8C_496/2024 24.06.2025
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_496/2024
Urteil vom 24. Juni 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Scherrer Reber,
Gerichtsschreiber Nabold.
Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 26. Juni 2024 (5V 23 3).
Sachverhalt:
A.
Die 1988 geborene A.________ war als Arbeitslose bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als ihr am 25. Dezember 2015 ihr Ehemann mehrfach in beide Beine schoss. Die Suva anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Für die bleibenden Folgen sprach die Suva ihr mit Verfügung vom 22. Oktober 2020 ab 1. Oktober 2020 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 34 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Einbusse von 25 % zu. Auf Einsprache der Versicherten hin holte die Suva bei der asim, Basel, ein polydisziplinäre Expertise ein (Gutachten vom 31. Dezember 2021) und erhöhte daraufhin den massgebenden Invaliditätsgrad mit Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2022 auf 45 %.
B.
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 26. Juni 2024 gut, soweit es auf sie eintrat, und sprach ihr ab 1. Oktober 2020 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 57 % zu.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Suva, es sei unter Aufhebung des kantonalen Urteils ihr Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2022 zu bestätigen.
Während A.________ und die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. Zudem stellt A.________ für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 V 209 E. 2.2). Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin für die bleibenden Folgen des Ereignisses vom 25. Dezember 2015 Anspruch auf eine Intergritätsenschädigung bei einer Einbusse von 25 % und ab 1. Oktober 2020 auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung hat. Streitig ist demgegenüber der für die Ausrichtung der Rente massgebende Invaliditätsgrad: Während das kantonale Gericht eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 57 % zusprach, macht die Beschwerdeführerin geltend, dieser betrage lediglich 45 %.
3.
3.1. Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 % invalid, so hat er gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters ereignet hat. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird nach Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.
3.2. Nach Art. 48 Abs. 1 UVG kann der Versicherer unter angemessener Rücksichtnahme auf den Versicherten und seine Angehörigen die nötigen Anordnungen zur zweckmässigen Behandlung des Versicherten treffen. Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr nach Art. 21 Abs. 4 ATSG die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
Weigert sich ein Versicherter ohne zureichenden Grund, sich einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederungsmassnahme zu unterziehen, so werden ihm nach Art. 61 UVV nur die Leistungen gewährt, die beim erwarteten Erfolg dieser Massnahmen wahrscheinlich hätten entrichtet werden müssen.
4.
4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit der Beschwerdegegnerin aufgrund des beweiswertigen Gutachtens der asim vom 31. Dezember 2021 sowie der zusätzlichen Stellungnahme der fallführenden Gutachterin vom 3. Mai 2024 zu bestimmen ist. Darin wird der Beschwerdegegnerin in einer optimal leidensangepassten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 50 % attestiert; unter der Voraussetzung einer Optimierung der aktuell (mithin im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung) noch nicht ausgebauten Schmerztherapie eine solche von 60 %. Das kantonale Gericht folgerte aus diesen Angaben, dass die Invaliditätsbemessung auf einer medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer optimal angepassten Tätigkeit zu beruhen habe. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin ist dieser Schluss nicht zu beanstanden: Zwar mag es zutreffen, dass der Beschwerdegegnerin die von den Gutachtern vorgeschlagene Schmerztherapie zumutbar wäre und dass eine Weigerung der Versicherten, sich dieser zu unterziehen, im Sinne von Art. 61 UVV bei der Festsetzung der Leistungen mitberücksichtigt werden könnte. Dies würde indessen ein rechtskonform durchgeführtes Mahn- und Bedenkzeitverfahren im Sinne von Art. 21 Abs. 4 ATSG voraussetzen (vgl. BGE 134 V 189). Dass ein solches durchgeführt wurde, ist vorliegend weder geltend gemacht noch ersichtlich, so dass der Invaliditätsbemessung die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin zu Grunde zu legen ist. Abgesehen davon bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdegegnerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen wäre.
4.2. Ausgehend von einer der Versicherten verbliebenen medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer optimal angepassten Tätigkeit ermittelte die Vorinstanz mittels eines Einkommensvergleichs im Sinne von Art. 16 ATSG einen Invaliditätsgrad von 57 %. Dabei ging sie zur Bestimmung des Invalideneinkommens von den Werten der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung LSE aus und korrigierte den Tabellenlohn um einen Abzug im Sinne von BGE 126 V 75 in der Höhe von 10 %. Die Suva, die in ihrem Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2022 ihrerseits nur einen Abzug von 5 % gewährt hatte, rügt, das kantonale Gericht habe damit ohne triftigen Grund sein Ermessen an die Stelle jenes des Versicherungsträgers gesetzt. Diese Argumentation ist vorliegend schon aus dem Grunde nicht stichhaltig, als die Vorinstanz - zutreffenderweise (vgl. E. 4.1 hiervor) - von einer gegenüber dem Einspracheentscheid abweichenden medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit ausging und bereits deshalb eine Neuschätzung des Abzuges erfolgen musste. Die Frage der Angemessenheit des von der Vorinstanz auf 10 % festgelegten Abzuges stellt praxisgemäss eine Ermessensfrage dar, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 137 V 71 E. 5.1 mit weiteren Hinweisen). Eine solche rechtsfehlerhafte Ermessensausübung ist vorliegend weder geltend gemacht noch ersichtlich. Die Beschwerde der Suva ist somit auch in diesem Punkt abzuweisen.
5.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin überdies eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Damit wird das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. Juni 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Der Gerichtsschreiber: Nabold