6B_237/2025 13.06.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_237/2025
Urteil vom 13. Juni 2025
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Verspätete Einsprache gegen Strafbefehl; Wiederherstellung der Frist; Nichteintreten,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen,
vom 14. Februar 2025 (BK 25 51).
Die Präsidentin zieht in Erwägung:
1.
Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland verurteilte die Beschwerdeführerin mit Strafbefehl vom 27. Mai 2024 wegen Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 37 Tagessätzen zu Fr. 50.-- bei einer Probezeit von 2 Jahren und einer Busse von Fr. 600.--. Auf Einsprache hin teilte die Staatsanwaltschaft mit, sie erachte die Einsprache als verspätet; sie machte die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit aufmerksam, die Einsprache zurückzuziehen oder ein Gesuch um Wiederherstellung einzureichen. Nachdem die Beschwerdeführerin sinngemäss an der Einsprache festgehalten hatte, überwies die Staatsanwaltschaft die Akten am 24. September 2024 dem Regionalgericht Bern-Mittelland zum Entscheid betreffend die Gültigkeit der Einsprache. Das Gericht gab der Beschwerdeführerin am 10. Dezember 2024 Gelegenheit, sich zur Rechtzeitigkeit der Einsprache zu äussern. In der Folge nahm die Beschwerdeführerin am 13. Dezember 2024 Stellung. Mit Entscheid vom 23. Januar 2025 trat das Regionalgericht auf die Einsprache der Beschwerdeführerin gegen den Strafbefehl vom 27. Mai 2024 wegen Verspätung nicht ein und stellte dessen Rechtskraft fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern am 14. Februar 2025 ab, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerdeführerin wendet sich an das Bundesgericht.
2.
Anfechtungs- und Beschwerdeobjekt ist einzig der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern (Art. 80 Abs. 1 BGG). Da sich dieser ausschliesslich mit der Zustellung des Strafbefehls vom vom 27. Mai 2024 (Zustellfiktion; Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO) und der Wahrung der Frist zur Erhebung der Einsprache befasst, können auch vor Bundesgericht nur diese Fragen Gegenstand des Verfahrens sein. Von vornherein nicht eingetreten kann daher auf die Beschwerde, soweit sich die Beschwerdeführerin zur materiellen Seite der Angelegenheit äussert, die vor Bundesgericht nicht Verfahrensgegenstand bildet und mit der es sich folglich nicht befassen kann.
3.
Das von den Nachbarn der Beschwerdeführerin unterzeichnete Schreiben vom 3. März 2025 erging nach Erlass des angefochtenen Beschlusses und ist vor Bundesgericht als (echtes) Novum nicht zulässig (Art. 99 BGG).
4.
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung einer Beschwerde in gedrängter Form unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwiefern dieser Recht verletzt. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die beschwerdeführende Partei mit ihrer Kritik bei den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2; 140 III 86 E. 2). Für die Rüge der Verletzung von Grundrechten, einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG), gelten qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2).
5.
Das Obergericht erwägt, der Strafbefehl vom 27. Mai 2024 sei der Beschwerdeführerin gemäss Sendungsverfolgung der Post am 1. Juni 2024 mittels Abholeinladung zur Abholung gemeldet worden, nachdem er ihr gleichentags nicht habe zugestellt werden können. Da die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer rechtshilfeweisen Befragung durch das Polizeipräsidium Mannheim am 8. März 2024 auf das gegen sie in der Schweiz geführte Strafverfahren hingewiesen und sie über ihre Verzeigung informiert worden sei, habe sie mit Post der Strafbehörden rechnen müssen. Der Strafbefehl gelte daher gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO am 8. Juni 2024 als zugestellt (Zustellfiktion). Die Einsprachefrist habe folglich am 9. Juni 2024 zu laufen begonnen und am 18. Juni 2024 geendet. Mit Eingabe vom 16. August 2024 habe die Beschwerdeführerin verspätet Einsprache erhoben. Der Entscheid der ersten Instanz sei nicht zu beanstanden; die dagegen erhobenen Einwände überzeugten nicht. Soweit die Beschwerdeführerin ausführe, den Strafbefehl nicht erhalten zu haben, verkenne sie, dass dieser nicht zugestellt habe werden können und gemäss postalischem Sendungsnachweis eine Abholeinladung in ihren Briefkasten gelegt worden sei. Insoweit gelte die widerlegbare Vermutung, die Post habe die Abholeinladung ordnungsgemäss in ihren Briefkasten gelegt und das Zustelldatum korrekt registriert. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, im von ihr bewohnten Mehrfamilienhaus seien schon mehrfach Pakete und Briefe verschwunden oder in einen falschen Briefkasten eingeworfen worden, stelle eine blosse Behauptung dar, die keinen zureichenden Hinweis auf eine fehlerhafte Zustellung begründe. Dem Einwand, sie habe bereits am 15. Mai 2024 Widerspruch erhoben, sei sodann entgegenzuhalten, dass der Strafbefehl erst am 27. Mai 2024 erlassen und der Post am 30. Mai 2024 übergeben worden sei. Ihr Arbeitsunfähigkeitsattest vom 2. April 2024 sowie die eingereichten Reisetickets vom 18. August bis 4. September 2024 beträfen schliesslich einen Zeitraum vor resp. nach der hier massgebenden 10-tägigen Einsprachefrist und seien daher von vornherein nicht geeignet, um aufzuzeigen, dass die Einsprache rechtzeitig erfolgt sei.
6.
Was an diesen Erwägungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerhaft sein soll, ergibt sich aus der Beschwerde nicht. Mit dem angefochtenen Beschluss setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Sie begnügt sich vor Bundesgericht vielmehr ausschliesslich damit, ihre bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren vorgetragenen (und von der Vorinstanz verworfenen) Standpunkte zur angeblichen Rechtzeitigkeit der Einsprache zu wiederholen, ohne indessen mit ihrer Kritik - in rechtlicher Hinsicht - auch nur ansatzweise an den als fehlerhaft erachteten vorinstanzlichen Entscheidmotiven anzusetzen, geschweige denn - in tatsächlicher Hinsicht - auf die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz einzugehen, um darzulegen, inwiefern diese in Willkür verfallen sein soll. Eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen im vorinstanzlichen Beschluss fehlt. Aus der Beschwerde ergibt sich mithin nicht, dass und inwiefern der angefochtene Beschluss willkürlich oder sonst wie bundesrechtswidrig sein könnte. Das gilt auch für den obergerichtlichen Kostenentscheid, der in Anwendung von Art. 428 Abs. 1 StPO ergangen ist. Inwieweit die Vorinstanz diese klare Bestimmung verletzt haben könnte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Die Beschwerde genügt damit den gesetzlichen Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) offenkundig nicht, weshalb darauf im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten ist.
7.
Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen um Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ersucht, weil sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Erhebung der Einsprache gehindert worden sein soll, verkennt sie, dass das Bundesgericht erstinstanzlich nicht über eine Wiederherstellung der Frist im Sinne von Art. 94 StPO entscheiden kann (Art. 80 Abs. 1 BGG). Im Übrigen hat das Obergericht, wie sich aus den Erwägungen und dem Dispositiv des angefochtenen Beschlusses ergibt, das Wiederherstellungsgesuch der Beschwerdeführerin bereits zuständigkeitshalber an die Regionale Staatsanwaltschaft zur Behandlung weitergeleitet. Der bundesgerichtliche Entscheid steht der Behandlung des Wiederherstellungsgesuchs nicht entgegen.
8.
Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten. Das sinngemässe Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gestützt auf Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen. Der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Juni 2025
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill