1B_528/2021 21.12.2021
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B_528/2021
Urteil vom 21. Dezember 2021
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Müller,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Buttliger,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Esslinger,
Beschwerdegegner,
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern.
Gegenstand
Strafverfahren; Verteidigung,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen,
vom 26. August 2021 (BK 21 261).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Geldwäscherei, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und weiterer Delikte (Verfahren W 20 754). Ihm wird vorgeworfen, als Aktionär und Mitglied des Verwaltungsrats der C.________ AG die Vermögensinteressen der genannten AG geschädigt zu haben. Mit Verfügung vom 18. Mai 2021 liess die Staatsanwaltschaft Rechtsanwalt Marcel Buttliger, welcher für die vorgenannte AG als Anwalt tätig ist, aufgrund des Verbots der Doppelvertretung nicht als Verteidiger von A.________ zu.
Dagegen erhob A.________ am 31. Mai 2021 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung sowie die Zulassung von Rechtsanwalt Marcel Buttliger als seinen Verteidiger. Am 26. August 2021 wies das Obergericht die Beschwerde ab.
B.
Mit Eingabe vom 27. September 2021 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts vom 26. August 2021 sei aufzuheben und seinem erbetenen Rechtsvertreter sei die Prozessberechtigung im Strafverfahren gegen ihn zuzusprechen. Sodann sei er nichtder Geldwäscherei, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Urkundenfälschung schuldig zu sprechen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft sowie das Obergericht verzichten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über den Ausschluss eines Rechtsbeistands. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG offen (Art. 80 BGG). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich indes nicht um einen Endentscheid, sondern um einen das Strafverfahren nicht abschliessenden Zwischenentscheid (Art. 93 BGG). Dieser ist geeignet, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 lit. a BGG zu bewirken, da dem Beschuldigten sein Anspruch auf (privat finanzierte) Verteidigung durch den Anwalt seiner Wahl endgültig entzogen werden kann (vgl. BGE 135 I 261 E. 1; Urteile 1B_457/2021 vom 28. Oktober 2021 E. 1.1; 1B_602/2019 vom 5. Februar 2020 E. 1). Daran ändert auch der Einwand des Beschwerdegegners nichts, der Beschwerdeführer habe in der Zwischenzeit einen anderen Anwalt mandatiert. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids. Damit ist er nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
1.2. Nicht darauf einzutreten ist hingegen, soweit der Beschwerdeführer beantragt, er sei nicht der Geldwäscherei, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Urkundenfälschung schuldig zu sprechen. Die materielle Beurteilung der Tatvorwürfe ist nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids und somit auch nicht Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung,die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, Rechtsanwalt Marcel Buttliger befinde sich in einem Interessenkonflikt. Ein solcher liege nicht vor. Er und die bereits von Rechtsanwalt Marcel Buttliger vertretene C.________ AG hättengleichgerichtete Interessen, nämlich die Rettung der Gesellschaft. Darüber hinaus sei eine bloss theoretische und abstrakte Möglichkeit des Auftretens von Interessenkollisionen nicht genügend, um eine Vertretung auszuschliessen. Die Vorinstanz habe folglich mit der Bejahung des Interessenkonflikts Art. 128 StPO verletzt.
2.2. Die beschuldigte Person kann im Strafverfahren zur Wahrung ihrer Interessen grundsätzlich einen Rechtsbeistand ihrer freien Wahl bestellen (Art. 127 Abs. 1 StPO). Vorbehalten bleiben die strafprozessualen und berufsrechtlichen Vorschriften und Zulassungsvoraussetzungen (Urteile 6B_195/2020 vom 23. Juni 2021 E. 1.2.1; 1B_59/2018 vom 31. Mai 2018 E. 2.4). Nach Art. 128 StPO ist die Verteidigung in den Schranken von Gesetz und Standesregeln allein den Interessen der beschuldigten Person verpflichtet. Diese Pflicht wird unter anderem in Art. 12 lit. c des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) konkretisiert. Demnach haben Anwältinnen und Anwälte jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen, zu meiden.
Aus Art. 12 lit. c BGFA ergibt sich insbesondere das Verbot der Doppelvertretung: Anwältinnen und Anwälte dürfen nicht in ein und derselben Streitsache Parteien mit gegenläufigen Interessen vertreten, weil sie sich diesfalls für keine der vertretenen Parteien voll einsetzen könnten (BGE 145 IV 218 E. 2.1). Eine unzulässige Doppelvertretung muss nicht zwingend das gleiche Verfahren oder allfällige mit diesem direkt zusammenhängende Nebenverfahren betreffen: Besteht zwischen zwei Verfahren ein Sachzusammenhang, verstossen Rechtsanwältinnen und -anwälte dann gegen Art. 12 lit. c BGFA, wenn sie in diesen Parteien vertreten, deren Interessen nicht gleichgerichtet sind bzw. sich widersprechen (BGE 134 II 108 E. 3; WALTER FELLMANN, Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 86 zu Art. 12 BGFA).
Eine bloss theoretische oder abstrakte Möglichkeit des Auftretens gegensätzlicher Interessenlagen reicht aber nicht aus, um auf eine unzulässige Vertretung zu schliessen; verlangt wird vielmehr ein sich aus den gesamten Umständen ergebendes konkretes Risiko eines Interessenkonflikts. Umgekehrt ist aber nicht erforderlich, dass sich dieser bereits realisiert hat und die Rechtsvertretung ihr Mandat schlecht oder zum Nachteil der Klientschaft ausgeführt hat (BGE 145 IV 218 E. 2.1; Urteil 1B_457/2021 vom 28. Oktober 2021 E. 2.1). Bei ihrem Entscheid über die Nichtzulassung bzw. Abberufung von Anwältinnen und Anwälten hat die Verfahrensleitung entsprechenden Interessenkonflikten in jedem Verfahrensstadium vorausschauend Rechnung zu tragen (vgl. Urteil 1B_457/2021 vom 28. Oktober 2021 E. 2.1).
2.3. Im vorliegenden Strafverfahren (W 20 754) wird der Beschwerdeführer unter anderem beschuldigt, als Aktionär und Mitglied des Verwaltungsrats der C.________ AG die Vermögensinteressen der genannten AG geschädigt zu haben. Konkret wird ihm vorgeworfen, eine hohe sechsstellige Summe in die AG investiert und einen grossen Anteil davon kurze Zeit später wieder auf sein Privatkonto überwiesen zu haben. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dieses Geld könnte aus einem Delikt in der Türkei stammen. In diesem Verfahren (W 20 754) hat sichder Beschwerdegegner, ebenfalls Aktionär und ehemaliges Verwaltungsratsmitglied der genannten AG, als Privatkläger konstituiert. Gleichzeitig istgegen diesen aber auch ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Veruntreuung, Geldwäscherei, Urkundenfälschung sowie weitere Delikten zum Nachteil der C.________ AG hängig (Verfahren W 20 249). In Letzterem vertritt Rechtsanwalt Marcel Buttliger die privatklägerischen Interessen der C.________ AG. Zwischen den Verfahren W 20 754 und W 20 249 besteht somit insofern einsachlicher Zusammenhang, als sich der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner gegenseitig Pflichtwidrigkeiten als Organe der C.________ AG vorwerfen.
2.4. Eine Aktiengesellschaft, wie vorliegend die C.________ AG, ist als juristische Person selbständige Vermögensträgerin. Ihr Vermögen ist mithin nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftsorganen ein fremdes (BGE 141 IV 104 E. 3.2; Urteil 6B_1053/2017 vom 17. Mai 2018 E. 5.3). Diese Verschiedenheit der Rechtssubjekte und damit die Fremdheit des Vermögens des einen Rechtssubjekts für das andere ist auch im Strafrecht grundsätzlich beachtlich (BGE 141 IV 104 E. 3.2; Urteil 6B_1053/2017 vom 17. Mai 2018 E. 5.3).Insofern bleibt die C.________ AG, selbst wenn die Mehrheit der Aktien angeblich in den Händen des Beschwerdeführers (und seinen Brüdern) liegt, eine vom Beschwerdeführer unabhängige juristische Person mit eigenen Vermögensinteressen.
Aufgrund des Verdachts der Strafverfolgungsbehörden, der Beschwerdeführer habe die Interessen der AG verletzt,ist naheliegend, dass sichfür Rechtsanwalt Marcel Buttliger unweigerlich ein konkretes Risiko eines Interessenkonfliktsergeben könnte, wenn er sowohl die AG als auch den Beschwerdeführer vertritt. Dieszeigt sich insbesondere am Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung zum Nachteil der C.________ AG und den zu untersuchenden angeblichen Geldabflüssen vom Konto der AG auf das Privatkonto des Beschwerdeführers. Bei der Aufklärung dieses Vorwurfs kann jedenfalls nicht ohne weiteres von gleichgerichteten Interessen des Beschwerdeführers und der C.________ AG, als selbständige Vermögensträgerin, gesprochen werden.
Daran ändert auch der Einwand des Beschwerdeführers nichts, er sei mit der vorliegenden Doppelvertretung einverstanden. Die Doppelvertretung bleibt bei Vorliegen eines konkreten Risikos eines Interessenkonflikts trotz Einwilligung unzulässig (vgl. Urteil 1B_120/2018 vom 29. Mai 2018 E. 5.5). Unbehelflich ist im Übrigen auch sein Einwand, er habe das Geld auf sein privates Konto überwiesen, um es dem Zugriff des Beschwerdegegners zu entziehen. Diesen Einwand gilt es im zugrunde liegenden Strafverfahren zu untersuchen.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie das konkrete Risiko eines Interessenkonflikts bejahte und die Doppelvertretung für unzulässig erklärte.
3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsaufwand dessen Vertreters vorliegend vergleichsweise gering war (vgl. Art. 8 Abs. 2 des Reglements vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung über die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht [SR 173.110.210.3]).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 250.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Dezember 2021
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier