1C_517/2023 25.04.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_517/2023
Urteil vom 25. April 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag, Müller,
Gerichtsschreiberin Trutmann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn,
vertreten durch die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Abteilung Administrativmassnahmen,
Gurzelenstrasse 3, 4512 Bellach.
Gegenstand
Führerausweisentzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 21. August 2023 (VWBES.2022.323).
Sachverhalt:
A.
A.________ verursachte am 23. Juni 2022 mit seinem Lieferwagen auf der Autobahn A 1 in Fahrtrichtung Bern einen Auffahrunfall. Diesen Vorfall qualifizierte die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (MFK) als mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung und ordnete mit Verfügung vom 25. August 2022 den Entzug des Führerausweises von A.________ für die Dauer von vier Monaten an.
Mit Strafbefehl vom 29. September 2022 sprach die Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau A.________ wegen einer einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig und auferlegte ihm eine Busse von Fr. 500.00.
Eine von A.________ erhobene Beschwerde vom 4. September 2022 gegen den Führerausweisentzug wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 21. August 2023 ab.
B.
Mit Beschwerde vom 23. September 2023 gelangt A.________ an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie der Verfügung der MFK vom 25. August 2022 und die Gutheissung seiner Beschwerde vom 4. September 2022.
Das Verwaltungsgericht beantragt unter Verweisung auf die Begründung seines Urteils und die Akten die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Die MFK und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Im Rahmen einer Replik hält der Beschwerdeführer an den gestellten Anträgen und an seiner Begründung fest.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend einen Führerausweisentzug im Sinne von Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gemäss Art. 82 ff. BGG offen, zumal kein Ausschlussgrund im Sinne von Art. 83 BGG gegeben ist. Der Beschwerdeführer ist als Inhaber des Führerausweises und Adressat des angefochtenen Urteils zur Beschwerde befugt (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten. Sie erweist sich indes als offensichtlich unbegründet, sodass sie im Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägung abzuweisen ist.
1.2. Anfechtungsobjekt des vorliegenden Verfahrens bildet einzig das Urteil des Verwaltungsgerichts. Dieses ersetzt die Verfügung der MFK (BGE 149 II 1 E. 4.7; 136 II 539 E. 1.2; je mit Hinweis). Soweit der Beschwerdeführer auch die Aufhebung der Verfügung der MFK vom 25. August 2022 verlangt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Immerhin gelten Entscheide unterer Instanzen als inhaltlich mitangefochten (Urteile 1C_168/2022 vom 23. Oktober 2023 E. 1.2; 2C_434/2023 vom 28. September 2023 E. 1.5 mit Hinweis).
2.
2.1. Die Vorinstanz erwog, dass der dem Strafbefehl vom 29. September 2022 zugrunde liegende Sachverhalt für ihre rechtliche Beurteilung verbindlich sei. Vorliegend habe der Beschwerdeführer seine Einsprache gegen den Strafbefehl zurückgezogen.
Weiter erwog die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe als Lenker eines Lieferwagens seine Aufmerksamkeit auf der Autobahn A 1 vom vorausfahrenden Verkehr abgewandt und sei dann mit dem vorausfahrenden Personenwagen kollidiert, nachdem dessen Lenker das Fahrzeug abgebremst habe; Verletzte habe es keine gegeben. Dem Beschwerdeführer sei anzulasten, dass er durch seine Unaufmerksamkeit eine konkrete Gefahr für sich und den Unfallgegner verursacht habe. Zudem habe auch eine abstrakte Gefahr bestanden, dass weitere Verkehrsteilnehmende in einen Folgeunfall verwickelt würden. Ohne die pflichtwidrige Unaufmerksamkeit des Beschwerdeführers hätte der Unfall ohne Weiteres vermieden werden können, selbst wenn eine durch Sonneneinstrahlung hervorgerufene Blendung eine weitere Mitursache gewesen wäre. Für die Annahme eines leichten Falles fehle es vorliegend bereits an der Geringfügigkeit der Gefährdung. Damit liege eine mittelschwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG vor. In Anbetracht dessen könne offenbleiben, ob das Verschulden als gering oder schwer einzustufen sei.
2.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, überzeugt nicht.
2.2.1. Die Voraussetzungen, unter denen die Administrativbehörden an die Sachverhaltsfeststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls gebunden sind, hat die Vorinstanz in E. 4 des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt (vgl. BGE 139 II 95 E. 3.2 mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Vorliegend zog der Beschwerdeführer seine Einsprache gegen den Strafbefehl am 19. April 2023 zurück; dass er seine Meinung mittlerweile geändert hat und rückblickend auf einen Rückzug der Einsprache verzichten würde, ist nicht relevant. Rechtserhebliche Gründe, vom durch die Vorinstanz gemäss Strafbefehl vom 29. September 2022 festgestellten Sachverhalt abzuweichen, sind jedenfalls weder ersichtlich noch geltend gemacht (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG). Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) rügt, ist er ebenfalls nicht zu hören. Die Vorinstanz hat sich im angefochtenen Urteil mit seinen Stellungnahmen auseinandergesetzt. Dass sie im Ergebnis nicht seiner Auffassung gefolgt ist, begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
2.2.2. Das angefochtene Urteil erweist sich auch im Hinblick auf die rechtliche Würdigung des Vorfalls vom 23. Juni 2022 als bundesrechtskonform. Unter Verweisung auf die Rechtsprechung erwägt die Vorinstanz in E. 4, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht an die Würdigung des Sachverhalts im Strafbefehl gebunden ist (BGE 124 II 103 E. 1c/bb mit Hinweis; Urteil 1C_536/2022 vom 25. Juli 2023 E. 3.2). Zudem legt das Verwaltungsgericht das gesetzliche System der Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne der Art. 16a-c SVG zutreffend dar. Weiter erwägt es in E. 5.3, dass eine mittelschwere Verkehrsregelverletzung immer dann greift, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung gegeben sind (BGE 135 II 138 E. 2.2.2 mit Hinweis; Urteile 1C_610/2022 vom 14. August 2023 E. 5.2; 1C_536/2022 vom 25. Juli 2023 E. 4.1.1). Die Vorinstanz führt sodann in E. 5.4 aus, der Lenker oder die Lenkerin müsse das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass den Vorsichtspflichten nachgekommen und auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig angehalten werden kann (Art. 31 Abs. 1 SVG; Art. 12 Abs. 1 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]). Das vom Beschwerdeführer dagegen vorgebrachte Argument, es entspreche nicht der täglichen Praxis, dass man sein Fahrzeug immer anhalten könne, ist unbehelflich. Mit dem pauschalen Verweis auf das Auftreten von Blitzeis, Aquaplaning und dergleichen zeigt er zudem nicht auf, dass zum Unfallzeitpunkt eine solche Gefahr auf dem von ihm befahrenen Autobahnabschnitt bestanden hat.
2.2.3. Vorliegend qualifizierte die MFK den Auffahrunfall als mittelschwere Verkehrsregelverletzung und entzog den Führerausweis in Anwendung von Art. 16b Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 2 lit. b SVG für die Mindestdauer von vier Monaten. Im genannten Strafbefehl wurde der Beschwerdeführer wegen einer einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig gesprochen. Die Sanktionen im Strafverfahren und die verwaltungsrechtlichen Sanktionen verfügen über unterschiedliche Abstufungen. Dass die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl nicht von einer qualifizierten, d.h. groben, Verletzung der Verkehrsregeln ausgegangen ist, hindert - wie hiervor dargelegt (E. 2.2.2) - die MFK nicht, im Administrativverfahren einen mittelschweren Verkehrsregelverstoss anzunehmen (Urteil 1C_311/2021 vom 16. März 2022 E. 4.3 mit Hinweis). Die entsprechende Kritik des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet.
2.3.
2.3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich sodann gegen die Dauer des Führerausweisentzugs von vier Monaten. Er macht unter anderem geltend, er sei aus beruflichen Gründen auf den Führerausweis angewiesen. Eine Beschränkung der Fahrerlaubnis sei zumindest auf den privaten Bereich zu begrenzen.
2.3.2. Es ist erstellt, dass der Führerausweis des Beschwerdeführers wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung, begangen am 15. Juni 2021, bereits für die Dauer von einem Monat entzogen wurde. Mit dem Auffahrunfall vom 23. Juni 2022 liegt - innerhalb der Zweijahresfrist von Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG - eine weitere mittelschwere Widerhandlung vor. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, beträgt die Mindestentzugsdauer somit vier Monate (Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG); diese darf gemäss Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG nicht unterschritten werden. Den Gerichten ist es daher grundsätzlich verwehrt, bei besonderen Umständen, namentlich wenn ein Lenker bzw. eine Lenkerin aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist, eine Unterschreitung der Mindestentzugsdauer zuzulassen (BGE 135 II 334 E. 2.2; 132 II 234 E. 2.3; Urteil 1C_478/2022 vom 13. März 2023 E. 3.2). Dass die Vorinstanz in E. 7.3 fälschlicherweise ausführte, der Beschwerdeführer habe selber verlangt, die Mindestentzugsdauer sei nicht zu unterschreiten (anstelle von überschreiten), ändert an diesem Ergebnis nichts.
3.
Nach dem Dargelegten ist die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG offensichtlich unbegründete Beschwerde im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. April 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Die Gerichtsschreiberin: Trutmann