1C_1/2016 22.04.2016
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
Urteil vom 22. April 2016
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________ und A.B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Stutz,
Beschwerdeführer,
gegen
Einwohnergemeinde Oberrohrdorf,
Ringstrasse 2, 5452 Oberrohrdorf,
handelnd durch den Gemeinderat Oberrohrdorf,
Ringstrasse 2, 5452 Oberrohrdorf,
und dieser vertreten durch
Rechtsanwalt Richard Eichenberger,
Beschwerdegegnerin,
Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Rechtsabteilung, Postfach 2254, 5001 Aarau.
Gegenstand
Beschwerdeverfahren betreffend Baubewilligung; Parteikosten,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 11. November 2015.
Sachverhalt:
A.
Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau (im Folgenden: Departement) schrieb am 25. Mai 2015 die Beschwerde von A.A.________ und A.B.________ gegen den Entscheid des Gemeinderats Oberrohrdorf vom 9. Februar 2015 über den Bau von zwei Mehrfamilienhäusern der B.________ AG infolge Beschwerderückzugs als erledigt von der Geschäftskontrolle ab (Dispositiv-Ziffer 1). Die Verfahrenskosten auferlegte es antragsgemäss der B.________ AG (Dispositiv-Ziffer 2). Parteientschädigungen sprach es keine zu (Dispositiv-Ziffer 3).
Die Einwohnergemeinde Oberrohrdorf erhob gegen diesen Abschreibungsbeschluss Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit dem Antrag, dessen Dispositiv-Ziffer 3 dahingehend abzuändern, dass A.A.________ und A.B.________ verpflichtet würden, ihr einen Parteikostenersatz in noch festzusetzender Höhe zu bezahlen.
Mit Urteil vom 11. November 2015 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut, hob Dispositiv-Ziffer 3 des Abschreibungsbeschlusses auf und wies die Sache zur Festsetzung angemessener Parteikosten, welche A.A.________ und A.B.________ der Einwohnergemeinde Oberrohrdorf zu ersetzen hätten, ans Departement zurück (Dispositiv-Ziffer 1). Die Verfahrenskosten auferlegte es A.A.________ und A.B.________ (Dispositiv-Ziffer 2) und verpflichtete diese zudem, der Einwohnergemeinde Oberrohrdorf für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 800.-- zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 3).
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen A.A.________ und A.B.________, dieses Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Abschreibungsbeschluss des Departements vom 25. Mai 2015 zu bestätigen. Das Verfahren sei zur Festsetzung der ihnen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erwachsenen Parteikosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersuchen sie, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
C.
Das Verwaltungsgericht und das Departement verzichten auf Vernehmlassung. Die Gemeinde Oberrohrdorf beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
D.
Am 26. Januar 2016 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Er schliesst das Verfahren nicht ab, da es sich um einen Rückweisungsentscheid handelt. Indessen geht es bei der zu treffenden ergänzenden Anordnung im Wesentlichen nur noch um die rechnerische Umsetzung der oberinstanzlichen Anweisung, weshalb es sich rechtfertigt, von einem Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG auszugehen (BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127). Die Beschwerdeführer sind als dessen Adressaten und zur Zahlung einer Parteientschädigung Verpflichtete befugt, ihn anzufechten. Sie rügen die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
2.1. Der mit "Kosten a) Begriff" überschriebene § 29 des Aargauer Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 4. Dezember 2007 (VRPG) lautet wie folgt:
"Die Kosten bestehen aus Verfahrenskosten (Gebühren und Auslagen) und notwendigen Parteikosten (Kosten der Vertretung oder Verbeiständung durch Anwältinnen und Anwälte oder weitere vor Verwaltungsjustizbehörden zugelassene Vertretungen)."
2.2. Das Departement hat dazu in seinem Abschreibungsbeschluss erwogen, unter die notwendigen Parteikosten fielen die Kosten der Vertretung durch Anwältinnen und Anwälte. Der vom Gemeinderat Oberrohrdorf als Vertreter mandatierte Rechtsanwalt Richard Eichenberger sei Präsident der Baukommission von Oberrohrdorf und habe insoweit eine amtliche Aufgabe inne. Die Gemeinde gelte zwar zufolge des Beschwerderückzugs als obsiegend, zu entschädigende Parteikosten könnten indessen nur durch eine rechtsanwaltliche Vertretung entstehen. Ein Anwalt müsse sein Mandat nach Standesrecht unabhängig ausführen können. Als Präsident der Baukommission, der die Einwendungsverhandlungen geführt und sich dabei umfassend zur Sache geäussert habe, könne Rechtsanwalt Eichenberger sein Mandat nicht vollständig unabhängig führen. Es rechtfertige sich daher wie bei einem Rechtsanwalt, der in eigener Sache prozessiere, der durch den Präsidenten ihrer Baukommission vertretenen Gemeinde keine Parteikostenentschädigung zuzusprechen.
2.3. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, nach § 29 VRPG könne eine Partei für ihren eigenen Rechtsverfolgungsaufwand keine Parteientschädigung beanspruchen. Die in eigener Sache prozessierende, nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen dazu berechtigten Dritten vertretene Partei sei nicht entschädigungsberechtigt. Das gelte für den in eigener Sache prozessierenden Anwalt ebenso wie für eine juristische Person, welche sich im Prozess durch eines ihrer Organe vertreten lasse; das sei sachgerecht, weil im Prozess zwischen dem Handeln der juristischen Person und demjenigen des Organs nicht unterschieden werden könne (E. 3.1 und 3.2 S. 5 f.). Das gelte auch für die Organe einer Gemeinde (E. 3.4 S. 5). Vorliegend habe der Rechtsvertreter der Gemeinde als Präsident der Baukommission das Geschäft zuhanden des Gemeinderates vorbereitet und die Einwendungsverhandlungen geführt. Die Baukommission sei aber nicht befugt gewesen, selber Entscheidungen zu fällen. Einer Kommission ohne Entscheidkompetenzen komme keine Organstellung zu (§ 16 Abs. 1 lit. e des Gemeindegesetzes des Kantons Aargau vom 19. Dezember 1978 [GG] e contrario). Nachdem damit die Gemeinde nicht durch eines ihrer Organe vertreten werde, rechtfertige sich eine Gleichstellung mit der nicht vertretenen Partei vorliegend nicht (E. 3.3 und E. 4 S. 5 f.). Der Baukommission bzw. deren Präsidenten komme auch keine faktische Organstellung zu, da sich die Aufgabe der Kommission darin erschöpft habe, den rechtserheblichen Sachverhalt zu ermitteln und die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens zu prüfen. Die Entscheidung getroffen habe allein der Gemeinderat, und zwar gestützt auf das Ergebnis der Einwendungsverhandlungen, an denen eine Gemeinderätin teilgenommen habe, dem Prüfbericht der Baukommission, ein externes Gutachten und eigene Erwägungen (E. 5 S. 6 f.). Zusammenfassend sei somit ein Vertretungsverhältnis zu bejahen. Ob der Rechtsvertreter der Gemeinde mit der Übernahme des Mandats standesrechtliche Regeln verletzt habe oder nicht, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Diesfalls würde sich allenfalls die Frage einer Disziplinierung nach Art. 17 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (vom 23. Juni 2000; SR 935.61; BGFA) stellen, das Vertretungsverhältnis als solches werde davon aber nicht berührt (E. 6 S. 7).
3.
3.1. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, seinen Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung auszuüben (Art. 12 lit. b BGFA). Zur Frage, unter welchen Umständen ein Rechtsanwalt, der bei einer privatrechtlichen Arbeitgeberin angestellt ist oder bei einer juristischen Person des privaten Rechts in leitender Stellung bzw. als Organ tätig ist, diesen gegenüber über die notwendige Unabhängigkeit verfügt, um sie als Anwalt vertreten zu können, besteht eine gefestigte Praxis des Bundesgerichts (grundsätzlich: BGE 130 II 87 E. 4 ff.; BGE 140 II 102 E. 4; 139 III 249 E. 1; 138 II 440 E. 5 f.; Urteile 2A.293/2003 vom 9. März 2004 E. 3 f.; 2A.101/2003 vom 13. Dezember 2003 E. 4). Nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht bisher, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt, der zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in einer besonderen Beziehung steht, über genügende Unabhängigkeit im Sinn von Art. 12 lit. b BGFA verfügt, um diese anwaltlich vertreten zu können (vgl. BGE 130 II 87 E. 6.4 S. 107). Dazu ist die oben angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Unabhängigkeit des Anwalts gegenüber juristischen Personen des Privatrechts analog heranzuziehen, da die Verflechtung mit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft die anwaltliche Unabhängigkeit in ähnlicher Weise beeinträchtigen kann wie die enge Beziehung zu einer juristischen Person des Privatrechts.
Ob die Anforderungen an die Unabhängigkeit eingehalten sind, unterliegt freier Prüfung durch das Bundesgericht, da es sich um Bundesrecht handelt (vgl. Art. 95 lit. a BGG). Nur unter dem Gesichtswinkel der Verletzung verfassungsmäassiger Rechte, namentlich des Willkürverbots, überprüft es an die Unabhüangigkeit anschliessende Folgeregelungen des kantonalen Rechts wie § 29 VRPG.
3.2. Die Baukommission ist, weil sie über keine Entscheidkompetenzen verfügt, kein Organ der Gemeinde (§ 16 Abs. 1 lit. e GG). Deren Präsident verfügt somit zwar über ein Mandat der Gemeinde zur Vorbereitung von Bauentscheiden, wirkt aber bei der Entscheidfällung selber nicht mit. Seine Stellung ist insofern vergleichbar mit derjenigen des angestellten Anwalts. Bei diesem besteht nach der Praxis des Bundesgerichts die Vermutung, dass ihm die für die anwaltliche Vertretung seines Arbeitgebers erforderliche Unabhängigkeit fehlt (BGE 130 II 87 E. 5.1.1 S. 100). Widerlegen kann der Anwalt diese Vermutung durch den Nachweis, dass angesichts der Ausgestaltung seines Anstellungsverhältnisses keine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit bzw. der gewissenhaften und allein im Interesse seiner Klienten liegenden Berufsausübung droht (BGE a.a.O E. 6.2 S. 105). Gegen die Annahme von Unabhängigkeit im Sinn von Art. 12 lit. b BGFA sprechen namentlich eine finanzielle Abhängigkeit des Anwalts von seinem Arbeitgeber, Weisungsgebundenheit, Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber über die geführten Mandate, Übernahme von Anwaltskanzleiarbeiten durch Mitarbeiter des Arbeitgebers, Ausübung der Anwaltstätigkeit in den Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers etc. (BGE a.a.O. E. 6.3 S. 105 ff.).
3.3. Der Präsident der Baukommission wird für seine Tätigkeit zwar entschädigt. Die Entschädigung ist indessen nach der Darstellung des Verwaltungsgerichts gering. Das Amt erscheint somit eher ehrenamtlich als lukrativ, sodass der Amtsinhaber jedenfalls nicht in einem ins Gewicht fallenden finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zur Gemeinde steht. Er soll bei seiner Tätigkeit zudem gegenüber dem Gemeinderat nicht weisungsgebunden sein. Das ist zwar für eine Kommission, deren Aufgabe darin besteht, für den Gemeinderat Baugesuche zur Entscheidungsreife vorzubereiten, eher ungewöhnlich; in der Regel ist der Entscheidungsträger demjenigen, der für ihn den Entscheid vorbereitet, hierarchisch übergeordnet. Entscheidend aber ist vorliegend, dass der Baukommissionspräsident das Baubewilligungsverfahren massgebend gestaltet und durchgeführt hat. Er hat die Gemeinde dabei zudem auch nach aussen vertreten, indem er - und nicht etwa die ebenfalls anwesende zuständige Gemeinderätin - die Einwendungsverhandlungen präsidiert hat. Er hat somit das Verfahren faktisch wohl stärker geprägt als sonst jemand von Seiten der Gemeinde. Vertritt er diese nach dem Bauentscheid im Rechtsmittelverfahren, so erscheint er unter diesen Umständen geradezu unausweichlich als Mitglied der kommunalen Baubehörden und damit als Gemeindevertreter und nicht als (aussenstehender) Anwalt, der gleichermassen zu seiner Klientin als auch zum Gericht Distanz wahrt und sein Mandat in völliger Unabhängigkeit führt. Das Verwaltungsgericht hat die Vermutung der fehlenden Unabhängigkeit unter den gegebene Umständen deshalb zu Unrecht als widerlegt und die Voraussetzung von Art. 12 lit. b BGFA als erfüllt betrachtet, was vom Bundesgericht - wie in E. 3.1 hiervor ausgeführt - mit voller Kognition zu beurteilen ist. Die Aargauer Regelung über die Parteikosten für die Vertretung durch Anwältinnen und Anwälte von § 29 VRPG knüpft an die bundesrechtliche über die Ausübung des Anwaltsberufs an (vgl. E. 7.3 und 8 des angefochtenen Urteils). Konnte der von der Gemeinde beigezogene Anwalt nicht als unabhängig im Sinne des BGFA gelten, so ist das Verwaltungsgericht in Willkür verfallen, wenn es der Gemeinde eine Parteientschädigung für eine anwaltliche Rechtsvertretung im Sinn von § 29 VRPG zugebilligt hat. Die Rüge ist begründet.
4.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 ganz sowie Dispositiv-Ziffer 3 insoweit aufzuheben, als die (damaligen) Beschwerdegegner A.A.________ und A.B.________ zur Bezahlung von Parteikosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren an die (damalige) Beschwerdeführerin verpflichtet werden. Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Damit bleibt Dispositiv-Ziffer 3 des Abschreibungsbeschlusses des Departements vom 25. Mai 2015 in Kraft.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin, die ihre Vermögensinteressen vertritt, aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Sie hat zudem den Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 ganz sowie Dispositiv-Ziffer 3 des Verwaltungsgerichtsurteils vom 11. November 2015 insoweit aufgehoben, als A.A.________ und A.B.________ zur Bezahlung von Parteikosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren an die Einwohnergemeinde Oberrohrdorf verpflichtet werden. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der Einwohnergemeinde Oberrohrdorf auferlegt.
3.
Die Einwohnergemeinde Oberrohrdorf hat A.A.________ und A.B.________ für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. April 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi