9C_69/2023 25.01.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_69/2023
Urteil vom 25. Januar 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber,
Gerichtsschreiber Nabold.
Verfahrensbeteiligte
BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich, Rechtsdienst, Obstgartenstrasse 21, 8006 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,
A.________,
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. November 2022 (IV.2021.00643).
Sachverhalt:
A.
Der 1965 geborene A.________ war als Informatiker in einem 100 % Pensum an der Universität U.________ angestellt, als er sich am 6. Mai 2010 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug anmeldete. Die IV-Stelle des Kantons Zürich lehnte dieses Leistungsgesuch mit Verfügung vom 8. Oktober 2010 ab, da der Versicherte seit dem 10. Mai 2010 wieder voll in seiner bisherigen Tätigkeit arbeitete.
Ab dem 1. März 2016 reduzierte der Versicherte sein Pensum auf 90 %. In der Folge meldete er sich am 18. März 2019 wiederum bei der Invalidenversicherung an. Für die Zeit ab dem 15. April 2019 sprach die IV-Stelle ihm berufliche Massnahmen mit dem Ziel der Wiedereingliederung in die bisherige Tätigkeit zu; diese wurden am 7. Januar 2020 mit der Begründung abgeschlossen, der Versicherte könne seiner bisherige Tätigkeit zu ca. 50 % nachgehen. Allerdings wurde das Arbeitsverhältnis des Versicherten in der Folge auf den 28. Februar 2021 aufgelöst, und die BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich (nachstehend: BVK) sprach ihm ab dem 29. Januar 2021 ein Berufsinvalidenrente zu. Die IV-Stelle lehnte ihrerseits nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 4. Oktober 2021 ab.
B.
Die von der BVK hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Beiladung des Versicherten mit Urteil vom 22. November 2022 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die BVK, die Sache sei unter Aufhebung des kantonalen Urteils an die Beschwerdegegnerin zur Vornahme weiterer Abklärungen und anschliessender Neuverfügung zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten A.________ und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Rechtsprechungsgemäss ist eine Vorsorgeeinrichtung, welche der versicherten Person eine Invalidenrente auszurichten hat, auf Grund ihrer nachrangigen Leistungspflicht und der Kürzungsmöglichkeit nach Art. 24 BVV 2 durch den Rentenentscheid einer anderen Sozialversicherung berührt und damit legitimiert, diesen zu Gunsten der versicherten Person durch Beschwerde beim kantonalen Gericht anzufechten (BGE 134 V 153). Entsprechend ist auch die Legitimation der Vorsorgeeinrichtung für die Anfechtung eines solchen kantonalen Entscheides vor Bundesgericht zu bejahen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 und Art. 100 Abs. 1 BGG), weshalb auf die Beschwerde der BVK einzutreten ist.
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.2. Ein Mangel in der Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG liegt nicht bereits dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Eine Beweiswürdigung erweist sich erst dann als willkürlich, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen hat oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 144 II 281 E. 3.6.2).
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es die rentenablehnende Verfügung der IV-Stelle bestätigte.
4.
4.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die hier angefochtene Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar.
4.2. Im angefochtenen Urteil werde die rechtliche Grundlage für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 7 f. ATSG), die Annahme eines psychischen Gesundheitsschadens (BGE 141 V 281 E. 6) sowie zur Bedeutung und Beweiskraft medizinischer Unterlagen (BGE 125 V 256 E. 4) grundsätzlich zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
5.
5.1. Das kantonale Gericht hat in Würdigung der medizinischen Akten den Bericht der RAD-Ärztin, insbesondere jedoch gestützt auf die Stellungnahmen der Dr. med. B.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 16. März und vom 10. November 2020 für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass der Versicherte nicht an einem anspruchserheblichen Gesundheitsschaden litt. Vielmehr war die gut behandelbare Symptomatik deutlich psychosozial überlagert. Keine entscheiderhebliche Bedeutung mass die Vorinstanz demgegenüber dem Bericht des Dr. med. C.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. Juni 2021 zu; die von diesem Arzt gestellte Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sei von Dr. med. B.________ bereits im "Gutachten" vom 16. März 2020 diskutiert und ausgeschlossen worden.
5.2. Bei Dr. med. B.________, auf deren Stellungnahme das kantonale Gericht entscheidwesentlich abgestellt hat, handelt es sich um die Vertrauensärztin der beschwerdeführenden Vorsorgeeinrichtung. Ihren Stellungnahmen, die sie im Rahmen ihrer vertrauensärztlichen Tätigkeit abgegeben hat, kommt daher nicht der gleiche Beweiswert wie einem im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Administrativgutachten zu. Immerhin kann auf solche Berichte versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen rechtsprechungsgemäss (abschliessend) abgestellt werden, wenn keine auch nur geringen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Schlussfolgerungen bestehen (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.7), wobei solche Zweifel insbesondere durch abweichende Stellungnahmen anderer medizinischer Fachpersonen begründet werden können (vgl. Urteil 8C_224/2020 vom 13. Mai 2020 E. 4.3). Auch wenn der Bericht des Dr. med. C.________ vom 22. Juni 2021 nicht ausreicht, die Stellungnahme der Dr. med. B.________, es liege keine Persönlichkeitsstörung vor, zu widerlegen, so genügt er doch, um mindestens geringe Zweifel an der Richtigkeit der Schlussfolgerungen der Vertrauensärztin zu begründen. Diese Zweifel lassen sich auch nicht durch gerichtseigene Mutmassungen, welche Diagnose mehr zu überzeugen vermag, ausräumen. Vielmehr ist bei einer solchen Ausgangslage das Einholen eines Gerichtsgutachtens angezeigt. Entsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen, das kantonale Urteil ist aufzuheben und die Sache ist an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit dieses nach Einholen eines psychiatrischen Gerichtsgutachtens über den Versicherten über die Beschwerde der Vorsorgeeinrichtung neu entscheide. Dabei wird sich die psychiatrische Gutachtensperson auch mit dem Umstand auseinanderzusetzen haben, dass die Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit des Versicherten im November 2020 - auf die Dr. med. B.________ in ihrem letzten Bericht vom 10. November 2020 noch grosse Hoffnung gesetzt hatte - gescheitert ist, weshalb die beschwerdeführende Vorsorgeeinrichtung (nach eigenen Angaben nach Rücksprache mit Dr. med. B.________) dem Versicherten ab Januar 2021 eine Berufsinvalidenrente zugesprochen hat.
6.
Die Rückweisung der Sache zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten sowie der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (BGE 141 V 281 E. 11.1). Entsprechend sind die Gerichtskosten vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation hat die obsiegende Pensionskasse keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; BGE 128 V 124 E. 5b S. 133). Da sich der beigeladene Versicherte nicht vernehmen liess und ihm somit durch das bundesgerichtliche Verfahren kein Aufwand entstanden ist, ist auch ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. November 2022 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 25. Januar 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Nabold