2C_425/2024 18.09.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_425/2024
Urteil vom 18. September 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff,
gegen
1. Migrationsamt des Kantons Thurgau, Multiplex 1, Langfeldstrasse 53a, 8510 Frauenfeld,
2. Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Generalsekretariat, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Revision - superprovisorische Massnahmen,
Beschwerde gegen das Schreiben des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau, Vizepräsident, vom 7. August 2024 (VG.2024.84).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (geb. 1976), portugiesischer Staatsangehöriger, reiste am 1. März 2003 zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit in die Schweiz ein. In der Folge wurde ihm eine Niederlassungsbewilligung EU/EFTA erteilt. Er ist mit einer Landsfrau verheiratet, mit welcher er drei gemeinsame Kinder (geb. 2006, 2008 und 2019) hat, die alle über Niederlassungsbewilligungen verfügen.
Mit Urteil des Bezirksgerichts U.________ vom 28. November 2019 wurde A.________ wegen mehrfacher Vergewaltigung und mehrfacher sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (vgl. letztinstanzlich: Urteil 6B_1105/2020 vom 13. Oktober 2021).
Mit Entscheid vom 22. November 2022 widerrief das Migrationsamt des Kantons Thurgau die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
1.2. Nachdem A.________ am 26. Januar 2024 vom Migrationsamt aufgefordert worden war, die Schweiz bis spätestens am 17. Mai 2024 zu verlassen, stellte er am 9. April 2024 ein Gesuch um Revision des Entscheids des Migrationsamts vom 22. November 2022. Dieses teilt ihm am 29. April 2024 mit, dass "kein Raum für eine Neuprüfung des am 9. Januar 2023 in Rechtskraft erwachsenen ausländerrechtlichen Wegweisungsentscheids" bestehe.
Mit Eingabe vom 3. Mai 2024 erhob A.________ beim Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau "Rekurs sowie Beschwerde" und beantragte unter anderem die Aufhebung des Entscheids des Migrationsamts vom 29. April 2024. Zudem beantragte er, es sei dem Revisionsgesuch superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Mit Zwischenentscheid vom 23. Mai 2024 wies das Departement den Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab.
Auf eine dagegen erhobene Beschwerde von A.________ trat das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 26. Juni 2024 aufgrund der Nichtbezahlung des Kostenvorschusses nicht ein.
1.3. Mit Zwischenentscheid vom 31. Juli 2024 trat das Departement auf ein Gesuch von A.________, es sei der Gemeindeverwaltung Weinfelden mitzuteilen, dass er weiterhin in U.________ ein "Wohnrecht" habe, nicht ein. Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 5. August 2024 Beschwerde an das Verwaltungsgericht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Mit Schreiben vom 7. August 2024 teilte der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts dem Beschwerdeführer unter anderem mit, dass die in der Eingabe vom 5. August 2024 gestellten Anträge, es sei ihm superprovisorisch das "Wohnrecht" in der Gemeinde U.________ einzuräumen und es sei mit Bezug auf die im Revisionsgesuch angefochtene Ausweisung superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu erteilen, abgewiesen seien.
1.4. Am 9. September 2024 erhebt A.________ in einer einzigen Eingabe Beschwerde an das Bundesgericht gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 26. Juni 2024 sowie gegen das Schreiben des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts vom 7. August 2024 und beantragt, es seien diese aufzuheben und es sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In derselben Eingabe beantragt er (eventualiter) die Aufhebung einer Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Thurgau vom 14. August 2024. Prozessual beantragt er, es sei superprovisorisch zu verfügen, dass alle Vollziehungsvorkehrungen zu seiner Wegweisung einstweilen bis zum allfälligen Entscheid über das Revisionsbegehren zu unterbleiben hätten. Ferner sei ihm superprovisorisch ein Wohnrecht im Kanton Thurgau zuzusprechen. Schliesslich ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Bundesgericht eröffnete daraufhin das vorliegende Verfahren 2C_425/2024 betreffend das Schreiben des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts vom 7. August 2024. Sodann eröffnete es die Parallelverfahren 2C_422/2024 betreffend den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 26. Juni 2024 und 2C_426/2024 betreffend die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Thurgau vom 14. August 2024.
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet.
1.5. Mit Urteilen heutigen Datums trat das Bundesgericht auf die Beschwerden in den Verfahren 2C_422/2024 und 2C_426/2024 nicht ein.
2.
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist namentlich zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen (Art. 86 lit. d BGG). Ob das vorliegend angefochtene Schreiben des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts vom 7. August 2024 materiell einen Entscheid bzw. eine Verfügung und somit ein gültiges Anfechtungsobjekt darstellt, kann offenbleiben (zum Verfügungsbegriff vgl. u.a. BGE 143 II 268 E. 4.2.1; 141 II 233 E. 3.1; 139 V 143 E. 1.2). Denn selbst wenn der Verfügungscharakter zu bejahen wäre, könnte auf die Beschwerde aus den nachfolgenden Gründen nicht eingetreten werden.
2.2. Mit dem angefochtenen Schreiben vom 7. August 2024 teilte der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts dem Beschwerdeführer unter anderem mit, dass seine Anträge, es sei ihm superprovisorisch das "Wohnrecht" in der Schweiz bzw. bei der Gemeinde U.________ zuzuweisen und es sei der Beschwerde mit Bezug auf die im Revisionsgesuch angefochtene Ausweisung superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu erteilen, abgewiesen seien. Folglich hat das angefochtene Schreiben unter anderem die Abweisung von Anträgen auf Anordnung superprovisorischer Massnahmen in einem beim Verwaltungsgericht hängigen Verfahren zum Gegenstand. Selbst wenn von einer Verfügung auszugehen wäre, läge einzig ein Zwischenentscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 93 BGG vor, wobei angesichts des Verfahrensausgangs offenbleiben kann, ob in der Hauptsache die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Blick auf Art. 83 lit. c BGG überhaupt zulässig wäre (zum Rechtsweg bei Zwischenentscheiden vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1; Urteile 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.1).
2.3. Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; Urteil 2C_490/2020 vom 23. November 2020 E. 1.3). Das Bundesgericht prüft Rügen wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte nur insofern, als sie in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind (qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht; vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.1; 146 III 303 E. 2; 142 III 364 E. 2.4; 135 III 232 E. 1.2). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 143 I 1 E. 1.4; 134 II 349 E. 3; 133 II 396 E. 3.2).
2.4. Vorliegend hat der Beschwerdeführer in einer einzigen Eingabe Beschwerden gegen zwei Entscheide und gegen das vorliegende Schreiben erhoben (vgl. E. 1.4 hiervor). Seiner Eingabe lässt sich nicht genau entnehmen, welcher Teil der Begründung welchen Entscheid genau betrifft. Aufgrund der Beschwerdeschrift ist indessen davon auszugehen, dass sich seine Argumentation hauptsächlich auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 26. Juni 2024 bezieht. Auf die dagegen erhobene Beschwerde ist das Bundesgericht, wie bereits ausgeführt, mit Urteil heutigen Datums aufgrund verspäteter Einreichung nicht eingetreten (vgl. Urteil 2C_422/2024 vom 18. September 2024).
Hinsichtlich des vorliegend zur Diskussion stehenden Schreibens führt der Beschwerdeführer lediglich aus, es fehle gänzlich ein inhaltlicher Bezug "insbesondere zur Frage der Verletzung von Art. 8 EMRK und zum Wohnrecht trotz Aufhebung der Abschiebung durch das Zwangsmassnahmengericht". Ob damit eine Verletzung von Art. 8 EMRK gerügt wird, ist unklar. Jedenfalls genügt der blosse Hinweis auf diese Bestimmung den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Verfassungsgrügen nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. E. 2.3 hiervor). Dasselbe gilt, soweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BGG) bzw. der Begründungspflicht durch die Vorinstanz geltend machen sollte. Auch diesbezüglich enthält die Eingabe keine substanziierte Begründung im Sinne von Art. 106 Abs. 2 BGG. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht in seiner Begründung unter anderem ausführt, seit seinem Entscheid vom 26. Juni 2024 sei keine Änderung der Umstände eingetreten, die einer Wegweisung des Beschwerdeführers entgegenstünden, und weiter darauf hinweist, dass das Zwangsmassnahmengericht zwar die Ausschaffungshaft als unverhältnismässig erachtet, jedoch keine dahingehende Anordnung getroffen habe, dass der Beschwerdeführer berechtigt sei, sich weiterhin in der Schweiz aufzuhalten. Weitere substanziierte Verfassungsrügen, die sich eindeutig auf das vorliegend zur Diskussion stehende Schreiben des Verwaltungsgerichts beziehen, lassen sich der Beschwerdeschrift nicht entnehmen.
2.5. Im Ergebnis entbehrt die Eingabe einer hinreichenden Begründung (Art. 98 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).
3.
3.1. Auf die offensichtlich unbegründete Beschwerde ist mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. b) nicht einzutreten. Damit werden die Anträge um Anordnung vorsorglicher Massnahmen (mit superprovisorischer Wirkung) gegenstandslos.
3.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird aufgrund der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Umständehalber wird jedoch ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Vizepräsident, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 18. September 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov