggravation und eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit zu schliessen, sei willkürlich, zumal sich in den übrigen Untersuchungen anlässlich der SMAB-Begutachtung keine entsprechenden Hinweise gezeigt hätten.
4.3. Die IV-Stelle weist in ihrer Vernehmlassung darauf hin, dass der Schluss auf eine Aggravation vorab aufgrund der neuropsychologischen Testung und zudem unter polydisziplinärer Beurteilung des Observationsmaterials erfolgt sei. Dass früher keine Aggravation festgestellt worden sei, könne daran nichts ändern. Vielmehr sei gerade darin der Revisionsgrund zu erkennen. Anlässlich der SMAB-Begutachtung habe sich denn auch gezeigt, dass es angesichts eines intakten Aktivitätsniveaus an einer gleichmässigen Einschränkung in allen Lebensbereichen fehle. Zudem werde der tatsächliche Leidensdruck dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer nur bedarfsweise Schmerzmittel einnehme, sich seit langem keiner psychiatrischen Behandlung mehr unterziehe und ihm auch vom Hausarzt keine entsprechenden Medikamente verschrieben würden. Die erstmals und einzig von der MEDAS-Gutachterin im Jahr 2019 erhobene Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sei gemäss RAD zu hinterfragen, eine schwere psychiatrische Störung jedenfalls nicht ausgewiesen. Aufgrund des Observationsmaterials sei eine erhebliche Verbesserung evident, wobei zudem nicht zu erkennen sei, was dessen Verwertbarkeit entgegenstünde.
5.
5.1. Entgegen dem Haupteinwand des Beschwerdeführers gründet die Annahme der nichtauthentischen Beschwerdeschilderung nach den vorinstanzlichen Feststellungen nicht auf dem Bericht über die Observation unter anderem anlässlich der Basler Fasnacht, wo der Beschwerdeführer mit seiner Clique als Tambourmajor mit Larve unterwegs war. Vielmehr schlossen die SMAB-Gutachter zufolge der Ergebnisse der Validierungstests bei der neuropsychologischen Abklärung auf eine bewusste Aggravation. Dass das kantonale Gericht diesbezüglich offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen oder die für versicherungsexterne Gutachten geltenden Beweiswürdigungsregeln verletzt haben sollte, wird beschwerdeweise nicht geltend gemacht und lässt sich nicht erkennen. Den vorinstanzlichen Feststellungen zu den früheren psychiatrischen Abklärungen insbesondere anlässlich der ursprünglichen Rentenzusprechung sowie durch Dr. med. D.________ im Jahr 2016 lassen sich keine Hinweise auf ein aggravatorisches Verhalten entnehmen. Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, es sei mit der jüngst gezeigten Aggravation ein Revisionsgrund gegeben, ist daher nicht zu beanstanden.
5.2. Gleiches gilt insoweit, als das kantonale Gericht auf das psychiatrische SMAB-Teilgutachten abstellte und eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit gestützt darauf als nicht ausgewiesen erachtete. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil vermochte der psychiatrische Gutachter seinerseits zufolge der nicht authentischen Beschwerdeschilderung bei der neuropsychologischen Abklärung keine Diagnose zu stellen. Wegen der Auffälligkeiten bei der neuropsychologischen Beschwerdevalidierung wurde die erforderliche zuverlässige Einschätzung des Umfangs der Aggravation respektive der verbleibenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nach Ausscheidung der Auswirkungen der Aggravation vereitelt und der Beweis einer psychiatrisch bedingten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit verunmöglicht. Der Beschwerdeführer vermag keine konkreten Indizien aufzuzeigen, die gegen die gutachtliche Einschätzung sprächen, und trägt die Folgen der unbewiesen gebliebenen Invalidität.
5.3. Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet und ist abzuweisen.
6.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. Juni 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo