9C_175/2025 06.06.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_175/2025
Urteil vom 6. Juni 2025
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Moser-Szeless, Präsidentin,
Bundesrichter Stadelmann, Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Januar 2025 (AB.2024.00072).
Sachverhalt:
A.
Der 1984 geborene A.________ war ab September 2010 für einen Bachelorstudiengang und von Februar 2014 bis Ende Juli 2015 für einen Masterstudiengang bei der Hochschule B.________ immatrikuliert. Eine Anfrage des A.________ vom 26. April 2023 betreffend die rückwirkende Erhebung von Beiträgen an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (nachfolgend: AHV) für die Jahre 2013 und 2015 beantwortete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich am 17. Mai 2023 abschlägig mit dem Hinweis, eine rückwirkende Rechnungsstellung sei nicht mehr möglich, da die fraglichen Beiträge bereits verjährt seien; die Verjährungsfrist betrage fünf Jahre. Auf die in dieser Sache erhobenen Beschwerden trat zunächst das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 21. Juni 2023 (mangels eines zulässigen Anfechtungsobjekts) und anschliessend das Bundesgericht mit Urteil 9C_460/2023 vom 7. September 2023 (mangels hinreichender Begründung) nicht ein.
Am 1. Oktober 2023 und - nach einem Rechtsverzögerungsverfahren, das das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 7. März 2024 als gegenstandslos abschrieb - erneut am 24. März 2024 ersuchte A.________ die Ausgleichskasse um Erlass resp. Zustellung einer Verfügung betreffend seine Bitte um "Berichtigung" des Auszugs aus dem Individuellen Konto (nachfolgend: IK). Mit Verfügung vom 28. März 2024 verweigerte die Ausgleichskasse die rückwirkende Rechnungsstellung resp. Festsetzung von AHV-Beiträgen für die Jahre 2013 und 2015, weil diese gemäss Art. 16 Abs. 1 AHVG bereits verjährt seien. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 11. September 2024 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 8. Januar 2025 ab.
C.
A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sinngemäss (zumindest), die Ausgleichskasse sei zu verpflichten, von ihm AHV-Beiträge für die Jahre 2013 und 2015 zu erheben.
Erwägungen:
1.
1.1. Gegenstand des angefochtenen Urteils (wie auch des diesem zugrunde liegenden Einspracheentscheids) ist die umstrittene Beitragserhebung für die Jahre 2013 und 2015, nicht aber ein Anspruch auf Schadenersatz im Sinne von Art. 70 AHVG oder auf Mängelbehebung nach Art. 179 AHVV (SR 831.101), welche Bestimmung ohnehin das Aufsichtsverhältnis zwischen einer einzelnen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zu betreffen scheint. Ob der Beschwerdeführer mit der Anrufung der genannten Bestimmungen entsprechende Rechtsbegehren stellen wollte, kann offenbleiben; diesbezüglich wäre die Beschwerde ohnehin von vornherein unzulässig (vgl. Art. 99 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 125 V 413 E. 1; Urteil 9C_41/2024 vom 26. März 2025 E. 2.2.3, zur Publikation vorgesehen).
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 V 209 E. 2.2). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 150 II 346 E. 1.5.3; 148 I 104 E. 1.5). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig (unhaltbar, willkürlich: BGE 150 II 346 E. 1.6; 147 IV 73 E. 4.1.2) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Im Rahmen der AHV beginnt die Beitragspflicht für obligatorisch versicherte (vgl. Art. 1a AHVG) Nichterwerbstätige am 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 AHVG in der bis Ende 2023 geltenden resp. Art. 3 Abs. 1 bis AHVG in der aktuellen Fassung). Art. 16 Abs. 1 AHVG enthält folgende Vorgaben zur "Verjährung": Werden Beiträge nicht innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches sie geschuldet sind, durch Erlass einer Verfügung geltend gemacht, so können sie nicht mehr eingefordert oder entrichtet werden. In Abweichung von Art. 24 Abs. 1 ATSG endet die Verjährungsfrist für Beiträge insbesondere nach Art. 10 Abs. 1 (betreffend Nichterwerbstätige) erst ein Jahr nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die massgebende Steuerveranlagung rechtskräftig wurde. Wird eine Nachforderung aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist festsetzt, so ist diese Frist massgebend.
3.
Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdeführer habe für die Jahre 2013 und 2015 keine AHV-Beiträge entrichtet, obwohl er seit Januar 2005 beitragspflichtig gewesen wäre. Diese Beitragslücken könnten aber - selbst wenn sie auf einem Verschulden oder Fehler der Verwaltung beruhen würden - nicht mehr geschlossen werden. Bei der Fünfjahresfrist von Art. 16 Abs. 1 AHVG handle es sich um eine Verwirkungsfrist, die weder unterbrochen noch aufgeschoben werden könne. Auch wenn laut Art. 39 Abs. 1 AHVV eine Ausgleichskasse geschuldete Beiträge - entsprechende Kenntnis vorausgesetzt - nachzufordern habe, bleibe dabei die Verjährung nach Art. 16 Abs. 1 AHVG ausdrücklich vorbehalten.
Sodann hat das kantonale Gericht die Möglichkeit der Beitragsnachzahlung auch mit Blick auf den aus Art. 9 BV abgeleiteten Vertrauensgrundsatz verworfen: Zwar könne unter Umständen die Unterlassung einer behördlichen Auskunft, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach den im Einzelfall gegebenen Umständen geboten war, eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung der rechtsuchenden Person gebieten (BGE 143 V 341 E. 5.2.1). Der Ausgleichskasse habe zum Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer als Student Beiträge entrichtete (ab 2010), kein Anhaltspunkt für die Gefahr einer Beitragslücke in den Jahren 2013 und 2015 vorgelegen. Zudem gebe es keine allgemeine Verpflichtung, alle grundsätzlich beitragspflichtigen Personen auf allfällige Beitragslücken zu überprüfen. Der Ausgleichskasse könne diesbezüglich keine Verletzung der Informationspflicht vorgeworfen werden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer während der Studienzeit von fünf Jahren nur drei Mal einen Fragebogen ausgefüllt und anschliessend (für die Jahre 2011, 2012 und 2014) den jeweiligen jährlichen Mindestbeitrag bezahlt. Dieser Umstand hätte ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit die (für die Jahre 2013 und 2015) fehlende Beitragsentrichtung bewusst machen oder Anlass zu entsprechenden Erkundigungen geben müssen.
4.
4.1. Das vorinstanzliche Urteil wurde unter Feststellung, dass der Streitwert Fr. 30'000.- nicht übersteige, durch einen Einzelrichter getroffen. Der Beschwerdeführer führt diesbezüglich aus, der Streitwert sei die aus den Beitragslücken (künftig) resultierende Rentenkürzung und übersteige potenziell Fr. 30'000.-. Damit rügt er nicht substanziiert eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung oder eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV im Zusammenhang mit der einzelrichterlichen Zuständigkeit resp. der Besetzung des Spruchkörpers im vorinstanzlichen Verfahren. Es besteht daher kein Anlass zu einer entsprechenden Überprüfung.
4.2. Gegenstand dieses Verfahrens ist allein das hier angefochtene Urteil vom 8. Januar 2025 (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Soweit der Beschwerdeführer das Verhalten der Ausgleichskasse oder der Vorinstanz im Zusammenhang mit dem (verzögerten) Erlass einer Verfügung resp. eines beschwerdefähigen Einspracheentscheids kritisiert und (erneut) den Vorwurf der Rechtsverzögerung erhebt, zielen seine Ausführungen ins Leere. Diesbezügliche Weiterungen erübrigen sich.
4.3. Die Vorinstanz hat in einem blossen Hinweis festgehalten, der Beschwerdeführer habe in Jugendjahren (2003 und 2004) AHV-Beiträge entrichtet, die potenziell geeignet seien, die Beitragslücken der Jahre 2013 und 2015 aufzufüllen. Ausserdem hat sie mit Blick auf den damaligen Studien- resp. Wohnort (Kanton Zürich resp. Aargau) die örtliche Zuständigkeit der Ausgleichskasse für die fraglichen Beiträge der Jahre 2013 und 2015 offengelassen. Beide Aspekte waren somit ohne Bedeutung für den Ausgang des vorinstanzlichen Verfahrens. Auch auf die Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang ist nicht weiter einzugehen.
4.4.
4.4.1. Soweit sich der Beschwerdeführer für eine Beitragsnachzahlung auf Art. 39 Abs. 1 AHVV beruft, lässt er ausser Acht, dass diese Bestimmung die Verjährung nach Art. 16 Abs. 1 AHVG ausdrücklich vorbehält, was bereits das kantonale Gericht richtig aufgezeigt hat. Dass dieses Bundesrecht verletzt haben soll, indem es - im Lichte von Art. 16 Abs. 1 AHVG - die Erhebung von Beiträgen für die Jahre 2013 und 2015 zum Zeitpunkt der Anfrage des Betroffenen (April 2023) für verjährt resp. verwirkt gehalten hat, macht der Beschwerdeführer nicht ansatzweise geltend und ist auch nicht ersichtlich.
4.4.2. Zwar bringt der Beschwerdeführer zutreffend vor, dass die Ausgleichskassen säumige Beitragspflichtige für ausstehende Beiträge schriftlich mahnen (vgl. Art. 34a AHVV) und nötigenfalls betreiben (vgl. Art. 15 AHVG) müssen. Die Anwendung dieser Bestimmungen setzt aber eine vorgängig verbindlich festgesetzte Beitragspflicht (vgl. Art. 14 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 AHVV) voraus. Eine solche fehlt hier, weshalb sich aus den angerufenen Bestimmungen von Art. 34a AHVV und Art. 15 AHVG nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers ergibt.
4.4.3. Im Übrigen wiederholt der Beschwerdeführer seine bereits vorinstanzlich vorgebrachte Argumentation: Er habe die von der Ausgleichskasse während seines Studiums zugestellten Fragebögen stets sorgfältig nach bestem Wissen ausgefüllt und die verlangten Auskünfte erteilt. Er habe darauf vertraut, dass mit seinen Beiträgen alles in Ordnung sei, solange er die Fragebögen einschicke und die Rechnungen bezahle. Die Fragebögen hätten den Anschein gemacht, das (ganze) Studium abzudecken. Wenn es seine Aufgabe gewesen wäre, die Ausgleichskasse nachzukontrollieren und zur Vermeidung von Beitragslücken mindestens alle 5 Jahre einen IK-Auszug anzufordern, hätte dies unmissverständlich kommuniziert werden müssen, was aber unterblieben sei. Es müsse anerkannt werden, dass für ihn aufgrund eines Mangels, für den er nicht verantwortlich sei, kein Anlass bestanden habe, eher zu reagieren.
Diese Ausführungen zielen auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben resp. des daraus abgeleiteten Vertrauensschutzes (vgl. Art. 9 BV; BGE 143 V 341 E. 5.2.1; 143 V 95 E. 3.6.2). Ob sie die diesbezüglich qualifizierten Anforderungen an die Begründung erfüllen (vgl. vorangehende E. 1.2), kann offenbleiben, wie sich aus dem Folgenden ergibt. Bereits angesichts der gesetzlichen Vorgaben und insbesondere aufgrund der Angaben in den "Fragebögen für Studierende" und in den entsprechenden Begleitschreiben der Ausgleichskasse hätte dem Beschwerdeführer schon während seines Studiums bewusst sein müssen, dass er - grundsätzlich (vgl. für eine Ausnahme vorangehende E. 4.3) - jedes Jahr jedenfalls den AHV-Mindestbeitrag entrichten muss, um dereinst Anspruch auf eine Vollrente begründen zu können. Die aktenkundigen "Fragebögen für Studierende" beziehen sich jeweils eindeutig und unmissverständlich ausschliesslich auf das Beitragsjahr 2010 resp. 2011, 2012 und 2014. Eine Zusicherung, dass die Mindestbeiträge für die Jahre 2013 und 2015 bezahlt worden sein sollen, kann darin nicht erblickt werden. Ein besonderer Umstand, der die Ausgleichskasse hätte veranlassen müssen, hinsichtlich der Beitragsjahre 2013 und 2015 an den Beschwerdeführer zu gelangen, wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass (auch) das diesbezügliche "Nichthandeln" der Ausgleichskasse keine Vertrauensgrundlage im Sinne von Art. 9 BV begründet. Anders als der Beschwerdeführer glauben machen will, ist er weder zu einer routinemässigen "Nachkontrolle" der Ausgleichskasse noch zur regelmässigen Anforderung eines IK-Auszugs verpflichtet. Hingegen spricht nichts gegen die Zumutbarkeit einer (rechtzeitigen) Erkundigung bei der Ausgleichskasse, wenn - wie hier - der Betroffene weiss oder wissen müsste, dass er in einem bestimmten Jahr trotz Beitragspflicht keine AHV-Beiträge entrichtete. Demnach fällt ein Vertrauensschutz mangels einer genügenden Vertrauensgrundlage ausser Betracht.
4.5. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz kein Recht verletzt, indem sie die Verweigerung der nachträglichen Erhebung von AHV-Beiträgen für die Jahre 2013 und 2015 bestätigt hat. Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Juni 2025
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Moser-Szeless
Die Gerichtsschreiberin: Dormann