7B_422/2024 29.05.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_422/2024
Urteil vom 29. Mai 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Regionalgericht Bern-Mittelland, Strafabteilung, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.
Gegenstand
Entsiegelung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts Bern, Gerichtspräsident, vom 19. Februar 2024 (KZM 24 113 BRB).
Sachverhalt:
A.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland führt ein Verfahren gegen Rechtsanwalt A.________ wegen Verfügungen über mit Beschlag belegte Vermögenswerte. Es forderte mit Verfügung vom 13. Dezember 2023 die Bank B.________ auf, diverse Unterlagen betreffend auf A.________ oder dessen Anwaltskanzlei lautende Kundenbeziehungen im Original bzw. in gut lesbarer Kopie einzureichen. Dabei verlangte das Regionalgericht u.a. sämtliche Kontoeröffnungsunterlagen inkl. allfällige spätere Mutationen, sämtliche Formulare A betreffend die wirtschaftlich Berechtigten, Unterschriftskarten sowie allfällig erteilte Vollmachten und Kontoauszüge aller geführten Rechnungen in CHF oder Fremdwährungen für die Zeit vom 1. Juni 2018 bis zum 31. Oktober 2020. Die Bank B.________ reichte die Unterlagen am 22. Dezember 2023 auf einer CD-ROM ein. A.________ beantragte am 10. Januar 2023 die Siegelung der edierten Unterlagen unter Berufung auf das Anwaltsgeheimnis.
B.
Am 17. Januar 2024 ersuchte das Regionalgericht beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern um Entsiegelung der edierten Unterlagen. Mit Entscheid vom 19. Februar 2024 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch gut und ordnete die Entsiegelung der CD-ROM mit den edierten Unterlagen der Bank B.________ an (Dispositiv-Ziffer 1.1). Das Zwangsmassnahmengericht beschloss, es werde die edierten Unterlagen ausdrucken und die Namen der ehemaligen Klienten von A.________ schwärzen, bevor die Unterlagen dem Regionalgericht zur Durchsuchung freigegeben würden (Dispositiv-Ziffer 1.2). Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens bleibe die CD-ROM beim Zwangsmassnahmengericht hinterlegt (Dispositiv-Ziffer 2).
C.
Gegen den Entsiegelungsentscheid vom 19. Februar 2024 gelangt A.________ mit Beschwerde vom 4. April 2024 an das Bundesgericht. Er beantragt zusammengefasst die Aufhebung des angefochtenen Entscheids bzw. die Abänderung der Dispositiv-Ziffern 1 und 2 dahingehend, dass das Entsiegelungsgesuch abzuweisen und der Datenträger mit den Kontodaten an ihn herauszugeben sei.
Das Zwangsmassnahmengericht beantragt mit Vernehmlassung vom 15. April 2024, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Das Regionalgericht verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entsiegelungsentscheid eines Zwangsmassnahmengerichts, gegen den die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht grundsätzlich offensteht (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 3 StPO). Zu prüfen ist, ob und inwieweit die weiteren gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 78 ff. BGG).
2.
2.1. Die Beschwerde in Strafsachen gegen Entsiegelungsentscheide der Zwangsmassnahmengerichte ist nur zulässig, wenn dem Betroffenen wegen eines Eingriffs in seine rechtlich geschützten Geheimnisinteressen ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO; BGE 143 I 241 E. 1 mit Hinweisen).
Nach der bundesgerichtlichen Praxis trifft den Inhaber von zu Durchsuchungszwecken sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen, der ein Siegelungsbegehren gestellt hat, die prozessuale Obliegenheit, die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen (im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO) spätestens im Entsiegelungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht ausreichend zu substanziieren. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nach, ist das Gericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen. Tangierte Geheimnisinteressen sind wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch sind diejenigen Aufzeichnungen und Dateien zu benennen, die dem Geheimnisschutz unterliegen. Dabei ist der Betroffene nicht gehalten, die angerufenen Geheimnisrechte bereits inhaltlich offenzulegen (BGE 142 IV 207 E. 7.1.5 und E. 11 mit Hinweisen). Pauschale Hinweise auf angebliche Privatgeheimnisse genügen nach ständiger Praxis des Bundesgerichts nicht zur Substanziierung von konkreten schutzwürdigen Geheimnisinteressen (Urteil 7B_222/2023 vom 31. Oktober 2023 E. 2.1 mit Hinweisen). Auch angerufene Berufsgeheimnisse (etwa das Anwaltsgeheimnis, vgl. Art. 264 Abs. 1 lit. a und lit. c-d) sind ausreichend zu substanziieren (vgl. Urteil 7B_87/2022 vom 18. Juli 2023 E. 3.1 mit Hinweisen).
2.2. Zum Sachurteilserfordernis des nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) bringt der Beschwerdeführer lediglich allgemein vor, er sei als Berufsgeheimnisträger zur Beschwerde legitimiert. Die Offenlegung eines Geheimnisses könne nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass ein nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehen könne. Die von der Vorinstanz geforderte Schwärzung der Klientendaten durch eine Drittperson sei mit dem Anwaltsgeheimnis nicht vereinbar. Das Anwaltsgeheimnis gelte gegenüber jedermann und sei zeitlich unbeschränkt. Damit vermag der Beschwerdeführer indessen nicht hinreichend substanziiert einen drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG aufzuzeigen.
Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, nimmt der Beschwerdeführer selber die Stellung der beschuldigten Person ein. Auch wenn er im Besitz eines Anwaltspatents ist, kann er sich in seiner Eigenschaft als beschuldigte Person nicht auf das Berufsgeheimnis berufen und für seine eigenen angeblichen Verfehlungen ein Privileg aufgrund desselben beanspruchen. Entgegen seiner Behauptung hat der Beschwerdeführer überdies weder im vorinstanzlichen Verfahren noch vor Bundesgericht substanziierte Angaben zum angeblich tangierten Berufsgeheimnis gemacht, welche eine Triage von konkreten anwaltlichen Unterlagen ermöglicht hätte. Dazu wäre er aber verpflichtet gewesen, seine pauschale Behauptung reicht jedenfalls nicht aus, um den erforderlichen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil aufzuzeigen (vgl. E. 2.1 hiervor).
Die Vorinstanz erwägt sodann in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 141 IV 77 E. 5.2 f.), dass sich die allfällig schutzwürdigen Geheimhaltungsrechte mitbetroffener (ehemaliger) Klienten des Beschwerdeführers im Entsiegelungsverfahren mittels Anonymisierung bzw. Schwärzung der Angaben, die das Regionalgericht im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht benötigt, angemessen wahren lassen. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers wird denn auch keine Drittperson mit der Schwärzung der Klientennamen beauftragt. Stattdessen lässt sich Dispositiv-Ziffer 1.2 des angefochtenen Entscheids entnehmen, dass die Unterlagen vom Zwangsmassnahmengericht selbst ausgedruckt und die Namen der ehemaligen Klienten des Beschwerdeführers von ihm geschwärzt werden. Damit wird das Anwaltsgeheimnis hinreichend gewahrt und die Rüge des Beschwerdeführers geht fehl. Dies gilt umso mehr, als die edierten Unterlagen gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen nur dazu dienen sollen, Beweis darüber zu führen, ob im angeklagten Deliktzeitraum gepfändete Vermögenswerte zur Verfügung standen.
Schutzwürdige Privatinteressen stehen einer Entsiegelung vorliegend soweit ersichtlich ebenfalls nicht entgegen. Die Beschwerdeschrift enthält diesbezüglich jedenfalls keine Vorbringen. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich den fehlenden Tatverdacht sowie die Unverhältnismässigkeit rügt, macht er mögliche Entsiegelungshindernisse geltend, kann aber dadurch das Drohen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ebenso wenig dartun, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Damit wird das von ihm gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
3.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist angesichts der Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regionalgericht Bern-Mittelland und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern, Gerichtspräsident, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Mai 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier