2C_267/2024 19.07.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_267/2024
Urteil vom 19. Juli 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hänni, Ryter,
Gerichtsschreiber Quinto.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
gegen
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau.
Gegenstand
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 19. April 2024 (WBE.2024.24).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (geb. 1995), kosovarischer Staatsangehöriger, reiste am 27. April 2020 mit einer gefälschten italienischen Identitätskarte in die Schweiz ein und erhielt aufgrund eines vorgelegten Arbeitsvertrages zunächst eine Kurzaufenthaltsbewilligung EU/EFTA und am 10. Mai 2022 eine bis zum 31. Mai 2027 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA.
1.2. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die italienische Identitätskarte gefälscht ist, widerrief das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau (Migrationsamt) nach Gewährung des rechtlichen Gehörs mit Verfügung vom 22. August 2023 die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.________ und wies ihn unter Ansetzung einer 60-tägigen Ausreisefrist aus der Schweiz und dem Schengenraum weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel erwiesen sich als erfolglos (Einspracheentscheid Rechtsdienst Migrationsamt vom 19. Dezember 2023; Urteil Verwaltungsgericht des Kantons Aargau vom 19. April 2024).
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 27. Mai 2024 beantragt A.________ (Beschwerdeführer) die Gutheissung der vorliegenden Beschwerde. Das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung sei nicht zu widerrufen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht der Beschwerdeführer um Erteilung der aufschiebenden Wirkung.
Mit Verfügung vom 28. Mai 2024 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Auf einen Schriftenwechsel wurde verzichtet.
2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Ungeachtet der Frage, ob ein Anspruch auf eine Bewilligung besteht, steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Widerruf einer Bewilligung zur Verfügung, die im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch Rechtswirkung zeitigte, wenn sie nicht widerrufen worden wäre (Urteile 2C_391/2019 vom 19. August 2019 E. 2; 2C_128/2015 vom 25. August 2015 E. 1). Dies ist vorliegend der Fall, weil der Beschwerdeführer am 10. Mai 2022 eine bis zum 31. Mai 2027 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zur Erwerbstätigkeit erhalten hat (Gültigkeitsdauer von fünf Jahren, vgl. Art. 6 Abs. 1 Anhang I des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681]). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht somit offen. Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten (Art. 42, Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG).
3.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5; 133 II 249 E. 1.4.1). Der Verletzung von Grundrechten geht das Bundesgericht nur nach, falls eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit; BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG).
4.
4.1. Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer als kosovarischer Staatsangehöriger nicht auf das FZA berufen kann. Er hat die Bewilligungsvoraussetzungen nie erfüllt und seine zu Unrecht erteilte Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA kann nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung über den freien Personenverkehr vom 22. Mai 2022 (VPF; SR 142.203) widerrufen werden, wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat (vgl. E. 1.1 angefochtenes Urteil; Urteile 2C_391/2019 vom 19. August 2019 E. 2; 2C_96/2012 vom 18. September 2012 E. 2.2.2). Der Beschwerdeführer anerkennt denn auch, dass ein Widerrufsgrund gegeben ist (vgl. Ziff. 4 Beschwerde).
4.2. Der Beschwerdeführer rügt jedoch, das angefochtene Urteil verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 Abs. 1 AIG). Er macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe die Verhältnismässigkeit des Bewilligungswiderrufs ungenügend geprüft. Vorliegend würde sein privates Interesse am Verbleib in der Schweiz das entgegenstehende, öffentliche Interesse an seiner Wegweisung überwiegen.
Eine Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens) macht der Beschwerdeführer, der sich erst seit vier Jahren in der Schweiz aufhält und hier über keine Familienangehörigen verfügt, zu Recht nicht geltend.
4.3. Die Vorinstanz hat in zutreffender Weise die bundesgerichtliche Rechtsprechung wiedergegeben, wonach einem auf Täuschung beruhenden Aufenthalt nicht besonders Rechnung zu tragen ist (vgl. E. 2.2.3 angefochtenes Urteil mit Verweis auf Urteile 2C_391/2019 vom 19. August 2019 E. 3.2.2; 2C_234/2017 vom 11. September 2017 E. 7.1). Im Weiteren hat sie erwogen, auch wenn der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben ursprünglich in der Schweiz geboren worden sei, sei er überwiegend im Kosovo aufgewachsen. Nach seinem nunmehr rund vierjährigen Aufenthalt in der Schweiz sei er nicht über die üblichen Erwartungen hinaus in der Schweiz integriert und seiner kosovorischen Heimat nicht derart entfremdet, dass ihm eine Rückkehr dorthin nicht mehr zumutbar sei. Vielmehr habe er im Kosovo seine prägenden Jugendjahre verbracht und ausserdem würden seine Ehefrau und seine beiden Kinder im Kosovo leben. Der Bewilligungswiderruf sei deshalb verhältnismässig (vgl. E. 2.2.3 angefochtenes Urteil).
4.4. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht: Soweit er geltend macht, er halte sich nun wiederum seit rund vier Jahren in der Schweiz auf, sei hier arbeitstätig, spreche Deutsch und sei voll integriert, weshalb das öffentliche Interesse am Bewilligungswiderruf gering sei, ist (wie bereits durch die Vorinstanz) darauf hinzuweisen, dass sein Aufenthalt in der Schweiz seit seiner Einreise mit einer gefälschten italienischen Identitätskarte auf einer Täuschung der Behörden beruht. Ein solcher Aufenthalt und die Aufenthaltsdauer sind deshalb erheblich zu relativieren (vgl. diesbezüglich aus der neueren Rechtsprechung Urteile 2C_482/2022 vom 29. September 2023 E. 5.7; 2C_357/2022 vom 30. August 2022 E. 4.5.1; 2C_860/2020 vom 23. Februar 2021 E. 6.3). Einer guten Integration in der Schweiz kommt bei der Verhältnismässigkeitsprüfung nur geringes Gewicht zu, wenn sich der Ausländer dank einem Aufenthaltstitel in der Schweiz integrieren konnte, den er durch Täuschung der Behörden erworben hat. Andernfalls würde das täuschende Verhalten belohnt, was nicht angeht und worin ebenfalls ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung liegt (vgl. Urteil 2C_357/2022 vom 30. August 2022 E. 4.5.1 f. mit Hinweisen). Als kosovarischer Staatsangehöriger bzw. als Drittstaatenangehöriger hatte und hat der Beschwerdeführer nämlich keinen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz.
Ausserdem stellt im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung die Steuerung und Kontrolle der Zuwanderung sowie die Erhaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen der schweizerischen und der ausländischen Wohnbevölkerung ein weiteres öffentliches Interesse zugunsten des Widerrufs der Aufenthaltsbewilligung dar (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.7; Urteile 2C_432/2023 vom 8. April 2024 E. 4.3; 2C_357/2022 vom 30. August 2022 E. 4.5.1; 2C_692/2021 vom 23. Mai 2022 E. 4.3). Entgegen dem Beschwerdeführer überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse am Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und der Wegweisung das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz und dessen Aufenthaltsbeendigung und Wegweisung ist verhältnismässig.
4.5. Zusammenfassend erweist sich die vorinstanzliche Verhältnismässigkeitsprüfung und damit auch das angefochtene Urteil als bundesrechtskonform.
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als offensichtlich unbegründet im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. Der Eventualantrag auf Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zwecks neuem Entscheid in der Sache ist aufgrund der vorstehenden Erwägungen ebenfalls abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 19. Juli 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: C. Quinto