7B_537/2023 24.05.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_537/2023
Urteil vom 24. Mai 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiberin Lustenberger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dieter Roth,
Beschwerdeführerin,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Mehrfache Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz; mehrfache Widerhandlung gegen das Waldgesetz,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 6. Dezember 2022 (SST.2022.82).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg erliess am 26. Februar 2018 gegen A.________ einen Strafbefehl und legte ihr darin eine Vielzahl von Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) zur Last. Nachdem A.________ gegen diesen Strafbefehl Einsprache erhoben hatte, überwies die Staatsanwaltschaft die Akten zur Durchführung des Hauptverfahrens an das Bezirksgericht Rheinfelden. Mit Zusatzklagen vom 17. Februar 2020, 27. Juli 2020 und 3. September 2020 warf die Staatsanwaltschaft A.________ diverse weitere Widerhandlungen gegen das TSchG vor.
A.b. Das Bezirksgericht Rheinfelden befand A.________ am 11. Oktober 2021 wie folgt für schuldig:
- der mehrfachen Widerhandlung gegen das TSchG gemäss dessen Art. 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 1 TSchG, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 16 Abs. 1 der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV; SR 455.1) sowie Art. 7 Abs. 1 der Verordnung des BLV über die Haltung von Nutztieren und Haustieren vom 27. August 2008 (SR 455.110.1; mehrfache Tierquälerei durch Unterlassen der Befreiung des verfangenen Ziegenbocks im Flexi-Netz und Unterlassung der nötigen Pflegehandlungen einer gesundheitlich beeinträchtigten Ziege);
- der mehrfachen Widerhandlungen gegen das TSchG gemäss dessen Art. 28 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 4 Abs. 1 TSchG und Art. 7 Abs. 1 und 3 lit. c TSchV (Halten von Tieren in nicht entweichungssicherem Gehege und Halten von Tieren in Gehegen mit Gegenständen, welche Verletzungsgefahr darstellen);
- der mehrfachen Widerhandlungen gegen das Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 (WaG; SR 921.0) gemäss dessen Art. 16 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 4 i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 36 des Waldgesetzes des Kantons Aargau vom 1. Juli 1997 (AWaG/AG; SAR 931.100; unzulässige nachteilige Nutzung des Waldes);
- der mehrfachen Widerhandlungen gegen Art. 28 Abs. 3 TSchG (mehrfacher Verstoss gegen eine Verfügung des Veterinäramtes).
Es bestrafte sie - als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 4. Juni 2019 - mit einer bedingten Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je Fr. 80.-- (total Fr. 8'800.--) bei einer Probezeit von drei Jahren sowie mit einer Busse von Fr. 7'000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 87 Tage).
B.
Gegen dieses Urteil erhob A.________ Berufung. Daraufhin erkannte das Obergericht des Kantons Aargau am 6. Dezember 2022, dass das erstinstanzliche Urteil insoweit in Rechtskraft erwachsen war, als das Verfahren hinsichtlich einzelner Anklagevorwürfe zufolge Verjährung eingestellt worden war. Weiter sprach es sie in Bezug auf einzelne Sachverhalte von den Anklagevorwürfen frei. Dagegen erklärte es A.________ der mehrfachen Tierquälerei (Unterlassen der Befreiung des verfangenen Ziegenbocks im Flexi-Netz), der mehrfachen Widerhandlung gegen das TSchG (Halten von Tieren in nicht entweichungssicherem Gehege, Halten von Tieren in Gehegen mit Gegenständen, welche Verletzungsgefahr darstellen sowie mehrfacher Verstoss gegen eine Verfügung des Veterinäramtes) und der mehrfachen Widerhandlung gegen das WaG (unzulässige nachteilige Nutzung des Waldes) schuldig. Es verurteilte A.________, ebenfalls in Bildung einer Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts aus dem Jahr 2019, zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je Fr. 80.-- (total Fr. 3'200.--) bei einer Probezeit von drei Jahren und zu einer Busse von Fr. 2'800.--, ersatzweise 35 Tage Freiheitsstrafe.
C.
A.________ gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil vom 6. Dezember 2022 sei aufzuheben und sie sei in allen Punkten von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihr ausserdem die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
Die Akten des kantonalen Verfahrens wurden wie beantragt eingeholt. Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet, womit der prozessuale Antrag der Beschwerdeführerin um Gewährung des Replikrechts gegenstandslos ist.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde mit Verfügung vom 6. März 2023 mangels finanzieller Bedürftigkeit abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Anfechtungsobjekt bildet ein Endentscheid in Strafsachen einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Berufung hin geurteilt hat (Art. 80 und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Beschuldigte zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG) und hat die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Insoweit erfüllt ihre Eingabe die Eintretensvoraussetzungen einer Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG.
2.
2.1. Zusammengefasst hält die Vorinstanz fest, der Ziegenbock der Beschwerdeführerin habe sich am 27. August 2017 und am 30. August 2017 im Flexi-Netz verfangen, wodurch er einem erhöhten Stresslevel ausgesetzt worden sei. Der Beschwerdeführerin sei in diesem Zusammenhang der Vorwurf zu machen, dass sie den Mangel am Gehege, der das Wohlbefinden des Ziegenbocks massiv eingeschränkt habe, entgegen der Vorgabe von Art. 5 Abs. 1 TSchV eventualvorsätzlich nicht behoben habe. Damit habe sie den Tatbestand der mehrfachen Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG erfüllt.
2.2. Weiter habe die Beschwerdeführerin gegen Art. 7 Abs. 1 lit. a TSchV verstossen, indem am 30. August 2017 auf den Weiden der Ziegen und Tiere der Rindergattung unter anderem Stücke von Maschendrahtzaun mit vielen losen, teilweise weit abstehenden Drähten herumgelegen seien. Von diesen herumliegenden Gegenständen sei eine erhebliche Verletzungsgefahr für die Tiere ausgegangen. Die Beschwerdeführerin habe es vorsätzlich unterlassen, die Gegenstände zu entfernen und sich somit gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. a TSchG strafbar gemacht.
2.3. Nach Art. 28 Abs. 1 lit. a TSchG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c TSchV habe sich die Beschwerdeführerin laut Vorinstanz wiederholt strafbar gemacht, weil sie ihre Tiere nicht in entweichungssicheren Gehegen gehalten habe. So seien ihre Ziegen, Rinder und Kühe in der Zeit von August 2017 bis August 2020 aufgrund pflichtwidriger Unvorsichtigkeit diverse Male durch den ungenügend gesicherten Zaun entkommen.
2.4. Nebst dem sei der Beschwerdeführerin eine eventualvorsätzliche nachteilige Nutzung des Waldes (Art. 16 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 4 WaG i.V.m. § 13 Abs. 1 AWaG/AG) vorzuwerfen, da sich die aus der Weide entwichenen Ziegen teilweise im unmittelbar angrenzenden Wald aufgehalten und dort Jungpflanzen und die Krautschicht gefressen hätten.
2.5. Schliesslich sei die Beschwerdeführerin mit Verfügung des Veterinäramts vom 6. Mai 2013 unter Androhung einer Busse angewiesen worden, ihre Hündin B.________ ausbruchssicher unterzubringen, so dass sie nicht auf öffentlich zugängliches Gelände entweichen kann, und sie im öffentlich zugänglichen Raum an einer Leine zu führen. Mit Verfügung vom 9. März 2015 sei sie zudem, ebenfalls unter Bussenandrohung, verpflichtet worden, die Umzäunung der Rinder, Schweine und Ziegen so einzurichten, dass keine Tiere mehr entweichen können. Gegen beide Verfügungen habe die Beschwerdeführerin mehrfach verstossen und sich somit der wiederholten Widerhandlung im Sinne von Art. 28 Abs. 3 TSchG schuldig gemacht.
3.
3.1. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 205 E. 2.6, 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen).
3.2. Soweit die Beschwerdeführerin einen vollumfänglichen Freispruch beantragt, genügt ihre Eingabe diesen Anforderungen offensichtlich nicht. Sie beschränkt sich darauf, ihre bereits der Vorinstanz vorgetragenen Argumente zu wiederholen, dies über weite Teile in einer Eins-zu-eins-Abschrift ihrer schriftlichen Berufungsbegründung (Akten Vorinstanz pag. 94 ff.). Ihre Argumente - insbesondere jenes, wonach ihr Nachbar eine "böswillige Kampagne" gegen sie führe - werden von der Vorinstanz denn auch widerlegt, ohne dass sich die Beschwerdeführerin auch nur ansatzweise mit den vorinstanzlichen Überlegungen befassen würde. Derartige Kritik erweist sich vor Bundesgericht als unzulässig, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
4.
4.1. Im Zusammenhang mit der Strafzumessung macht die Beschwerdeführerin sodann geltend, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von einer Tagessatzhöhe von Fr. 80.-- aus.
Auch hier ist ihre Begründung jedoch ungenügend, besteht diese doch einzig in der Behauptung, sie sei prozessual bedürftig, ohne dass eine Auseinandersetzung mit der vorinstanzlichen Bemessung der Tagessatzhöhe erfolgen würde. Auch in diesem Punkt ist somit nicht auf die Beschwerde einzutreten.
4.2. Ergänzend bringt die Beschwerdeführerin vor, die Schuldsprüche gründeten in Sachverhalten, die mehrheitlich mehr als fünf Jahre zurücklägen. Die Strafe sei deshalb gemäss Art. 48 lit. e StGB zu mildern.
Gemäss Art. 48 lit. e StGB mildert das Gericht die Strafe, wenn das Strafbedürfnis in Anbetracht der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und die Täterin sich in dieser Zeit wohl verhalten hat. Art. 48 lit. e StGB gelangt nach der Rechtsprechung zur Anwendung, wenn zwei Drittel der Verjährungsfrist verstrichen sind und die Täterin sich in dieser Zeit wohl verhalten hat (BGE 140 IV 145 E. 3.1; Urteil 6B_1186/2022 vom 12. Juli 2023 E. 5.3, nicht publ. in: BGE 149 IV 395).
Die zweite dieser Voraussetzungen ist vorliegend eindeutig nicht erfüllt, sah sich doch die Staatsanwaltschaft gezwungen, während laufendem Verfahren mittels dreier Zusatzanklagen diverse weitere Sachverhalte anzuklagen, welche zu einem grossen Teil in Schuldsprüchen mündeten. Von einem Wohlverhalten der Beschwerdeführerin kann somit keine Rede sein, weshalb auch keine Strafmilderung nach Art. 48 lit. e StGB angezeigt ist. Eine Berechnung der unterschiedlichen Verjährungsfristen erübrigt sich damit.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf angesichts ihres überwiegend appellatorischen Charakters überhaupt einzutreten ist. Damit wird die Beschwerdeführerin nach Art. 66 Abs. 1 BGG kostenpflichtig, wobei dem verhältnismässig geringen Aufwand bei der Festlegung der Kosten Rechnung getragen wird (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Mai 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger