2C_384/2024 21.08.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_384/2024
Urteil vom 21. August 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann,
gegen
Amt für Migration und Integration des
Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau.
Gegenstand
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 10. Juni 2024
(WBE.2023.208).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (geb. 1994), von Kosovo, heiratete am 17. August 2015 in seiner Heimat eine italienische Staatsangehörige. 2018 kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt. Die Ehefrau reiste am 29. März 2019 mit ihrer Tochter in die Schweiz ein, wo sie eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erhielt. Am 16. April 2019 stellte sie ein Gesuch um Familiennachzug für A.________. Am 15. September 2019 reiste auch A.________ in die Schweiz ein und erhielt zunächst eine Kurzaufenthaltsbewilligung EU/EFTA, die am 12. November 2019 in eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA mit Gültigkeit bis 30. September 2024 umgewandelt wurde.
Gemäss einer Zuzugsmeldung der Einwohnerdienste der Gemeinde U.________ vom 12. Januar 2022 war A.________ ab dem 1. Januar 2022 an einer neuen und anderen Adresse als seine Ehefrau wohnhaft. Mit Schreiben vom 8. März 2022 stellte das Amt für Migration und Integration Kanton Aargau (nachfolgend: Migrationsamt) A.________ den Widerruf seiner Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und die Wegweisung aus der Schweiz in Aussicht und räumte ihm diesbezüglich das rechtliche Gehör ein. A.________ machte davon mit Eingabe vom 29. Juli 2022 Gebrauch.
Mit Schreiben vom 11. August 2022 informierte das Migrationsamt A.________ über die im Juni 2022 erfolgte Abmeldung seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter aus der Schweiz. Im Rahmen des ihm auch hierzu eingeräumten rechtlichen Gehörs reichte A.________ am 21. September 2022 einen Entscheid des Bezirksgerichts V.________ vom 13. Juni 2022 betreffend Aufhebung des gemeinsamen Haushalts ein. Darin wurde von einem Getrenntleben der Ehegatten seit dem 5. November 2021 Vormerk genommen.
1.2. Am 16. Dezember 2022 verfügte das Migrationsamt den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg.
Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen der Rechtsdienst des Migrationsamts mit Einspracheentscheid vom 9. Mai 2023 und das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, mit Urteil vom 10. Juni 2024 ab.
1.3. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. August 2024 an das Bundesgericht und beantragt, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Juni 2024 aufzuheben, es sei vom Widerruf der Aufenthaltsbewilligung abzusehen und es sei ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Eventualiter sei die Sache zwecks ordentlicher Sachverhaltsfeststellung und Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Prozessual ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung.
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet.
2.
2.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt oder Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen betreffen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Ziff. 5 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn der Betroffene in vertretbarer Weise dartun kann, dass ein potenzieller Anspruch auf die beantragte Bewilligung besteht, soweit dessen Vorliegen nicht offensichtlich ist; ob die jeweils erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet Gegenstand der inhaltlichen Beurteilung (vgl. BGE 147 I 268 E. 1.2.7; 137 I 305 E. 2.5; 136 II 177 E. 1.1). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, umfasst die Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.1).
2.2. Dem Beschwerdeführer war eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA gestützt auf seine Ehe mit einer EU-Angehörigen erteilt worden. Die Aufenthaltsbewilligungen nach FZA (SR 0.142.112.681) können widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, welche den Aufenthaltsanspruch begründen (Art. 23 VFP [SR 142.203] u.a. i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. d AIG [SR 142.20]: Nichteinhaltung einer mit der Verfügung verbundenen Bedingung; vgl. auch BGE 144 II 1 E. 3.1). Da die Ehe des Beschwerdeführers mit einer EU-Angehörigen unbestrittenermassen (definitiv) gescheitert ist, kann der Beschwerdeführer keine Aufenthaltsrechte mehr aus dem FZA ableiten (vgl. Urteile 2C_318/2024 vom 24. Juni 2024 E. 2.3; 2C_407/2020 vom 24. August 2021 E. 2).
2.3. Die Aufenthaltsansprüche nach Art. 50 AIG, auf welchen sich der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung beruft, knüpfen gemäss dem klaren Wortlaut des Gesetzes an diejenigen von Art. 42 und 43 AIG an und setzen damit voraus, dass der Ehegatte, von dem die Bewilligung abgeleitet wurde, das Schweizer Bürgerrecht oder eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz besass (vgl. Urteil 2C_202/2018 vom 19. Juli 2019 E. 3.1). Zwar hat das Bundesgericht mit Blick auf das Diskriminierungsverbot von Art. 2 FZA festgehalten, dass Art. 50 AIG auch dann anzuwenden ist, wenn der Ex-Ehegatte - wie vorliegend - nur eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und nicht eine Niederlassungsbewilligung besass. Vorausgesetzt wird nach ständiger Rechtsprechung jedoch, dass der EU-angehörige Ex-Ehegatte noch über ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz verfügt. Dies lässt sich damit begründen, dass der Anwendungsbereich von Art. 2 FZA in jedem Fall abhängig von einem Aufenthaltsanspruch des EU-angehörigen Ex-Gatten ist; hat dieser kein Anwesenheitsrecht mehr, entfällt auch das Diskriminierungsverbot für die Regelung seiner familiären Beziehungen und kann der in der Schweiz verbliebene Ex-Ehegatte kein Aufenthaltsrecht mehr aus Art. 50 AIG ableiten (vgl. zum Ganzen BGE 144 II 1 E. 4; seither bestätigt u.a. in Urteilen 2C_1000/2022 vom 2. August 2023 E. 1.1.1; 2C_202/2018 vom 19. Juli 2019 E. 3.1).
Vorliegend ist es unbestritten, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers, von welcher er ursprünglich sein Aufenthaltsrecht abgeleitet hat, bereits im Juni 2022 und somit noch vor dem Entscheid des Migrationsamts betreffend den Widerruf seiner Aufenthaltsbewilligung ins Ausland ausgereist ist und derzeit über kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz verfügt. Folglich ist auch ein allfälliger Aufenthaltsanspruch des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 50 AIG i.V.m. Art. 2 FZA entfallen (vgl. BGE 144 I 1 E. 4.8; Urteil 2C_1000/2022 vom 2. August 2023 E. 1.1.1). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers genügt der Umstand, dass sich seine Ehefrau im Zeitpunkt der Trennung der Ehegatten noch in der Schweiz aufhielt, nicht, um einen potenziellen Bewilligungsanspruch in vertretbarer Weise zu begründen. Art. 50 AIG ist in Bezug auf den Beschwerdeführer gleich anwendbar wie gegenüber Drittstaatsangehörigen, d.h. nur unter der Voraussetzung, dass die ehemalige Ehegattin in der Schweiz eine Niederlassungsbewilligung hatte, was hier nicht der Fall ist (vgl. BGE 144 II 1 E. 4.8).
2.4. Sodann begründet Art. 77 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201), welcher von der Vorinstanz geprüft wurde, angesichts seiner potestativen Formulierung keinen Bewilligungsanspruch (vgl. Urteile 2C_26/2024 vom 19. Januar 2024 E. 2.4; 2C_225/2024 vom 8. Mai 2024 E. 2.3; 2C_485/2023 vom 21. September 2023 E. 2.2; 2C_14/2023 vom 12. Januar 2023 E. 2.2). Gegen die Nichterteilung bzw. Nichtverlängerung solcher Ermessensbewilligungen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zur Verfügung (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).
2.5. Ein anderweitiger Bewilligungsanspruch wird nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht und ist auch nicht offensichtlich (vgl. E. 2.1 hiervor). Aus der Beziehung zu seiner minderjährigen Tochter kann der Beschwerdeführer bereits deshalb nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil die Berufung auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK voraussetzt, dass der jeweilige Familienangehörige in der Schweiz aufenthaltsberechtigt ist (vgl. u.a. BGE 143 I 21 E. 5.1; Urteil 2C_441/2018 vom 17. September 2018 E. 1.2.1). Dies ist vorliegend nicht der Fall, zumal die Tochter des Beschwerdeführers zusammen mit ihrer Mutter im Ausland lebt.
Im Übrigen kann der Beschwerdeführer, der sich erst seit September 2019 in der Schweiz aufhält, aus BGE 144 I 266 und der darin aufgestellten Vermutung, dass eine ausländische Person nach einem zehnjährigen rechtmässigen Aufenthalt als integriert gelten könne (vgl. dort E. 3.9), keinen Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz des Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV) ableiten. Besondere Umstände, wonach in seinem Fall - trotz kürzerer Aufenthaltsdauer - eine besonders ausgeprägte Integration vorliegen soll (vgl. hierzu BGE 149 I 207 E. 5.3), werden nicht substanziiert dargetan. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer, wie er behauptet, über eine Vollzeitanstellung verfüge, keine Sozialhilfe beziehe und nicht verschuldet sei, genügt nicht, um eine über eine normale Integration hinausgehende Verwurzelung bzw. eine besonders intensive Verbindung zur Schweiz darzutun.
2.6. Im Ergebnis gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, in vertretbarer Weise darzutun, dass er Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung hat. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich damit als unzulässig.
3.
Zu prüfen ist, ob die Eingabe als subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG) an die Hand genommen werden kann.
Mangels Aufenthaltsanspruchs in der Schweiz sind in diesem Rahmen ausschliesslich Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte zulässig, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Prüfung der Sache bzw. der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_24/2022 vom 16. Juni 2022 E. 5.2). Solche Rügen erhebt der Beschwerdeführer nicht.
4.
4.1. Die Eingabe erweist sich sowohl als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch als subsidiäre Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unzulässig. Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. a) nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
4.2. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 21. August 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov