1C_338/2025 19.06.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_338/2025
Urteil vom 19. Juni 2025
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler, Müller,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________ Limited,
2. B.________ Limited,
3. C.________ AG,
Beschwerdeführerinnen,
alle drei vertreten durch Dr. Michael Mráz und Loris Baumgartner, Rechtsanwälte,
gegen
Bundesanwaltschaft,
Werdstrasse 138 + 140, Postfach 9666, 8036 Zürich.
Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an die
Ukraine; Akteneinsicht,
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer,
vom 4. Juni 2025 (RR.2025.13-15).
Sachverhalt:
A.
Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) führt gegen D.________ ein Strafverfahren. In diesem Zusammenhang gelangte es mit ergänzendem Rechtshilfeersuchen vom 29. September 2021 an die Schweiz und ersuchte u.a. um Übermittlung von Unterlagen zu diversen Bankkonten. Das Bundesamt für Justiz (BJ) übertrug das Rechtshilfeersuchen der Bundesanwaltschaft (BA) zum Vollzug. Daraufhin eröffnete die BA das Rechtshilfeverfahren RH.21.0233, trat auf das Ersuchen vom 29. September 2021 ein und erhob die begehrten Unterlagen bei mehreren Banken. Mit Teilschlussverfügungen II, III und IV vom 7. November 2024 ordnete sie die Herausgabe der darin genannten Unterlagen zu den auf die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG lautenden Bankkonten an die Ukraine an. Dagegen erhoben die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG mit separaten Eingaben vom 11. Dezember 2024 beim Bundesstrafgericht Beschwerde. Das Bundesstrafgericht eröffnete drei Beschwerdeverfahren, die nach wie vor hängig sind (RR.2024.145, RR.2024.146 und RR.2024.147).
Noch vor der Einreichung der erwähnten Beschwerden beim Bundesstrafgericht gelangten die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG mit Schreiben vom 15. November 2024 an die BA und ersuchten um Einsicht in sämtliche Korrespondenz zwischen der BA und dem NABU seit Eingang des Ersuchens vom 29. September 2021. Mit Schreiben vom 19. November 2024 übermittelte die BA dem Rechtsvertreter der drei Gesellschaften eine Reihe von Aktenkopien. Daraufhin ersuchten die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG mit Schreiben vom 18. Dezember 2024 die BA und das BJ um weitergehende Auskunft hinsichtlich der Umstände eines Treffens, das im März 2024 mit dem NABU stattgefunden habe. Sie führten aus, die ihnen zugestellte Korrespondenz belege, dass es zwischen dem BJ und dem NABU in mindestens einem Rechtshilfeverfahren zu einem Treffen gekommen sei, das ihnen lediglich durch zufällige Nachfrage ihres Rechtsvertreters zur Kenntnis gebracht worden sei. Sie könnten nicht ausschliessen, dass ihnen relevante Informationen im Zusammenhang mit dem Verfahren RH.21.0233 nicht bzw. nicht vollständig offengelegt worden seien. Die Beantwortung ihrer Fragen zum Treffen vom März 2024 sei entscheidend für die Überprüfung der Rechtmässigkeit des Rechtshilfeverfahrens. Mit Schreiben vom 7. Januar 2025 verweigerte die BA die gewünschten Auskünfte und hielt zur Begründung fest, diese seien nicht entscheidrelevant, weshalb sie vom Akteneinsichtsrecht nicht erfasst würden.
Daraufhin erhoben die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG Beschwerde beim Bundesstrafgericht. Sie verlangten insbesondere, die Verfügung der BA vom 7. Januar 2025 sei aufzuheben und die BA und das BJ anzuweisen, ihnen die mit Schreiben vom 18. Dezember 2024 verlangten Informationen zu erteilen und die beantragten Akten zuzustellen. Zudem sei festzustellen, dass das BJ durch sein Schweigen auf das Schreiben vom 18. Dezember 2024 eine Rechtsverweigerung begangen habe.
Das Bundesstrafgericht sistierte in der Folge antragsgemäss die drei Beschwerdeverfahren RR.2024.145, RR.2024.146 und RR.2024.147 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend die Akteneinsicht. Mit Entscheid vom 4. Juni 2025 wies es die Beschwerde und den prozessualen Antrag auf Beizug weiterer Verfahrensakten der BA und des BJ ab. Es erwog, die Verfügung der BA vom 7. Januar 2025 sei nach Erlass der Teilschlussverfügungen II, III und IV vom 7. November 2024 ergangen. Es handle sich deshalb nicht um eine Zwischenverfügung, sondern um eine eigenständige Verfügung, die das nicht rechtskräftig abgeschlossene Rechtshilfeverfahren RH.21.0233 betreffe. Die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG seien Adressatinnen der angefochtenen Verfügung und hätten als Inhaberinnen der von Rechtshilfemassnahmen betroffenen Konten Parteistellung im Verfahren RH.21.0233, in dem die Teilschlussverfügungen II, III und IV vom 7. November 2024 erlassen worden seien. Unter diesen Umständen seien sie beschwerdeberechtigt. Die Akten der Beschwerdeverfahren RR.2024.145, RR.2024.146 und RR.2024.147 seien beigezogen worden, ein Beizug weiterer Unterlagen sei nicht erforderlich. Inhaltlich beurteile sich der Anspruch der Beschwerdeführerinnen nach Art. 80b IRSG (SR 351.1). Gemäss dieser Bestimmung müssten grundsätzlich sämtliche beweiserheblichen Akten den Beteiligten gezeigt werden, sofern in der sie unmittelbar betreffenden Verfügung darauf abgestellt werde. Allerdings sei das Treffen mit dem NABU vom März 2024 gemäss den Angaben des BJ rein technischer Natur gewesen. Es gebe keine Hinweise, dass Unterlagen generiert worden seien, auf die sich die BA in den Teilschlussverfügungen II, III oder IV vom 7. November 2024 gestützt habe oder in anderer Weise im Verfahren gegen die Beschwerdeführerinnen verwendet hätte. Damit seien die verlangten Auskünfte zum Treffen nicht entscheidrelevant gewesen. Aus den Datenschutzbestimmungen des IRSG ergebe sich kein weitergehender Anspruch. Ebenso unbegründet sei der Vorwurf der Rechtsverweigerung durch das BJ. Da die BA die Verfahrensleitung gehabt habe, sei es an ihr gewesen, das Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdeführerinnen zu beantworten.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 16. Juni 2025 beantragen die A.________ Limited, die B.________ Limited und die C.________ AG, der Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 4. Juni 2025 sei aufzuheben und das Akteneinsichtsgesuch vom 18. Dezember 2024 gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache an das Bundesstrafgericht, subeventualiter an die BA zurückzuweisen.
In prozessualer Hinsicht beantragen die Beschwerdeführerinnen, die vorinstanzlichen Verfahrensakten seien beizuziehen und ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zu geben.
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.
Erwägungen:
1.
Wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgeht, erweist sich der Beizug der vorinstanzlichen Akten als nicht erforderlich. Der betreffende Antrag der Beschwerdeführerinnen ist abzuweisen.
2.
Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind Zwischenentscheide vorbehältlich hier nicht gegebener Ausnahmen nicht anfechtbar (Art. 93 Abs. 2 BGG). Es ist deshalb vorab zu prüfen, ob es sich beim Entscheid des Bundesstrafgerichts um einen Zwischen- oder einen Endentscheid handelt.
Inhaltlich geht es um die Tragweite des Akteneinsichtsrechts bzw. um die Frage, ob die Informationen zum Treffen zwischen dem BJ, der BA und dem NABU vom März 2024 zu den Verfahrensakten gehören (zum Begriff der Verfahrensakten s. BGE 151 IV 18 E. 4.4.4 mit Hinweisen). In der Hauptsache geht es um die Herausgabe von Bankunterlagen an die Ukraine. Die Beschwerdeführerinnen erachten die von ihnen verlangten Informationen zum erwähnten Treffen als direkt relevant für die Frage der Rechtmässigkeit der betreffenden Schlussverfügungen. Das Bundesstrafgericht hat diese Entscheidrelevanz dagegen verneint. Vor diesem Hintergrund handelt es sich beim angefochtenen Entscheid des Bundesstrafgerichts um einen Zwischenentscheid, da damit das Rechtshilfeverfahren nicht abgeschlossen wird (vgl. für die Beschwerde an das Bundesstrafgericht Art. 80e IRSG). Die Beschwerdeführerinnen werden diesen Entscheid nach Massgabe von Art. 93 Abs. 3 BGG durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechten können.
3.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch der Beschwerdeführerinnen um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Bundesanwaltschaft, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Juni 2025
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Haag
Der Gerichtsschreiber: Dold