2C_646/2023 19.08.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_646/2023
Urteil vom 19. August 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichterin Hänni,
Bundesrichter Kradolfer,
Gerichtsschreiber Kaufmann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Guido Ehrler,
gegen
Amt für Bevölkerungsdienste des Kantons Bern
(ABEV), Migrationsdienst,
Ostermundigenstrasse 99B, 3006 Bern,
Kantonales Zwangsmassnahmengericht des
Kantons Bern, Amthaus Bern,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.
Gegenstand
Dublin-Ausschaffungshaft,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Einzelrichter, vom 17. Oktober 2023 (100.2023.191U).
Sachverhalt:
A.
Der afghanische Staatsangehörige A.________ (geboren 2004) ersuchte am 3. Juli 2022 in der Schweiz um Asyl. Abklärungen des Staatssekretariats für Migration (SEM) ergaben, dass er bereits in Bulgarien, Österreich und Deutschland je ein Asylgesuch gestellt hatte. Am 19. September 2022 entsprachen die bulgarischen Behörden einem Ersuchen des SEM um Rückübernahme von A.________, woraufhin das SEM mit Verfügung vom 3. Oktober 2022 auf sein Asylgesuch nicht eintrat, ihn aus der Schweiz wegwies und den Kanton Bern mit dem Vollzug der Wegweisung beauftragte. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 3. November 2022 ab.
Am 13. April 2023 ordnete das Amt für Bevölkerungsdienste des Kantons Bern (ABEV), Migrationsdienst, zwecks Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs an, dass A.________ für die Dauer von höchstens sechs Wochen in Ausschaffungshaft gemäss dem Dublin-Verfahren (Art. 76a AIG) zu nehmen sei. Die Eröffnung der Haftanordnung und die Inhaftierung erfolgten am 1. Mai 2023. Mit Gesuch vom 2. Mai 2023 ersuchte A.________ das SEM um Wiedererwägung des Nichteintretensentscheids vom 3. Oktober 2022. Am 3. Mai 2023 wurde er nach Bulgarien überstellt.
B.
Mit Eingabe vom 7. Juni 2023 beantragte A.________ beim Kantonalen Zwangsmassnahmengericht in Bern die gerichtliche Überprüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Dublin-Haft. Mit Entscheid vom 5. Juli 2023 trat das Kantonale Zwangsmassnahmengericht auf den Antrag nicht ein. Dieser Entscheid wurde durch das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 17. Oktober 2023 bestätigt.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. November 2023 beantragt A.________ die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 17. Oktober 2023 und die Rückweisung der Angelegenheit an das Kantonale Zwangsmassnahmengericht. Dieses sei anzuweisen, auf den Haftüberprüfungsantrag vom 7. Juni 2023 einzutreten. Zur Regelung der Kostenfolgen sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht A.________ das Bundesgericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und -verbeiständung.
Der Migrationsdienst und das Kantonale Zwangsmassnahmengericht verzichten auf eine Vernehmlassung. Das SEM hat sich nicht vernehmen lassen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat mit Schreiben vom 29. November 2023 eine Vernehmlassung eingereicht. Es beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 18. Januar 2024 repliziert.
Auf die Einholung eines Kostenvorschusses wurde verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit der bei ihm erhobenen Rechtsmittel von Amtes wegen und frei (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3 mit Hinweis; 147 II 300 E. 1; Urteil 2C_78/2024 vom 1. Mai 2024 E. 2.1).
1.2. Gegen kantonal letztinstanzliche Entscheide betreffend Dublin-Haft ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; Urteil 2C_562/2023 vom 7. November 2023 E. 1.2). Bei der Anordnung von Dublin-Haft handelt es sich praxisgemäss nicht um einen Entscheid "auf dem Gebiet des Asyls" im Sinn von Art. 83 lit. d BGG (BGE 142 I 135 E. 1.1.2 f.; Urteil 2C_610/2021 vom 11. März 2022 E. 1.1 [nicht publ. in: BGE 148 II 169]). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht somit offen.
1.3. Die Vorinstanz bestätigte das Nichteintreten des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts auf das Haftüberprüfungsgesuch des Beschwerdeführers. Dieser hat damit rechtsprechungsgemäss ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, damit sein Gesuch materiell beurteilt werde (vgl. BGE 135 II 145 E. 3.1 f. mit Hinweisen; Urteil 2C_574/2023 vom 8. März 2024 E. 1.1). Zudem ist er als Adressat des vorinstanzlichen Urteils durch dieses besonders berührt. Der Beschwerdeführer ist daher im Sinn von Art. 89 Abs. 1 BGG zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert.
1.4. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 42 Abs. 1 und 2, Art. 86 Abs. 2, Art. 90 sowie Art. 100 Abs. 1 BGG), ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" heisst "willkürlich" (Art. 9 BV; BGE 148 V 366 E. 3.3 mit Hinweisen). Entsprechende Mängel sind in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufzuzeigen (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweisen).
3.
Strittig ist vorliegend, ob die Vorinstanz den Nichteintretensentscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts vom 5. Juli 2023 betreffend die Ausschaffungshaft des Beschwerdeführers im Rahmen des Dublin-Verfahrens zu Recht schützte. Die Vorinstanz begründete das angefochtene Urteil im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft erst 36 Tage nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Haftanordnung durch seinen Rechtsvertreter und damit offensichtlich nicht rechtzeitig gestellt habe (vgl. E. 4.6 des angefochtenen Urteils). Art. 80a Abs. 3 (Satz 2) AIG verschaffe grundsätzlich nur inhaftierten Personen einen Anspruch darauf, "jederzeit" einen Antrag auf gerichtliche Haftüberprüfung zu stellen. Da die Dublin-Haft des Beschwerdeführers von sehr kurzer Dauer war, sei zwar nicht streng auf den Zeitpunkt der Haftbeendigung abzustellen; es biete sich jedoch an, die zehntägige Frist gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. a des bernischen Einführungsgesetzes zum Ausländer- und Integrationsgesetz sowie zum Asylgesetz (EG AIG und AsylG) analog anzuwenden (vgl. E. 3 des angefochtenen Urteils). Sodann sei davon auszugehen, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers - wiewohl ihm die dem Beschwerdeführer am 1. Mai 2023 eröffnete Haftanordnung des Migrationsdiensts vom 13. April 2023 nicht zugestellt worden war und diese damit an einem Eröffnungsmangel litt - spätestens am 2. Mai 2023 von der Haftanordnung und Inhaftierung wusste (vgl. E. 4.1-4.5 des angefochtenen Urteils).
4.
Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss, die Vorinstanz sei in rechtsverletzender Weise davon ausgegangen, dass der Eröffnungsmangel der Haftanordnung geheilt worden sei. Die Vorinstanz habe aus der Eingabe seines Rechtsvertreters an das SEM vom 2. Mai 2023 nicht schliessen dürfen, dieser habe an jenem Tag Kenntnis der Inhaftierung gehabt. Willkürfrei wäre vielmehr festzustellen gewesen, dass der Rechtsvertreter erst anlässlich der Aktenzustellung vom 1. Juni 2023 von der Haftanordnung Kenntnis erlangte.
4.1. Es ist unbestritten, dass die Haftanordnung des Migrationsdiensts vom 13. April 2023 am 1. Mai 2023 lediglich dem Beschwerdeführer und nicht (auch) seinem Rechtsvertreter eröffnet wurde. Unbestritten ist ferner, dass der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten war und die Haftanordnung also seinem Rechtsvertreter zu eröffnen gewesen wäre (vgl. Art. 44 Abs. 4 des Gesetzes des Kantons Bern über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG/BE] i.V.m. Art. 137 ZPO). Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, litt die Eröffnung der Haftanordnung deshalb an einem Mangel, aus welchem dem Beschwerdeführer kein Rechtsnachteil erwachsen durfte (vgl. E. 4.3 f. des angefochtenen Urteils).
4.2. Die Regel, wonach den Parteien aus der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung oder eines Entscheids kein Nachteil erwachsen darf, konkretisiert den u.a. in Art. 9 BV verankerten Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verfahrensgarantien gemäss Art. 29 Abs. 1 und 2 BV. Es handelt sich bei ihr nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung um einen allgemeinen Grundsatz des öffentlichen Verfahrensrechts (vgl. BGE 145 IV 259 E. 1.4.4; 144 II 401 E. 3.1; 124 I 255 E. 1a/aa; Urteile 9C_624/2022 vom 15. März 2023 E. 3.3; 2C_1038/2017 vom 18. Juli 2018 E. 5.3.1), dessen behauptete Verletzung das Bundesgericht frei prüft (vgl. Urteil 1C_5/2019 vom 12. Juni 2019 E. 4.2; MARKUS SCHOTT, in: Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 48 zu Art. 95 BGG). Eine Berufung auf diesen Grundsatz setzt voraus, dass die betroffene Person den Eröffnungsmangel nicht erkannte und bei gebührender Aufmerksamkeit auch nicht hätte erkennen können (BGE 138 I 49 E. 8.3.2; Urteile 2C_901/2017 vom 9. August 2019 E. 2.2.4; 2C_712/2018 vom 21. März 2019 E. 3.1) sowie dass sie durch ihn tatsächlich einen Nachteil erlitt. Ob die betroffene Person durch den Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch benachteiligt worden ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Richtschnur bildet auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben, an welchem die Berufung auf Formmängel in jedem Fall ihre Grenze findet (BGE 144 II 401 E. 3.1; Urteile 2C_756/2019 vom 14. Mai 2020 E. 3.1; 2C_901/2017 vom 9. August 2019 E. 2.2.4). Mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn eine Verfügung wegen mangelhafter Eröffnung jederzeit angefochten werden könnte; vielmehr muss eine solche Verfügung innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage gestellt werden (BGE 111 V 149 E. 4c; Urteile 8C_98/2022 vom 6. April 2022 E. 5.3.1; 2C_901/2017 vom 9. August 2019 E. 2.2.4).
4.3. Die Anfechtungsfrist gemäss der dargelegten Rechtsprechung beginnt bei irrtümlicher Eröffnung einer Verfügung an die vertretene Partei statt an ihre Vertretung frühestens im Zeitpunkt zu laufen, in dem die Partei oder ihre Vertretung vom Eröffnungsmangel Kenntnis hatte oder bei gebotener Sorgfalt hätte haben müssen und spätestens mit der nachträglichen, ordnungsgemässen Zustellung der Verfügung an die Vertretung (vgl. Urteil 9C_791/2010 vom 10. November 2010 E. 4; RES NYFFENEGGER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2. Aufl. 2019, N. 30 zu Art. 11 VwVG; UHLMANN / SCHILLING-SCHWANK, Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 2023, N. 12 zu Art. 38 VwVG). Entscheidend ist, dass dem Rechtsvertreter die Begründung einer Verfügung im eigentlichen Wortlaut solange nicht zugänglich ist, als er diese nicht in Händen hält oder halten könnte. Erst ab diesem Zeitpunkt vermag er deren volle Tragweite abzuschätzen. Eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist, welche als auf den Eröffnungsmangel zurückzuführender Nachteil zu werten wäre, braucht sich der Rechtsvertreter nach Treu und Glauben nicht gefallen zu lassen (Urteil 9C_791/2010 vom 10. November 2010 E. 4.2; vgl. zum Ganzen auch Urteil 2C_278/2022 vom 7. April 2022 E. 2.2 mit Hinweis).
4.4. Rechtsprechungsgemäss obliegt der Beweis der Tatsache sowie des Zeitpunkts der Zustellung von Verfügungen der Verwaltung; diese trägt hierfür mithin die (objektive) Beweislast. Wird die Tatsache oder das Datum der Zustellung uneingeschriebener Sendungen bestritten, muss daher im Zweifel auf die Darstellung des Empfängers abgestellt werden (BGE 124 V 400 E. 2a; Urteile 9C_551/2022 vom 4. März 2024 E. 5.3.1; 2C_179/2021 vom 25. Oktober 2021 E. 4.6; vgl. auch BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl. 2015, S. 378). Wird eine an eine vertretene Partei adressierte Verfügung nicht (auch) der Rechtsvertretung eröffnet, gilt diese Beweisregel sinngemäss (Urteil 9C_791/2010 vom 10. November 2010 E. 4.1). Stellt sich die verfügende Behörde auf den Standpunkt, die Verfügung sei dem Rechtsvertreter früher zugegangen oder zugänglich gewesen als von ihm vorgebracht, muss sie dies folglich belegen können.
4.5. Die Vorinstanz ging zum einen davon aus, der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe am 2. Mai 2023 effektiv Kenntnis der Haftanordnung gehabt. Zum anderen wirft das kantonale Gericht dem Rechtsvertreter vor, er hätte den Eröffnungsmangel am 2. Mai 2023 erkennen müssen (vgl. E. 4.5 des angefochtenen Urteils). In einem ersten Schritt ist auf die - bestrittene - effektive Kenntnis einzugehen und zu prüfen, ob die Vorinstanz aus dem Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 schliessen durfte, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers von der Haftanordnung des Migrationsdiensts vom 13. April 2023 bzw. von der am 1. Mai 2023 erfolgten Inhaftnahme seines Klienten bereits am 2. Mai 2023 und nicht erst - wie er geltend macht - am 1. Juni 2023 (Zustellung der Fallakten seitens des Migrationsdiensts) unterrichtet war.
4.5.1. Mit dem Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem SEM im Namen seines Klienten die Aufhebung der Nichteintretensverfügung vom 3. Oktober 2022, das Eintreten auf das Asylgesuch vom 3. Juli 2022, die Feststellung, dass die Wegweisung des Beschwerdeführers nach Bulgarien dessen Rechte verletzt, sowie die Anweisung des Migrationsdiensts, von der für den 3. Mai 2023 vorgesehenen Ausschaffung des Beschwerdeführers nach Bulgarien Abstand zu nehmen. Zur Begründung des Gesuchs führte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in dessen Namen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien Opfer von Folter geworden sei, was durch neue Beweismittel belegt werden könne, und an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, wegen welcher er seit Ende Dezember 2023 (recte: 2022) durch die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) am Standort Waldau stationär behandelt werde. Seine Abschiebung nach Bulgarien sei für ihn nicht zumutbar, da das stabilisierende Umfeld der UPD Waldau verloren ginge, was eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands zur Folge hätte. Zudem habe es der Migrationsdienst trotz entsprechender Aufforderung versäumt, ihm - dem Rechtsvertreter - das Flugdatum mitzuteilen, und sei dem Sozialdienst der UPD seitens der UPD-Leitung ausdrücklich verboten worden, ihm vor dem 1. Mai 2023 mitzuteilen, dass der Wegweisungsvollzug unmittelbar bevorstehe. Da der 1. Mai in Basel ein Feiertag sei, hätten die Behörden das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu seiner (in Basel ansässigen) Rechtsvertretung vereitelt und ihm die Einreichung einer wirksamen Beschwerde verunmöglicht.
4.5.2. Die Vorinstanz erwog, aus dem Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 sei ersichtlich, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wusste, dass der Wegweisungsvollzug für den 3. Mai 2023 vorgesehen war. Da weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter über das Datum der Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien informiert worden waren, sei davon auszugehen, dass der Rechtsvertreter von der Inhaftierung des Beschwerdeführers erfahren hatte und dass das Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 in Kenntnis derselben bzw. der Haftanordnung und ihrer mangelhaften Eröffnung gestellt worden sei. Mit Blick auf die Frage, ob das am 7. Juni 2023 beim Kantonalen Zwangsmassnahmengericht gestellte Haftüberprüfungsgesuch nach Art. 80a Abs. 3 AIG rechtzeitig eingereicht wurde, sei daher auf den 2. Mai 2023 abzustellen (vgl. E. 4.5 des angefochtenen Urteils).
4.5.3. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die Vorinstanz gebe dem Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 einen Inhalt, den es nicht habe, was willkürlich sei. Aus dem besagten Gesuch könne willkürfrei einzig der Schluss gezogen werden, dass dem Rechtsvertreter am 2. Mai 2023 bekannt war, dass die Ausschaffung seines Klienten kurz bevorstand. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass der Rechtsvertreter am 2. Mai 2023 wusste, welche ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen gegen seinen Klienten ergriffen wurden. Hiervon könne umso weniger ausgegangen werden, als das in Art. 29 der Zwangsanwendungsverordnung (ZAV; SR 364.3) vorgeschriebene Vorbereitungsgespräch bei Rückführungen auf dem Luftweg nicht durchgeführt worden sei.
4.5.4. Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die am 1. Mai 2023 erfolgte Inhaftnahme seines Klienten am 2. Mai 2023 bekannt gewesen sei, weil er an diesem Tag wusste, dass dessen Überstellung nach Bulgarien für den Folgetag vorgesehen war, hält der Rechtskontrolle nicht stand: Dem Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dieses in Kenntnis der am 13. April 2023 angeordneten und am 1. Mai 2023 in Vollzug gesetzten Ausschaffungshaft gestellt wurde. Gegenstand des Gesuchsschreibens ist einzig die unmittelbar bevorstehende Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien, dessen Gesundheitszustand sowie die aus Sicht des Beschwerdeführers problematische (Nicht-) Kommunikation der Behörden mit seinem Rechtsvertreter (vgl. E. 4.5.1 hiervor). Dass sich der Beschwerdeführer in Haft befindet, wird weder in den Anträgen noch in der Begründung des Gesuchs erwähnt, geschweige denn thematisiert. Dementsprechend enthält das Schreiben vom 2. Mai 2023 weder die Wörter "Haft" bzw. "Haftanordnung" oder "Zwangsmassnahme (n) " noch sonst irgendwelche Formulierungen, die darauf hindeuten, dass der Verfasser von der Inhaftierung seines Klienten wusste. Nicht erkennbar ist sodann auch, inwiefern dem Schreiben ein Sinn beigemessen werden könnte, der diesen Schluss zuliesse, hatte dieses doch ausschliesslich zum Ziel, die Ausschaffung des Beschwerdeführers aus der Schweiz zu verhindern.
4.5.5. Nach dem Gesagten durfte die Vorinstanz nicht davon ausgehen, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 2. Mai 2023 von der Inhaftierung seines Klienten effektiv Kenntnis hatte. Um dies nachzuweisen, reicht nach dem in der E. 4.4 hiervor zur Beweislastverteilung Erwogenen das Wiedererwägungsgesuch vom 2. Mai 2023 eindeutig nicht aus.
Die Vorinstanz nimmt in der E. 4.6 des angefochtenen Urteils auf ein Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2023 Bezug, in welchem dieser dem Migrationsdienst im Namen seines Klienten beantragte, die Völkerrechtswidrigkeit von dessen Wegweisung festzustellen. In dieser Eingabe wird erwähnt, dass der Beschwerdeführer am 1. Mai 2023 von der behandelnden Station der Klinik Waldau auf die forensische Abteilung verlegt "und dort festgesetzt" worden sei. Dass dem Rechtsvertreter am 15. Mai 2023 bekannt war, dass und weshalb sein Klient am 1. Mai 2023 in Dublin-Haft versetzt worden war, vermag indes auch die Eingabe vom 15. Mai 2023 nicht zu belegen.
4.6. Hinsichtlich der nach Treu und Glauben zu beurteilenden Frage der Erkennbarkeit des Eröffnungsmangels für den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (vgl. E. 4.5 hiervor) ist festzuhalten, dass jenem gemäss Schreiben des Migrationsdiensts vom 26. Mai 2023 die Inhaftierung seines Klienten und das Datum des Flugs nach Bulgarien aus polizeitaktischen Gründen verschwiegen wurden. Ob dieses Vorgehen verfassungs- bzw. konventionskonform war, ist vorliegend zwar nicht zu prüfen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Urteil des EGMR Beuze gegen Belgien vom 9. November 2018 [71409/10] § 132 ff.); nachdem ihm zentrale Informationen über die Modalitäten der Überstellung seines Klienten nach Bulgarien und namentlich die Tatsache von dessen Inhaftnahme sowie die Haftgründe gezielt vorenthalten wurden, kann dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aber jedenfalls nicht entgegengehalten werden, er hätte von der Inhaftierung seines Klienten wissen müssen.
4.7. Die Annahme der Vorinstanz, dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dessen Inhaftierung vor dem 1. Juni 2023 effektiv bekannt gewesen sei bzw. vor dem 1. Juni 2023 hätte bekannt sein müssen, verletzt nach dem Gesagten den Grundsatz von Treu und Glauben sowie Art. 29 Abs. 1 und 2 BV. Die Vorinstanz wäre somit gehalten gewesen, auf die Sachverhaltsschilderung des Rechtsvertreters abzustellen. Die am 1. Mai 2023 direkt dem Beschwerdeführer eröffnete (und sogleich vollzogene) Haftanordnung lag dem Rechtsvertreter gemäss dessen unwiderlegbaren Angaben erstmals am 1. Juni 2023 vor, nachdem ihn der Migrationsdienst mit Postaufgabe vom 30. Mai 2023 mit den Verfahrensakten bedient hatte. Für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer seine Inhaftierung rechtzeitig beim Kantonalen Zwangsmassnahmengericht angefochten hat, ist folglich der 1. Juni 2023 massgeblich.
4.8. Wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Haftanordnung vom 13. April 2023 erst am 1. Juni 2023 eröffnet, begann die zehntägige Frist gemäss dem von der Vorinstanz als sinngemäss anwendbar erachteten Art. 31 Abs. 3 lit. a EG AIG und AsylG am 2. Juni 2023 zu laufen und endete am 12. Juni 2023 (vgl. Art. 41 Abs. 1 und 2 VRPG/BE). Mit der Eingabe vom 7. Juni 2023 wurde diese Frist gewahrt, weshalb das Kantonale Zwangsmassnahmengericht auf den Haftüberprüfungsantrag des Beschwerdeführers hätte eintreten müssen.
Die Beschwerde erweist sich damit als begründet. Die Sache ist zu neuem Entscheid an das Kantonale Zwangsmassnahmengericht zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG), auf dass dieses über die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der vorliegend strittigen Dublin-Haft befinde. Auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers (namentlich Verletzung von Art. 80a Abs. 3 AIG, Art. 5 Ziff. 2 EMRK und Art. 31 Abs. 4 BV) einzugehen, erübrigt sich. Es kann daher insbesondere dahingestellt bleiben, ob die durch die Vorinstanz mittels analoger Anwendung von Art. 31 Abs. 3 lit. a EG AIG und AsylG herbeigeführte zeitliche Beschränkung des in Art. 80a Abs. 3 AIG statuierten Anspruchs inhaftierter Personen auf jederzeitige Haftüberprüfung (vgl. E. 3.7 des angefochtenen Urteils) zulässig war oder nicht. Da der Eröffnungsmangel der Haftanordnung nicht geheilt wurde, erweist sich eine Rückweisung der Sache aufgrund der formellen Natur des verletzten Verfahrensrechts, d.h. ungeachtet der Begründetheit der materiellen Vorbringen des Beschwerdeführers, als sachgerecht (vgl. zur formellen Natur der Verfahrensrechte am [Haupt-]Beispiel des Anspruchs auf rechtliches Gehör statt vieler BGE 148 IV 22 E. 5.5.2; 142 II 218 E. 2.8.1; Urteil 2C_910/2022 vom 8. Januar 2024 E. 3.3.2).
5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BGG). Der Kanton Bern hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Das mit der vorliegenden Beschwerde gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung wird damit gegenstandslos. Die Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens wird das Verwaltungsgericht des Kantons Bern neu zu regeln haben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 17. Oktober 2023 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Kantonale Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern zurückgewiesen.
2.
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Der Kanton Bern hat Advokat Guido Ehrler für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 19. August 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: M. Kaufmann