8C_26/2024 02.07.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_26/2024
Urteil vom 2. Juli 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Wüest.
Verfahrensbeteiligte
Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden, Ringstrasse 10, 7001 Chur,
Beschwerdeführer,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Kumschick,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 28. November 2023 (S 22 120).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________, geb. 1973, trat per 15. August 2021 eine Stelle als Internatsleiter am Gymnasium und Internat U.________ (nachfolgend: Arbeitgeber) an. Nachdem der Arbeitgeber die Probezeit mit Schreiben vom 10. Februar 2022 wegen Konflikten innerhalb des Internatsteams um zwei Monate verlängert hatte, wurde A.________ am 12. März 2022 per Ende Mai 2022 mit der Begründung gekündigt, dass das Internatsteam unter seiner Führung nicht mehr als funktionsfähig erachtet werde. Mit Schreiben vom 14. März 2022 an den Arbeitgeber machte A.________ die Missbräuchlichkeit der Kündigung geltend und erhob gegen diese vorsorglich Einsprache im Sinne von Art. 336b OR.
A.b. Der Arbeitgeber und A.________ schlossen am 8. bzw. 16. April 2022 einen aussergerichtlichen Vergleich ab. Es wurde u.a. vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis per 31. Mai 2022 aufgelöst werde. Der Arbeitgeber bezahle A.________ den Betrag von Fr. 45'000.-. Die Auszahlung erfolge als "Pönale/Entschädigung für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 336a OR (Genugtuung) ". Im Weiteren wurde festgehalten, dass diese Entschädigung nicht zum massgebenden Lohn gehöre und daher nicht einer Sozialversicherungspflicht unterstehe.
A.c. A.________ meldete sich am 13. Mai 2022 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juni 2022 an. Mit Verfügung vom 1. Juli 2022 verneinte das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden (KIGA) einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für den Zeitraum vom 1. Juni 2022 bis 31. Oktober 2022. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vergleichsweise zugestandene Geldleistung sei im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausgerichtet worden, weshalb für die Dauer des fehlenden Arbeitsausfalls/Lohnausfalls kein Anspruch bestehe. Daran hielt das KIGA mit Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2022 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil vom 28. November 2023 gut, soweit es darauf eintrat. Es hob den Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2022 auf und stellte die Anspruchsberechtigung von A.________ für Taggeldleistungen für die Monate Juni bis Oktober 2022 fest.
C.
Das KIGA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 28. November 2023 sei aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht und A.________ beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerdeschrift hat unter anderem ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich diese grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung bzw. Rückweisung des angefochtenen Urteils zu beantragen. Grundsätzlich ist ein materieller Antrag erforderlich, damit die Beschwerde zulässig ist, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2; 134 III 379 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1: siehe allerdings auch BGE 133 II 409 E. 1.4.1). Rechtsbegehren sind nach Treu und Glauben auszulegen, insbesondere im Lichte der dazu gegebenen Begründung (BGE 123 IV 125 E. 1; Urteil 9C_344/2020 vom 22. Februar 2021 E. 1.2). Es genügt, wenn der Beschwerde insgesamt entnommen werden kann, was die beschwerdeführende Person verlangt (Urteil 9C_8/2022 vom 6. März 2023 E. 1.1 mit Hinweisen).
1.2. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Beschwerdeschrift lediglich, das kantonale Urteil sei aufzuheben. Dieser rein kassatorische Antrag genügt grundsätzlich nicht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerdebegründung ergibt sich jedoch, dass sich die Beschwerde gegen den von der Vorinstanz dem Beschwerdegegner zugesprochenen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Monate Juni bis Oktober 2022 richtet und damit die Bestätigung des Einspracheentscheids vom 5. Oktober 2022 verlangt wird. Dieses Begehren ist zulässig, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
3.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie entgegen dem Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2022 einen Anspruch des Beschwerdegegners auf Arbeitslosenentschädigung für die Monate Juni bis Oktober 2022 bejahte.
4.
Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt u.a. voraus, dass die versicherte Person ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 8 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 10 AVIG [SR 837.0]) und einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 AVIG). Der Arbeitsausfall ist gemäss Art. 11 Abs. 1 AVIG anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert. Ein Arbeitsausfall, für den dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder Entschädigungsansprüche wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses zustehen, ist nicht anrechenbar (Art. 11 Abs. 3 AVIG).
Der Arbeitsausfall ist überdies so lange nicht anrechenbar, als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers den durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Verdienstausfall decken (Art. 11a Abs. 1 AVIG) und den Höchstbetrag gemäss Art. 3 Abs. 2 AVIG übersteigen (Art. 11a Abs. 2 AVIG). Als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers bei der Auflösung des privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses gelten sämtliche Leistungen, die nicht Lohn- oder Entschädigungsansprüche nach Art. 11 Abs. 3 AVIG darstellen (Art. 10a AVIV [SR 837.02]).
Bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen führen sodann gemäss Art. 10h Abs. 1 AVIV über das tatsächliche und rechtliche Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus erbrachte Leistungen des Arbeitgebers ebenfalls zumindest so lange zu einem Ausschluss der Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalls, wie dieses Entgelt den Einkommensverlust bis zum ursprünglich frühestmöglichen gesetzlichen oder vertraglichen Vertragsende entschädigt. Übersteigen die Leistungen des Arbeitgebers den Betrag des der versicherten Person bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschuldeten Lohnes, so sind die Bestimmungen über die freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers nach Art. 11a AVIG anwendbar (Art. 10h Abs. 2 AVIV; BGE 141 V 426 E. 3; Urteil 8C_94/2020 vom 9. Juli 2020 E. 4).
5.
5.1. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, der Beschwerdegegner habe seine Stelle als Internatsleiter am Gymnasium und Internat U.________ per 15. August 2021 angetreten. Im Anstellungsvertrag vom 19. Februar 2021 sei eine sechsmonatige Probezeit festgehalten worden. Damit sei eine längere als die gesetzlich zulässige Probezeit von maximal drei Monaten vereinbart worden, was unzulässig sei und zur Teilnichtigkeit führe. Somit habe die Probezeit bereits Mitte November 2021 geendet, weshalb eine Verlängerung der Probezeit nicht mehr möglich gewesen sei. Dem Beschwerdegegner sei mit Schreiben vom 12. März 2022 per Ende Mai 2022 gekündigt worden. Der Anstellungsvertrag habe eine sechsmonatige Kündigungsfrist auf das Ende eines Semesters vorgesehen. In der Folge hätten sich der Arbeitgeber und der Beschwerdegegner im Rahmen eines aussergerichtlichen Vergleichs vom 8. bzw. 16. April 2022 darauf geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis per 31. Mai 2022 aufgelöst werde und der Arbeitgeber dem Beschwerdegegner vergleichsweise die Summe von Fr. 45'000.- bezahle. Es sei festgehalten worden, dass die Auszahlung als Pönale/ Entschädigung für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 336a OR (Genugtuung) erfolge. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich beim ausbezahlten Betrag in der Höhe von Fr. 45'000.- um Lohn- bzw. Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG handle. Unter den Begriff der Lohnansprüche falle der Lohn bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist (Art. 335c OR). Unter Entschädigungsansprüche bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses fielen Ansprüche gestützt auf Art. 337b und Art. 337c Abs. 1 OR und somit Ansprüche infolge fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Eine solche liege im konkreten Fall nicht vor. Ausserdem habe zum Zeitpunkt des Vergleichs klar die Thematik der Missbräuchlichkeit der Kündigung im Raum gestanden. Entsprechend sei im Vergleich in Ziffer 6 explizit auf Art. 336a OR verwiesen worden. Der Beschwerdegegner habe die gegen ihn ausgesprochene Kündigung bereits zuvor als missbräuchlich erachtet, weshalb er dagegen Mitte März 2022 vorsorglich Einsprache gemäss Art. 336b OR erhoben habe. Zudem bestreite der Beschwerdeführer nicht, dass der Arbeitgeber ihm gegenüber bestätigt habe, dass die Auszahlung als Pönale/ Entschädigung im Sinne von Art. 336a OR (Genugtuung) zu verstehen sei. Abgesehen davon sei in Ziffer 3 des Vergleichs ausdrücklich bestätigt worden, dass der Beschwerdegegner auf Lohnzahlungen für die Zeit nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses verzichte. Unter Würdigung der gesamten Umstände ergebe sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass es sich beim ausbezahlten Betrag von Fr. 45'000.- nicht um einen Lohn- bzw. Entschädigungsanspruch im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG handle.
5.2. Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie erwogen habe, dass es sich beim ausbezahlten Betrag von Fr. 45'000.- gemäss Vereinbarung vom 8. bzw. 16. April 2022 nicht um einen Lohn- bzw. Entschädigungsanspruch im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG handle. Es könne kein ernsthafter Zweifel bestehen, dass die Parteien im erwähnten Vergleich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart hätten. Unabhängig von den vorausgegangenen Diskussionen um die allfällige Rechtmässigkeit oder Missbräuchlichkeit der Kündigung vom 12. März 2022 habe der Beschwerdegegner auf die Kündigungsschutzvorschriften nach Art. 336c OR verzichtet. Bei der Sperrfristenregelung nach Art. 336c OR handle es sich um eine relativ zwingende Bestimmung. Solche Bestimmungen dürften nur zu Gunsten der arbeitnehmenden Person abgeändert werden. Die arbeitnehmende Person könne gemäss Art. 341 OR während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung auf Forderungen, die sich aus zwingenden und relativ zwigenden Vorschriften des OR oder auch aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten. Verzichte auf Kündigungsschutzregeln des OR seien nur zulässig, wenn diese durch zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers reichlich kompensiert würden. Mit dem Betrag von Fr. 45'000.- sei im vorliegenden Fall der Verzicht auf den Kündigungsschutz angemessen entschädigt worden, weshalb Art. 11 Abs. 3 AVIG zur Anwendung gelange. Im Weiteren rügt der Beschwerdeführer, das kantonale Gericht habe mit der Formulierung im Dispositiv, wonach der Beschwerdegegner für die Monate Juni bis Oktober 2022 einen Anspruch auf Taggeldleistungen habe, darüber befunden, dass dieser im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht sanktioniert werde, wofür es nicht zuständig sei. Die Kasse habe darüber noch nicht verfügt gehabt.
6.
6.1. Der Inhalt eines Vertrags ist durch Auslegung zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel der Willkür geprüft werden kann und - da eine Tatfrage bzw. die Sachverhaltsfeststellung betreffend - vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG (vorstehende E. 1.2) der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist (BGE 135 III 410 E. 3.2; vgl. dazu auch BGE 140 III 86 E. 4.1; 138 III 659 E. 4.2.1; 126 III 375 E. 2e/aa; Urteile 8C_641/2022 vom 3. Februar 2023 E. 4.1; 4A_296/2022 vom 22. August 2022 E. 3.2). Steht der Vertragsinhalt fest, ist in einem zweiten Schritt gestützt auf der Grundlage des festgestellten Vertragsinhalts die Vereinbarung rechtlich einzuordnen. Diese rechtliche Qualifikation des Vertrages ist Rechtsfrage (BGE 143 II 297 E. 6.4.1; 131 III 217 E. 3; 129 III 664 E. 3.1; Urteil 8C_641/2022 vom 3. Februar 2023 E. 4.1).
6.2. Das kantonale Gericht berücksichtigte im Rahmen seiner Beweiswürdigung insbesondere, dass gemäss Ziffer 6 der Vereinbarung die Bezahlung der Summe von Fr. 45'000.- als "Pönale" bzw. als Entschädigung im Sinne von Art. 336a OR (Genugtuung) erfolgt sei. Ferner trug es dem Umstand Rechnung, dass zum Zeitpunkt des Vergleichs klar die Thematik der Missbräuchlichkeit der Kündigung im Raum gestanden und der Beschwerdegegner die gegen ihn ausgesprochene Kündigung als missbräuchlich erachtet habe. Deshalb habe er Mitte März 2022 dagegen vorsorglich Einsprache gemäss Art. 336b OR erhoben und einen aussergerichtlichen Einigungsversuch vorgeschlagen. Die Vorinstanz verwies zudem zu Recht auf Ziffer 3 des Vergleichs, wonach der Beschwerdegegner auf Lohnzahlungen für die Zeit nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verzichtet habe. Sie berücksichtigte in diesem Zusammenhang auch die vom Beschwerdegegner verfassten Schreiben über die Arbeitssituation und kam zum Schluss, es sei keineswegs lebensfremd anzunehmen, der Arbeitgeber habe anlässlich der geführten Vergleichsgespräche eingesehen, dass im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht alles ganz korrekt abgelaufen sei und er sich deshalb dazu bereit erklärt habe, dem Beschwerdegegner eine Genugtuung für die erlittene seelische Unbill zu bezahlen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in Ziffer 6 der Vereinbarung ausgeführt wird, die Entschädigung gehöre nicht zum massgebenden Lohn und unterstehe daher nicht einer Sozialversicherungspflicht.
Die Vorinstanz kam nach sorgfältiger Würdigung all dieser Umstände zum überzeugenden Schluss, es habe dem Willen der Vergleichsparteien entsprochen, aufgrund des Vorgefallenen zum einen das Arbeitsverhältnis per Ende Mai 2022 zu beenden und zum anderen dem Beschwerdegegner eine Genugtuung auszubezahlen. Sie qualifizierte deshalb den in der Vereinbarung vom 8. bzw. 16. April 2022 festgelegten Betrag von Fr. 45'000.- als eine Entschädigung für die missbräuchliche Kündigung gemäss Art. 336a OR. Damit erteilte sie der Beurteilung des Beschwerdeführers eine Absage, wonach es sich beim vereinbarten Betrag um einen Lohn- bzw. Entschädigungsanspruch im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG handle.
6.3. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz sowie deren Beweiswürdigung willkürlich sein sollen. Vielmehr gibt der Beschwerdeführer lediglich die eigene Sichtweise wieder, wofür der Betrag von Fr. 45'000.- ausbezahlt worden sein soll, was für die Annahme von Willkür nicht genügt. Im Übrigen ist eine Beweiswürdigung nicht bereits dann offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (zum Begriff der Willkür: BGE 144 II 281 E. 3.6.2), wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn der Entscheid - im Ergebnis - offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 144 V 50 E. 4.2; 141 V 385 E. 4.4; SVR 2021 IV Nr. 75 S. 253, 9C_608/2020; Urteil 8C_249/2023 vom 6. Oktober 2023 E. 3.2.2.2), was hier nach dem Gesagten nicht der Fall ist. Ferner ist in Bezug auf die rechtliche Würdigung der Entschädigung eine Bundesrechtswidrigkeit weder dargetan noch ersichtlich. Es erweist sich daher nicht als bundesrechtswidrig, wenn das kantonale Gericht den erwähnten Betrag in rechtlicher Hinsicht als Entschädigung im Sinne von Art. 336a OR qualifiziert hat.
6.4. Eine Entschädigung nach Art. 336a OR stellt nicht massgebenden Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG dar, da sie ausschliesslich der Strafe und Prävention dient (BGE 123 V 11 E. 5; ARV 2010 Nr. 13 S. 293 E. 3.1, 8C_787/2009). Sie kann gemäss Rechtsprechung folglich auch nicht Entschädigungsanspruch im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG sein (Urteil C 72/04 vom 17. August 2004 E. 2.2; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2317, Rz. 175). Dass der Betrag rechtsmissbräuchlich als Entschädigung gemäss Art. 336a OR festgesetzt worden wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
7.
7.1. Unbehelflich sind ferner die Vorbringen mit Bezug auf Art. 341 Abs. 1 OR. Nach dieser Bestimmung kann der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten. Diese Bestimmung will den sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befindlichen, sozial schwächeren Arbeitnehmer davor schützen, dass er während oder kurz nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses aus Furcht vor nachteiligen Folgen Verzichtserklärungen abgibt. Das Verzichtsverbot nach Art. 341 OR erfasst Ansprüche aus zwingendem Recht (Urteil 8C_94/2020 vom 9. Juli 2020 E. 6.2 mit Hinweisen). Die relative Unverzichtbarkeit dieser Vorschriften verbietet jedoch nicht, das Arbeitsverhältnis jederzeit durch den Abschluss eines auf übereinstimmenden und mängelfreien Willenserklärungen beruhenden Aufhebungsvertrags aufzulösen, sofern eine solche Vereinbarung nicht zu einer klaren Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes führt. Mit anderen Worten müssen beide Parteien auf Rechte verzichten, so dass es sich um einen echten Vergleich mit gegenseitigem Nachgeben handelt, der nicht nur dem Arbeitgeber Vorteile bringt (BGE 119 II 449 E. 2a; 118 II 58 E. 2a; 115 V 437 E. 4b; Urteile 8C_176/2022 vom 21. September 2022 E. 5.1.1 und 5.1.2; 8C_94/2020 vom 9. Juli 2020 E. 6.2; je mit Hinweisen). Der Unterschied zwischen einem verbotenen (einseitigen) Verzicht und einem zulässigen Vergleichsverzicht besteht darin, dass beim Vergleich beide Parteien auf Ansprüche von ungefähr gleichem Wert verzichten und so zu einer angemessenen Lösung gelangen. Dabei kann es sich auch um Ansprüche handeln, die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses unsicher sind. Erforderlich ist, dass der Vergleich unter den konkreten tatsächlichen und rechtlichen Umständen zur Zeit seines Abschlusses als angebracht erscheint (Urteil 4A_25/2014 vom 7. April 2014 E. 6.2).
7.2. Inwiefern der Beschwerdegegner unzulässigerweise auf den Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR verzichtet haben soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Der Beschwerdegegner legte in seiner Vernehmlassung ausführlich dar, welche Vorteile die Aufhebungsvereinbarung ihm brachte. Auch der Beschwerdeführer bestreitet im Grundsatz nicht, dass die am 8. bzw. 16. April 2022 zwischen dem Beschwerdegegner und seinem ehemaligen Arbeitgeber abgeschlossene Vereinbarung rechtsgültig ist. Er qualifiziert lediglich die vereinbarte Entschädigung anders als die Vorinstanz, womit er indessen nicht durchdringt (vgl. E. 6.3 hiervor).
7.3. Da, wie oben gezeigt, die Leistung von Fr. 45'000.- als Genugtuung im Zusammenhang mit der geltend gemachten missbräuchlichen Kündigung stand, kann dieser Betrag nicht als Entschädigungsanspruch nach Art. 11 Abs. 3 AVIG betrachtet werden (vgl. auch AVIG-Praxis ALE des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO] Rz. C212).
7.4. Ob die vom Beschwerdegegner und seinem ehemaligen Arbeitgeber abgeschlossene Vereinbarung allenfalls eine Sanktion im Sinne einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung (vgl. Art. 30 AVIG; vgl. auch BGE 112 V 323 E. 2b; Urteile 8C_99/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 4.2; 8C_10/2019 vom 13. Februar 2020 E. 4.1; C 135/02 vom 10. Februar 2003 E. 1.3.1; C 276/99 vom 11. Juni 2001 E. 1.3.2; C 276/99 vom 11. Juni 2001 E. 1.3.3; C 135/02 vom 10. Februar 2003 E. 1.3.2; C 276/99 vom 11. Juni 2001 E. 1.3.3; C 76/00 vom 10. Mai 2001 E. 2a; BORIS RUBIN, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, 2014, Nr. 45 zu Art. 30 AVIG; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Band XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2517 N. 84) nach sich ziehen könnte, ist derweil nicht Anfechtungs- und Streitgegenstand. Folglich ist auf die Vorbringen des Beschwerdegegners betreffend Dauer der Probezeit und der Kündigungsfrist nicht weiter einzugehen.
7.5. Mit Verfügung vom 1. Juli 2022, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2022, wurde ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung des Beschwerdegegners einzig mit der Begründung abgelehnt, im Zeitraum vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 2022 habe kein anrechenbarer Lohnausfall bestanden. Über die übrigen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Art. 8 AVIG) wurde nicht befunden. Die Vorinstanz hiess die Beschwerde des (heutigen) Beschwerdegegners gut und stellte im Dispositiv des angefochtenen Urteils die Anspruchsberechtigung desselben für Taggeldleistungen für die Monate Juni bis Oktober 2022 fest. Sie setzte sich dabei einzig mit der Anspruchsvoraussetzung des anrechenbaren Arbeitsausfalls (Art. 8 Abs. 1 lit. b und Art. 11 AVIG) auseinander. Zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen äusserte sie sich nicht. Das Dispositiv des angefochtenen Urteils kann deshalb nur so verstanden werden, dass ein anrechenbarer Arbeits- resp. Verdienstausfall - entgegen dem Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse - zu bejahen ist und letztere nach Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung neu zu befinden habe. Hinsichtlich der Frage, ob ein Einstellungstatbestand gegeben ist, ist folglich nichts präjudiziert.
8.
Zusammenfassend ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.
9.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Urteil 8C_31/2007 vom 25. September 2007 E. 4.5, nicht publ. in: BGE 133 V 640). Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Juli 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Der Gerichtsschreiber: Wüest