1C_368/2024 17.09.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_368/2024
Urteil vom 17. September 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Haag, Müller, Merz,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Verfahrensbeteiligte
Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
Gegenstand
Überstellung an die Republik Kosovo
(Art. 3 Überstellungsvertrag),
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer,
vom 12. Juni 2024 (RR.2024.4, RP.2024.1).
Sachverhalt:
A.
Der kosovarische Staatsangehörige A.________ verbüsst im Kanton Aargau eine 20-jährige Freiheitsstrafe, u.a. wegen Mordes an seiner Ehefrau. Das definitive Ende des Strafvollzugs fällt auf den 23. Juli 2029. Mit Verfügung vom 26. Juli 2017 widerrief das Aargauer Amt für Migration und Integration die Niederlassungsbewilligung und verfügte die Wegweisung A.________s; dieser werde auf den Termin der Haftentlassung aus der Schweiz ausgeschafft.
B.
Am 6. April 2020 stellte A.________ ein Gesuch um Überstellung in sein Heimatland, um dort die Reststrafe zu verbüssen. Das Bundesamt für Justiz (BJ) übermittelte der Republik Kosovo das Überstellungsgesuch am 30. Juli 2020. Das kosovarische Justizministerium stimmte der Überstellung am 2. Februar 2023 zu. Am 27. März 2023 zog A.________ sein Gesuch zurück.
Am 5. Oktober 2022 und am 30. August 2023 wies das Amt für Justizvollzug des Kantons Aargau die Gesuche A.________s um bedingte Strafentlassung ab.
C.
Das Aargauer Amt für Justizvollzug beantragte dem BJ am 11. August 2023, das Überstellungsverfahren ohne die Zustimmung von A.________ einzuleiten. Dieser sprach sich gegen seine Überstellung in die Republik Kosovo aus. Am 12. Dezember 2023 erliess das BJ den Überstellungsentscheid. Es ordnete an, die Republik Kosovo sei um Zustimmung zur Überstellung zu ersuchen und nach definitiver Zustimmung beider Länder sei die Überstellung durchzuführen.
D.
Dagegen gelangte A.________ am 10. Januar 2024 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Diese hiess die Beschwerde am 12. Juni 2024 gut und hob den Überstellungsentscheid des BJ auf. Es erwog, bei Auslieferungen in die Republik Kosovo würden regelmässig Garantien hinsichtlich der Haftbedingungen eingeholt. Die Überstellung gegen den Willen der betroffenen Person sei einer Auslieferung gleichzustellen. Das BJ habe sich daher auch im vorliegenden Verfahren zu vergewissern, dass für A.________ im kosovarischen Strafvollzug keine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bestehe, bzw. habe dies (falls nötig) in geeigneter Weise sicherzustellen.
E.
Dagegen hat das BJ am 21. Juni 2024 Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Es beantragt, der Entscheid des Bundesstrafgerichts sei aufzuheben.
A.________ (Beschwerdegegner) beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Er ersucht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Das Bundesstrafgericht verweist auf den angefochtenen Entscheid, an dem es festhält.
Es wurde keine Replik eingereicht.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesstrafgerichts betreffend eine Überstellung an die Republik Kosovo zur Vollstreckung der Reststrafe. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. b und Art. 90 BGG).
1.1. Das BJ ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a und d BGG i.V.m. Art. 25 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen [IRSG; SR 351.1]).
1.2. Gemäss Art. 84 Abs. 1 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn dieser unter anderem eine Auslieferung betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt.
1.2.1. Eine Überstellung gegen den Willen der betroffenen Person wird einer Auslieferung gleichgestellt, weshalb das Bundesgericht bereits auf Beschwerden von verurteilten Personen gegen ihre Überstellung eingetreten ist (Urteil 1C_588/2008 vom 12. März 2009 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 135 I 191; Urteil 1C_268/2016 vom 6. Juli 2016 E. 1.1). Es gibt keinen Grund, die Beschwerdebefugnis des BJ in derartigen Fällen restriktiver zu handhaben, d.h. es ist auch diesem (in besonders bedeutsamen Fällen) gestattet, mit Beschwerde gegen die Aufhebung eines Überstellungsentscheids an das Bundesgericht zu gelangen.
1.2.2. Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2). Wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, umschreibt Art. 84 Abs. 2 BGG die Voraussetzungen eines solchen Falles nicht abschliessend. Ein besonders bedeutender Fall kann auch angenommen werden, wenn sich eine rechtliche Grundsatzfrage stellt oder die Vorinstanz von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist (BGE 136 IV 20 E. 1.2; 133 IV 215 E. 1.2; je mit Hinweisen).
Vorliegend ist eine Überstellung an die Republik Kosovo streitig. Diese stützt sich auf den Vertrag vom 14. Mai 2012 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kosovo über die Überstellung verurteilter Personen (SR 0.344.475; nachfolgend: Überstellungsvertrag Kosovo; ÜVK). Zur Auslegung und Anwendung dieses Vertrags gibt es noch keine bundesgerichtliche Rechtsprechung. Das BJ legt dar, es bestehe der politische Wille, vermehrt Personen gegen ihren Willen an ihren Heimatstaat zu überstellen, weshalb der vorliegend streitigen Frage, inwiefern dafür die Haftbedingungen im ersuchten Staat zu überprüfen und Garantien einzuholen bzw. Bedingungen zu formulieren seien, präjudizielle Bedeutung für künftige Fälle zukomme. Dies rechtfertigt die Annahme eines besonders bedeutsamen Falls. Im Übrigen macht das BJ eine Abweichung vom Entscheid BGE 135 I 191 E. 2.2 geltend, was ebenfalls eine Überprüfung rechtfertigt.
1.3. Die Beschwerdeschrift enthält lediglich einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ohne - wie eigentlich erforderlich - einen Antrag in der Sache zu stellen für den Fall, dass das Bundesgericht reformatorisch entscheidet. Der Beschwerdegegner beantragt aus diesem Grund, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdebegründung lässt sich jedoch mit genügender Klarheit entnehmen, dass das BJ an seinem Überstellungsentscheid festhält und dessen Bestätigung beantragt.
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
1.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens - gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
2.
Eine im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei verurteilte Person kann nach Art. 2 ÜVK zum Vollzug der gegen sie verhängten Sanktion in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei überstellt werden (Abs. 2). Das Ersuchen um Überstellung kann entweder vom Urteils- oder vom Vollstreckungsstaat gestellt werden (Abs. 3). Zu den Voraussetzungen für die Überstellung gemäss Art. 3 Abs. 1 ÜVK gehört grundsätzlich die Zustimmung der verurteilten Person (lit. d). Gemäss Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 24 ÜVK ist die Zustimmung jedoch nicht erforderlich, wenn die verurteilte Person der Ausweisung oder Abschiebung unterliegt, d.h. es ihr nicht gestattet sein wird, nach der Entlassung aus der Haft im Hoheitsgebiet des Urteilsstaats zu bleiben. Die Überstellung bedarf in jedem Fall der Zustimmung des ersuchten Staates (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. f und Art. 24 Abs. 1 und 2 ÜVK).
Gemäss Art. 4 ÜVK (Unberührtheitsklausel) lässt der Überstellungsvertrag die Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten der Vertragsparteien unberührt, die sich direkt oder indirekt aus dem Völkerrecht oder internationalen Übereinkommen ergeben, insbesondere aus dem Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2), der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) und dem Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti-Folter Konvention; SR 0.105).
3.
Die Beschwerdekammer erwog, bevor die schweizerische Behörde um Überstellung einer in der Schweiz verurteilten Person ins Ausland ersuche, habe sie sich in umfassender Weise zu informieren, dass im ausländischen Strafvollzug keine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung bestehe (mit Hinweis auf BGE 135 I 191 E. 2.1-2.3 und Urteil 1C_268/2016 vom 6. Juli 2016 E. 2.1). Wie bei einer Auslieferung müsse auch bei einer Überstellung gewährleistet sein, dass die physische und psychische Integrität der Person gewahrt und deren Gesundheit in angemessener Weise sichergestellt sei (mit Hinweis auf BGE 148 IV 314 E. 3). Zu berücksichtigen seien insbesondere die Berichterstattung und Entscheidpraxis von Konventionsorganen wie der Antifolterkomitees der UNO und des Europarates, des EGMR oder des UNO-Paktes II zur Menschenrechtssituation in nationalen Strafsystemen. Sei dem BJ aufgrund dieser Berichte Wesentliches zu ausländischen Strafsystemen bekannt, so müsse es sich damit im Auslieferungs- bzw. Überstellungsentscheid auseinandersetzen (mit Hinweis auf den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2021.215 vom 21. April 2022 E. 5.1 f.).
Im Auslieferungsverkehr mit der Republik Kosovo seien regelmässig Garantien erforderlich, insbesondere aufgrund der Berichterstattung des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (vgl. Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2021.215 vom 21. April 2022, E. 4.4 und 5.1 f. und RR.2023.53 vom 31. Mai 2023 lit. A). Zwar seien Garantien ein spezifisches Instrument des Auslieferungsverkehrs. Das Überstellungsrecht verwende formal eine andere Terminologie, nämlich "dass der ersuchte Staat die vom BJ festgelegten Bedingungen beachtet" (Art. 101 Abs. 1 IRSG). Materiell sei jedoch kein relevanter praktischer Unterschied zwischen den Konstellationen von Auslieferung und Überstellung ersichtlich. Insbesondere gehöre die Einhaltung der Menschenrechte zum courant normal von Überstellungen zwischen Vertragsstaaten, was die Unberührtheitsklausel in Art. 4 ÜVK bestätige.
Dennoch habe sich das BJ in seinem Überstellungsentscheid nicht mit den Berichten und der Praxis von Konventionsorganen zum Strafvollzug in der Republik Kosovo auseinandergesetzt. Dies wäre umso mehr angezeigt, als es vorliegend um den Vollzug einer langen Freiheitsstrafe gehe. Die Beschwerde sei daher gutzuheissen und der Überstellungsentscheid vom 12. Dezember 2023 aufzuheben. Das BJ habe sich zu vergewissern, dass für den Beschwerdegegner im kosovarischen Strafvollzug keine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bestehe bzw. habe dies, falls nötig, in geeigneter Weise sicherzustellen.
4.
Das BJ macht geltend, es habe auf eine vorgängige, eingehende und neuerliche Prüfung der in der Republik Kosovo herrschenden Menschenrechtslage im Überstellungsentscheid abgesehen, weil der Beschwerdegegner mit den von ihm vorgebrachten, pauschalen Behauptungen, wonach ihm im kosovarischen Strafvollzug Blutrache drohe, in kosovarischen Gefängnissen Willkürherrschaft und Gewalt herrsche und er vor Erpressungen seiner Mitgefangenen nicht sicher wäre, nicht habe glaubhaft machen können, dass er objektiv und ernsthaft eine schwerwiegende Verletzung seiner Menschenrechte zu befürchten habe. Es sei Sache des Vollstreckungsstaates, für die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit seiner Gefangenen zu sorgen. Gestützt auf das Vertrauensprinzip dürfe davon ausgegangen werden, dass die Republik Kosovo gewillt und in der Lage sein werde, ihm den notwendigen Schutz, auch vor allfälligen Erpressungen von Mithäftlingen, zu gewähren.
Auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Berichte wäre das BJ zu keinem anderen Schluss gelangt. Die Haftbedingungen hätten sich kontinuierlich verbessert. In seinem jüngsten Bericht vom 23. September 2021 habe das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) die positiven Entwicklungen anerkannt, die seit dem Besuch im Jahr 2015 stattgefunden hätten, wie z.B. die Renovierung und Eröffnung neuer Einrichtungen, und habe einen erheblichen Rückgang der Gefängnispopulation festgestellt. Auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung seien mehrere positive Verbesserungen zu erkennen. Die KRCT (Kosova Rehabilitation Center for Torture Victims) halte in ihrem neuesten Bericht fest, dass die Justizvollzugsanstalten in der Republik Kosovo die Standards für die Achtung der Menschenrechte in den Haftanstalten Jahr für Jahr verbessert hätten (vgl. Human Rights in Kosovo Correctional Institutions Report 2023, April 2024, S. 44).
Das BJ beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 135 I 191 E. 2.2) und des Bundesstrafgerichts (RR.2024.27 von 25. April 2024 E. 3.3), wonach die Schweiz im Rahmen von Überstellungsverfahren als ersuchender Staat nicht in der Lage sei, vom ersuchten Staat diplomatische Garantien zu verlangen, wie dies bei der Auslieferung der Fall sei. Ersuche die Schweiz den Heimatstaat darum, die Strafvollstreckung zu übernehmen, könne sie dieses Ersuchen auch nicht an Bedingungen knüpfen. Ohnehin sei Art. 101 Abs. 1 IRSG vorliegend nicht anwendbar. Sollten im Einzelfall konkretisierte Gründe für die Annahme von Menschenrechtsverletzungen vorliegen, so würde die Schweiz von einer Überstellung absehen (vgl. Botschaft ÜVK, BBl 2023 S. 169 zu Art. 4). Vorliegend lägen aber keine Hinweise dafür vor.
5.
Nach Völkerrecht - wie auch nach schweizerischem Landesrecht - sind Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung verboten (Art. 3 EMRK und Art. 7 sowie Art. 10 Abs. 1 UNO-Pakt II, Art. 10 Abs. 3 BV). Niemand darf in einen Staat ausgeliefert werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht (vgl. Art. 25 Abs. 3 BV). Die Haftbedingungen dürfen nicht unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK sein; die physische und psychische Integrität der ausgelieferten Person muss gewahrt sein und die Gesundheit des Häftlings in angemessener Weise sichergestellt werden. Bestehen ernsthafte Gründe für die Annahme, dass der Verfolgte im ersuchenden Staat einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt sein könnte, werden im Auslieferungsverkehr regelmässig diplomatische Garantien bezüglich der Einhaltung der Grund- und Menschenrechte eingeholt (vgl. BGE 148 IV 314 E. 3 mit Hinweisen). Der ersuchende Staat kann zur Einhaltung gewisser Verfahrensgarantien verpflichtet werden, namentlich zur Zulassung unangemeldeter Haftbesuche durch Vertreter der schweizerischen Botschaft. Nur wenn das Risiko einer menschenrechtswidrigen Behandlung (ausnahmsweise) auch mit diplomatischen Zusicherungen nicht auf ein zulässiges Mass herabgesetzt werden kann, ist das Auslieferungsgesuch abzuweisen (BGE 148 I 127 E. 4.4; 134 IV 156 E. 6.7; je mit Hinweisen).
5.1. Grundsätzlich gelten die gleichen Anforderungen an eine Überstellung, jedenfalls wenn diese ohne Zustimmung der verfolgten Person angeordnet wird. In BGE 135 I 191 hielt das Bundesgericht fest, mit der Überstellung würden in erster Linie humanitäre Zwecke verfolgt: Dem Strafgefangenen solle es erspart werden, die Strafe in grosser Entfernung von seinem familiären und kulturellen Umfeld zu verbüssen; zugleich solle die soziale Wiedereingliederung des Strafgefangenen in seinen Heimatstaat gefördert werden. Angesichts dieser Zielsetzungen müsse die schweizerische Behörde den Betroffenen anhören, seine Einwände berücksichtigen und von Amtes wegen prüfen, ob die Überstellung unter akzeptablen Bedingungen stattfinden könne. Dafür müsse gewährleistet sein, dass einerseits die Haftbedingungen im ersuchten Staat den völkerrechtlichem Mindeststandards entsprechen und andererseits die soziale Wiedereingliederung mindestens in gleichem Mass möglich sei wie bei Fortsetzung der Strafvollstreckung in der Schweiz (E. 2.1). Die zuständige Behörde müsse sich somit, bevor sie um Überstellung einer verurteilten Person ins Ausland ersuche, vergewissern, dass dieser keine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung drohe. Bestehe ein reelles Risiko, müsse sie auf das Überstellungsgesuch verzichten (E. 2.2). Denn die Schweiz könne - wenn sie um Überstellung einer verurteilten Person ins Ausland ersuche - keine diplomatischen Garantien vom ersuchten Staat verlangen, wie dies bei der Auslieferung der Fall sei. Zwar dürfe sie Empfehlungen für die medizinische Behandlung abgeben und verfüge über ein Informationsrecht; der Vollzug der Sanktion richte sich jedoch allein nach dem Recht des Vollstreckungsstaates und es sei zweifelhaft, ob die Schweiz eine Detailberichterstattung zu den Haftbedingungen verlangen könne. In dieser Situation sei die schweizerische Behörde verpflichtet, sich vor Gesuchstellung umfassend über die vorhersehbaren Haftbedingungen zu informieren, um sich mit genügender Wahrscheinlichkeit zu vergewissern, dass der verurteilten Person keine Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung drohe (E. 2.3). Dabei seien insbesondere die Berichte der CPT (E. 2.6) und die spezielle Situation der verurteilten Person, insbesondere deren Gesundheitszustand, zu berücksichtigen (E. 2.7 und 2.8).
5.2. Die Republik Kosovo ist bislang nicht Mitglied des Europarates und nicht Vertragspartei des Europarats-Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 (SR 0.343) und dessen 2. Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 (SR 0.343.1). Die zur Überstellung nach diesen Übereinkommen gemachten Ausführungen in BGE 135 I 191 können jedoch ohne Weiteres auf den Überstellungsvertrag mit der Republik Kosovo übertragen werden. Dieser ist den genannten Europaratsübereinkommen nachgebildet und verfolgt die gleichen Ziele (vgl. Botschaft des Bundesrats zur Genehmigung des Vertrags zwischen der Schweiz und der Republik Kosovo über die Überstellung verurteilter Personen, BBl 2023 159 ff., insbes. S. 160 und Ziff. 1.1 S. 163 f., sowie Präambel, Art. 8 Abs. 2 lit. c, Art. 15 Abs. 2 und Art. 18 lit. c ÜVK).
5.3. Gemäss Art. 101 Abs. 1 IRSG darf der Verurteilte, der in der Schweiz in Haft ist, einem anderen Staat zur Vollstreckung eines schweizerischen Strafentscheids nach Art. 100 IRSG nur zugeführt werden, wenn er zustimmt und zu erwarten ist, dass der ersuchte Staat die vom BJ festgelegten Bedingungen beachtet. In der Botschaft des Bundesrates zum IRSG vom 8. März 1976 (BBl. 1976 II S. 486 f. zu Art. 99 E-IRSG) werden jedoch als mögliche Bedingungen nur die Einhaltung des Spezialitätsprinzips und allenfalls des Grundsatzes "ne bis in idem" erwähnt. Bei der Überstellung ohne Zustimmung der verurteilten Person ist Art. 101 Abs. 1 IRSG nicht anwendbar; diese richtet sich einzig nach den einschlägigen internationalen Übereinkommen. Diese gewährleisten die Einhaltung der genannten Grundsätze (vgl. zum ÜVK Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 4), weshalb es insoweit keiner Bedingungen bedarf.
Gemäss Art. 12 Abs. 2 ÜVK richtet sich der Vollzug der Sanktion nach dem Recht des Vollstreckungsstaates; dieser ist allein zuständig, alle erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Zwar steht es den Vertragsparteien grundsätzlich frei, sich im Rahmen der Einigung über die Überstellung (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. f ÜVK) auf Bedingungen und Garantien zu den Haftkonditionen zu einigen, die den bei der Auslieferung verlangten diplomatischen Garantien entsprechen. Ersucht jedoch die Schweiz um die Überstellung einer verurteilten Person, noch dazu gegen deren Willen, so ist sie als Gesuchstellerin nicht in der Lage, Bedingungen zu diktieren und Garantien zu deren Einhaltung durchzusetzen. Vielmehr riskiert sie, dass die Republik Kosovo solche (und möglicherweise auch weitere) Gesuche der Schweiz abweist. Dies kann die künftige Zusammenarbeit und damit auch die (an sich erstrebenswerte) Resozialisierung von Straftätern und Straftäterinnen in ihrem Heimatland, in welches sie nach Strafverbüssung entlassen werden, gefährden.
5.4. Verzichtet deshalb das BJ auf die Formulierung von Bedingungen, so muss es sich vor Gesuchstellung davon überzeugen, dass der verfolgten Person auch ohne derartige Garantien keine menschenrechtswidrige Behandlung im ausländischen Strafvollzug droht. Dies ist im Überstellungsentscheid darzulegen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den zu erwartenden Haftbedingungen ist jedenfalls geboten, wenn es sich um ein Land handelt, von dem im Auslieferungsverkehr regelmässig diplomatische Garantien eingeholt werden, d.h. von einem nicht nur theoretischen Risiko einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgegangen wird.
Dies ist vorliegend der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts sind für die Auslieferung von Personen an die Republik Kosovo Garantien einzuholen, u.a. zum Ort der Inhaftierung und zum Haftregime, zum unangemeldeten Besuchsrecht der diplomatischen Vertretung der Schweiz und zur Benachrichtungspflicht bei Verlegung in ein anderes Gefängnis (vgl. Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2021.215 vom 21. April 2022 und RR.2022.114 vom 5. Juli 2022). Diese Entscheide wurden vom BJ nicht angefochten. Das Bundesgericht bestätigte auf Beschwerde der verurteilten Person hin den Entscheid vom 21. April 2022, der im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehe (Urteil 1C_249/2022 vom 11. Mai 2022 E. 1.3).
Angesichts dieser Praxis durfte sich das BJ nicht mit dem Hinweis auf die mangelnde Substanziierung der Rügen des Beschwerdegegners begnügen, sondern hätte sich bereits im Überstellungsentscheid mit den einschlägigen Berichten und Entscheiden von Konventionsorganen auseinandersetzen und begründen müssen, weshalb dem Beschwerdegegner auch ohne die im Auslieferungsverkehr mit der Republik Kosovo üblichen diplomatischen Garantien keine menschenrechtswidrige Behandlung im kosovarischen Strafvollzug drohe.
5.5. Ob eine Heilung dieses Mangels vor Bundesstrafgericht möglich gewesen wäre, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da sich das BJ erstmals in seiner Beschwerde vor Bundesgericht mit den Haftbedingungen in der Republik Kosovo auseinandergesetzt hat. Die Beschwerde vor Bundesgericht ist in Rechtshilfesachen die Ausnahme (vgl. Art. 84 BGG) und dient nicht dazu, prozessuale Versäumnisse nachzuholen oder Begründungsmängel zu heilen.
6.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen. Will das Bundesamt an der Überstellung des Beschwerdegegners festhalten, wird es sich vergewissern müssen, dass auch ohne die Einholung diplomatischer Garantien bzw. Bedingungen keine ernsthafte Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung besteht. Dies wäre in einem neuen Überstellungsentscheid darzulegen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegner hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 BV). Seine Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung werden damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Bund (Bundesamt für Justiz) hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. September 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Die Gerichtsschreiberin: Gerber