6B_344/2018 11.12.2018
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_344/2018
Urteil vom 11. Dezember 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Traub.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Remo Busslinger,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Revision (mangelhafte Verteidigung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 12. Februar 2018 (ST.2017.146-SK3).
Sachverhalt:
A.
X.________ kaufte zusammen mit weiteren Personen zwischen Mai 2000 und Mai 2004 meist unter Beizug von Strohmännern und Strohfirmen in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Schaffhausen weit über 100 Immobilien. Diese wurden sogleich erheblich verteuert an Folgekäufer weiterverkauft. Die Mittäter versprachen den Personen, die sich auf Zeitungsinserate hin meldeten, sie könnten günstig und ohne Eigenmittel Immobilien erwerben und gewinnbringend weiterveräussern. Die Käufer blieben indes auf den Kaufobjekten sitzen. Sie waren nicht in der Lage, die anfallenden Kosten (Hypothekarzinsen, Amortisationen, Steuern etc.) zu bezahlen. In den meisten Fällen kam es zu Zwangsvollstreckungen, die in Verlust- und Pfandausfallscheinen endeten. Die Käufer erlangten die Hypothekarkredite unter massgeblicher Mitwirkung von X.________ und Mittätern, indem sie die kreditgebenden Banken und Versicherungen durch unwahre Angaben, falsche, gefälschte und verfälschte Urkunden unter anderem betreffend ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den Wert und den Verwendungszweck der Kaufobjekte täuschten.
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte X.________ am 14. August 2013 in zweiter Instanz wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung, mehrfacher Erschleichung einer falschen Beurkundung, mehrfachen Steuerbetrugs, mehrfacher Geldwäscherei sowie wegen Fälschung von Ausweisen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Es zog diverse Vermögenswerte ein und verpflichtete X.________, dem Staat eine Ersatzforderung von Fr. 1'700'000.-- zu zahlen.
Das Bundesgericht hiess die dagegen eingereichte Beschwerde am 28. August 2014 teilweise gut und hob die Verurteilung wegen Geldwäscherei auf. Alle unter diesem Tatbestand inkriminierten Handlungen seien verjährt. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintrat. Es wies die Sache zur Anpassung der Strafzumessung an die Vorinstanz zurück (Urteil 6B_1187/2013).
Am 23. Januar 2015 stellte das Kantonsgericht das Verfahren betreffend mehrfache Geldwäscherei ein und verhängte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten. Diesem Urteil liegt eine mündliche Verhandlung zugrunde, die am 5. Dezember 2014 und 15. Januar 2015 durchgeführt worden ist. Bei dieser Gelegenheit reichte X.________ ein Revisionsgesuch ein, mit welchem er als neue Tatsache geltend machte, seine vormaligen Rechtsvertreter A.________, B.________, C.________ und D.________ hätten ihre Berufspflichten in schwerstem Masse vernachlässigt und ihn ungenügend verteidigt. Das Kantonsgericht trat auf das Gesuch nicht ein; es liege kein rechtskräftiger Entscheid vor (Entscheid vom 10. Juli 2015).
Das Bundesgericht wies die gegen den Entscheid vom 23. Januar 2015 erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6B_540/2015 vom 26. August 2015).
B.
Am 26. September 2017 verlangte X.________ die Revision des Entscheids vom 23. Januar 2015. Das Kantonsgericht trat auf das Revisionsgesuch nicht ein (Entscheid vom 12. Februar 2018).
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Entscheid des Kantonsgerichts vom 12. Februar 2018 sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei das Urteil der Vorinstanz vom 23. Januar 2015 zu revidieren und er von Schuld und Strafe freizusprechen. Einzeln bezeichnete Vermögenswerte seien ihm nebst Zins zurückzuerstatten. Der Kanton St. Gallen sei zu verpflichten, ihm, eventuell der E.________ GmbH, Fr. 700'000.-- nebst Zins seit Datum der Eigentumsübertragung der eingezogenen Liegenschaft Grundstück Nr. xxxx, Grundbuch F._________, zu bezahlen. Für die erstandene Haft sei er angemessen zu entschädigen. Subeventuell sei das Urteil vom 23. Januar 2015 zu revidieren und er zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 20 Monaten zu verurteilen. Subsubeventuell sei das Urteil vom 23. Januar 2015 aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Verfassungs- und Konventionsrecht (Art. 29 Abs. 3 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; vgl. BGE 143 I 284 E. 2.2 S. 288). Er sei in der Strafuntersuchung, im erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren nach der Rückweisung nicht genügend verteidigt worden, obwohl die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung erfüllt gewesen seien (Art. 130 lit. b StPO). Zudem verletze der angefochtene Entscheid seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Die früheren Verteidiger seien jeweils nicht gegen (in der Beschwerdeschrift eingehend geschilderte) Verletzungen der Verteidigungsrechte vorgegangen.
Ungenügende Verteidigung müsse in jedem Verfahrensstadium berücksichtigt werden. Es liege in der Natur der Sache, dass sie nicht sofort geltend gemacht werde, sondern erst wenn es zu einem Verteidigerwechsel komme oder zur amtlichen eine Wahlverteidigung hinzutrete. Mit ihrer fortwährenden Untätigkeit hätten die früheren Rechtsvertreter die effektiven Möglichkeiten zur Berichtigung der Verteidigungshandlungen verunmöglicht. Das dürfe nicht zulasten des Beschwerdeführers gehen. Daher sei im Revisionsverfahren (vor Kantonsgericht) die Möglichkeit einer nachträglichen Rüge von formellen Verfahrensfehlern zu eröffnen. Das Revisionsgericht habe die (faktische) Nichtvertretung zu würdigen, Konfrontationseinvernahmen und andere Rechtsmittel aus dem Recht zu weisen und neu in der Strafsache zu entscheiden.
1.2. Nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO kann, wer durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, dessen Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung der verurteilten Person herbeizuführen. Die Vorinstanz sieht zunächst in der Feststellung der Anwaltskammer des Kantonsgerichts St. Gallen, der (mit dem Rückweisungsverfahren vor Kantonsgericht befasste) amtliche Verteidiger D.________ habe es versäumt, dem Beschwerdeführer eine detaillierte Abrechnung über die erbrachten Leistungen zukommen zu lassen, und damit Art. 12 lit. i BGFA verletzt (Entscheid vom 8. September 2016), keine neue Tatsache im Sinne des Revisionsgrundes; daraus lasse sich keine "Schlechtleistung" des Verteidigers ableiten. Was sodann das Berufungsverfahren betreffe, sei der angebliche Verfahrensmangel (Fehlleistungen verschiedener Verteidiger) im Entscheid vom 23. Januar 2015 bereits behandelt worden. Ohnehin erfasse die Revision nur Haupt- und Hilfstatsachen, welche der materiellen Urteilsgrundlage angehörten, nicht aber Verfahrensmängel. Eine unzureichende Verteidigung könne allenfalls als Hilfstatsache angesehen werden, da die Mitwirkung der Verteidigung den materiell massgebenden Sachverhalt betreffe. Nach der Rechtsprechung sei die nachträgliche Erkenntnis über eine ungenügende Verteidigung selbst keine Tatsache im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO. Eine Verteidigungsstrategie, die sich im Nachhinein als falsch oder nicht zielführend erwiesen habe, könne während des Verfahrens noch sinnvoll gewesen sein. Wenn in solchen Fällen Revision geführt werden könnte, höhlte dies das Prinzip der Rechtskraft aus. Die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften sei im ordentlichen Verfahren zu rügen. Das sei hier nicht geschehen. Diese (verschuldete oder unverschuldete) Versäumnis begründe keine Tatsache im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO.
2.
2.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Nichteintretensentscheid. Die Vorinstanz nahm das Revisionsgesuch nicht an die Hand, weil sie die Voraussetzungen, unter denen auf ein Revisionsgesuch eingetreten werden kann (Art. 412 StPO), als nicht erfüllt ansieht. Die Eintretensfrage ist alleiniger Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid ist nur sachbezogen begründet (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG), soweit sich das Rechtsmittel mit den Nichteintretensmotiven auseinandersetzt; auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden, soweit sie sich auf materielle Belange bezieht (BGE 123 V 335; 118 Ib 134).
Der Beschwerdeführer schildert Verteidigungsmängel, die von vier vormaligen Verteidigern zu verantworten gewesen sein sollen (u.a. Untätigkeit bei Einvernahmen oder Nichtteilnahme an einer Konfrontationseinvernahme; Hinnahme, dass Untersuchung auf der Grundlage eigentlich unverwertbarer Beweismittel weitergeführt werde; mangelhafte Aktenkenntnisse; Verteidigung nur im Schuldpunkt statt auch im Strafpunkt; vgl. Beschwerdeschrift S. 8-25 und 28 f.). Auf die Beschwerde ist nur einzutreten, soweit der Beschwerdeführer dartut, inwiefern die vorgebrachten Verteidigungsmängel neue, vor dem rechtskräftigen Entscheid eingetretene Tatsachen sein oder darüber neue Beweismittel vorliegen sollen.
2.2. Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Revision nur gegen materielle Urteilsgrundlagen richten kann. Verfahrensmängel sind nicht mittels Revision korrigierbar. Die nachträgliche Erkenntnis über eine angeblich ungenügende Verteidigung als solche ist keine Tatsache im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO (Urteile 6B_425/2014 vom 21. Juli 2014 E. 5 und 6B_986/2013 vom 11. Juli 2014 E. 4.1).
Es bleibt zu prüfen, ob dargetan ist, dass unzureichende Verteidigung den materiell rechtserheblichen Sachverhalt wesentlich kompromittiert haben könnte. Das vorinstanzlich beurteilte Revisionsgesuch richtete sich gegen den Entscheid vom 23. Januar 2015, in welchem die Vorinstanz (der bundesgerichtlichen Rückweisung vom 28. August 2014 folgend) das Verfahren betreffend mehrfache Geldwäscherei eingestellt und eine entsprechend reduzierte Freiheitsstrafe ausgesprochen hat. Umfang und Wirkung einer Revision können nicht über den Gegenstand des mit diesem Rechtsbehelf angegriffenen rechtskräftigen Entscheids hinausgehen. Es kommt daher nicht infrage, wie vom Beschwerdeführer verlangt das Urteil des Kantonsgerichts vom 14. August 2013 "im Ergebnis" aufzuheben. Im Entscheid vom 23. Januar 2015 stand aufgrund des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids (abgesehen von inzwischen allfällig eingetretenen Veränderungen in den strafzumessungsrelevanten Umständen) nicht mehr die Strafzumessung als solche zur Diskussion, sondern nur noch, welchen Anteil die aufgehobene Verurteilung wegen mehrfacher Geldwäscherei an der ursprünglichen Gesamtstrafe hatte (vgl. dazu Urteil 6B_540/2015 vom 26. August 2015 E. 5.1). Revidiert werden könnte nur die entsprechende Anpassung der Strafzumessung. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die hinsichtlich des Rückweisungsverfahrens geltend gemachten Verteidigungsmängel (u.a. eine fehlende Abstimmung des amtlichen mit dem Wahlverteidiger; vgl. Beschwerde, Rz. 102 ff.) geeignet sein könnten, in diesem Rahmen eine wesentliche mildere Bestrafung herbeizuführen.
Die Vorinstanz verneint zu Recht einen Revisionsgrund. Eine Verletzung der angerufenen Verfassungsbestimmungen ist nicht ersichtlich.
2.3. Die übrigen Rechtsbegehren sind damit gegenstandslos.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Dezember 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Traub