8C_163/2024 11.10.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_163/2024
Urteil vom 11. Oktober 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Jancar.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Nadeshna Ley,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Kinderrente; Erlass der Rückforderung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 18. Januar 2024 (IV 2023/48).
Sachverhalt:
A.
A.a. Mit Verfügungen vom 4. März 2009 sprach die IV-Stelle St. Gallen B.________, dem Ehemann von A.________, ab 1. Mai 2006 eine ganze Invalidenrente zu. In der Folge gewährte sie ihm Kinderrenten für die Kinder C.________ (geb. im August 2009) sowie D.________, E.________ und F.________ (alle geb. im Dezember 2012), die ab November 2015 A.________ ausbezahlt wurden. Am 7. September 2012 bestätigte die IV-Stelle den Rentenanspruch des B.________ revisionsweise.
A.b. Im Oktober 2015 eröffnete die IV-Stelle ein weiteres Revisionsverfahren. Sie veranlasste eine vom 8. Juni bis 12. August 2016 dauernde Observation des B.________ (Bericht der G.________ GmbH vom 23. August 2016) und ein psychiatrisch/orthopädisches Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Bern, ZVMB GmbH, vom 11. Dezember 2017. Mit Verfügung vom 26. Mai 2020 stellte sie die Invalidenrente von B.________ per 1. Juli 2016 ein, da sich sein Gesundheitszustand spätestens seit dem Observationszeitpunkt verbessert habe. Mit Verfügungen vom 28. Mai 2020 forderte die IV-Stelle die seit 1. Juli 2016 bis 31. Mai 2019 dem Versicherten zu Unrecht ausgerichteten Invalidenrenten von Fr. 82'350.- und die Renten für die Kinder C.________, D.________, F.________ und E.________ von Fr. 131'760.- zurück. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen bestätigte mit Entscheid vom 25. Januar 2022 die rückwirkende Einstellung der Renten und deren Rückforderung. Die von B.________ geführte Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 8C_190/2022 vom 19. August 2022 ab.
A.c. Am 12. Oktober 2022 forderte die IV-Stelle von A.________ die ihr ausbezahlten Kinderrenten von Fr. 131'760.- zurück. Ihr Erlassgesuch wies sie mit Verfügung vom 20. Januar 2023 ab, da sie beim Leistungsbezug nicht gutgläubig gewesen sei.
B.
Die gegen die letztgenannte Verfügung von A.________ erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. Januar 2024 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei ihr die Rückerstattung der Kinderrenten zu erlassen, eventuell derjenigen, die bis und mit März 2019 ausgerichtet worden seien. Es sei ihr die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.
Das Bundesgericht verzichtet auf den Schriftenwechsel.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die vorgebrachten Rügen, sofern eine Rechtsverletzung nicht geradezu offensichtlich ist. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 145 V 57 E. 4.2; 143 V 19 E. 2.3).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
Rechtsfrage ist, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt, der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Bei den aufgrund der Arztberichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 2 des Urteils BGE 148 V 397, veröffentlicht in SVR 2023 IV Nr. 16 S. 53).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens der Beschwerdeführerin bezüglich der Rückforderung der vom 1. Juli 2016 bis 31. Mai 2019 bezahlten Kinderrenten von Fr. 131'760.- verneinte.
2.1. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG), die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens (BGE 138 V 218; 122 V 221 E. 3) und den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 271 E. 4.4) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.2. Zu wiederholen ist, dass der gute Glaube als Erlassvoraussetzung nicht schon mit der Unkenntnis des Rechtsmangels gegeben ist. Der Leistungsempfänger darf sich vielmehr nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Der gute Glaube entfällt somit einerseits von vornherein, wenn die zu Unrecht erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige oder grobfahrlässige Melde- oder Auskunftspflichtverletzung zurückzuführen ist. Andererseits kann sich die rückerstattungspflichtige Person auf den guten Glauben berufen, wenn ihr fehlerhaftes Verhalten nur leicht fahrlässig war. Wie in anderen Bereichen beurteilt sich das Mass der erforderlichen Sorgfalt nach einem objektiven Massstab, wobei aber das den Betroffenen in ihrer Subjektivität Mögliche und Zumutbare (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand, Bildungsgrad usw.) nicht ausgeblendet werden darf (BGE 138 V 218 E. 4). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nicht das Mindestmass an Aufmerksamkeit aufgewendet hat, welches jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter den gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (BGE 110 V 176 E. 3d). Das Verhalten, das den guten Glauben ausschliesst, braucht nicht in einer Melde- oder Anzeigepflichtverletzung zu bestehen. Auch ein anderes Verhalten, z.B. die Unterlassung, sich bei der Verwaltung zu erkundigen, fällt in Betracht (SVR 2022 EL Nr. 7 S. 21, 9C_318/2021 E. 3.1 mit Hinweisen).
2.3. Die Gutgläubigkeit muss im Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorliegen (SVR 2019 IV Nr. 6 S. 18, 8C_353/2018 E. 5; Urteil 8C_107/2023 vom 5. Juli 2023 E. 3.2). Mit Bezug auf die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und wird daher als Tatfrage von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich beurteilt. Die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit gilt als frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 122 V 221 E. 3; Urteil 8C_430/2023 vom 25. März 2024 E. 3.2).
3.
3.1. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, der Ehemann der Beschwerdeführerin habe seit 2. November 2015 für rund zwei Monate von ihr und den Kindern getrennt gelebt. Im Bericht vom 14. Dezember 2015 habe Dr. med. H.________ festgehalten, sie habe sich von ihm getrennt, weil sie die Auswirkungen seiner psychischen Störungen nicht mehr habe ertragen können, vor allem die soziale Isolation, den Rückzug zu Hause und die Ängste. Seitdem habe sich sein Zustand etwas verschlechtert. Aus dem Bericht vom 23. August 2016 betreffend die zwischen Juni und August 2016 erfolgte Observation des Ehemanns der Beschwerdeführerin gehe hervor, dass er mit ihr und den Kindern innerhalb des Stadtgebiets mit dem Auto unterwegs gewesen sei und Einkäufe getätigt habe. Im Gespräch bei der IV-Stelle vom 4. November 2016 habe er angegeben, er könne selbst Kleinigkeiten nicht selbständig entscheiden und müsse die Beschwerdeführerin um Rat fragen. Nach seiner Rückkehr zu ihr habe sich sein Gesundheitszustand stabilisiert. Im Rahmen des MEDAS-Gutachtens vom 11. Dezember 2017 habe er dargelegt, die Beschwerdeführerin gebe ihm Halt. Es sei damit von einem zur Zeit des Bezugs der nunmehr zurückgeforderten Renten intakten ehelichen Verhältnis auszugehen. Die Observation habe gezeigt, dass die Beschwerdeführerin gewusst habe, welche Aktivitäten ihrem Ehemann (wieder) möglich gewesen seien. Mitbekommen habe sie insbesondere auch seinen Umgang mit den Kindern (vgl. Stellungnahme der Dr. med. I.________, Regionaler Ärztlicher Dienst [RAD] der IV-Stelle, vom 19. Oktober 2016). Die Beschwerdeführerin habe am 7. November 2016 um Einsicht in die Observations-Videos ersucht. Somit habe sie um die Überprüfung des Rentenanspruchs durch die IV-Stelle und die Gefährdung des Rentenanspruchs ihres Ehemanns wissen müssen. Daran vermöge nichts zu ändern, dass die Datenträger nicht ihr, sondern ihrem Ehemann zugestellt worden seien. Sie hätte somit bei gebotener Aufmerksamkeit die Veränderung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustands ihres Ehemanns bemerken müssen. Zumindest habe ihr bekannt sein müssen, dass ein Verfahren betreffend seine Rente am Laufen und der Rentenanspruch daher nicht gesichert gewesen sei. Grundsätzlich wäre auch die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 31 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 77 IVV aufgrund des verbesserten Gesundheitszustandes ihres Ehemanns meldepflichtig gewesen. Da sie aber nicht auf ihre Meldepflicht hingewiesen worden sei, könne ihr bezüglich deren Verletzung keine grobe Fahrlässigkeit vorgehalten werden. Es reiche aber aus, dass sie um die Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs ihres Ehemanns gewusst habe oder hätte wissen müssen. Sie hätte ohne Weiteres realisieren können und müssen, dass sein augenscheinlich verändertes Funktions-, Ressourcen- und Aktivitätsniveau auf seine Invalidenrente bzw. auf die akzessorischen Kinderrenten einen Einfluss gehabt haben könne. Auch wenn er (noch) keine wesentlichen Aufgaben in der Haushaltsführung oder der Kinderbetreuung habe übernehmen können und die Familie weiterhin auf Fremdbetreuung angewiesen gewesen sei, habe sich sein Funktionsniveau von "ausgeprägte soziale Isolation", "enorme Reizbarkeit" und "Selbstverletzung, wenn er alleine sei", zur Fähigkeit verändert, "alleine... ein Auto zu lenken", "bei betriebsarmen Strassen- und Personenverhältnissen Einkäufe zu erledigen" sowie "mit Drittpersonen in Kontakt zu treten und ein Gespräch zu führen". Da die Beschwerdeführerin über das laufende IV-Verfahren (inkl. die Observation) informiert gewesen sei, habe sie damit rechnen müssen, dass die Rente überprüft werde und nicht gesichert sei. Wenn sie dies nicht erkannt habe, sei dies grobfahrlässig pflichtwidrig. Somit müsse ihr der gute Glaube abgesprochen werden.
3.2. Die Beschwerdeführerin wendet zusammengefasst ein, die Wiedererlangung gewisser Alltagsfunktionen durch ihren Ehemann habe den Familienalltag nicht verändert. Es sei deshalb nicht einzusehen, inwiefern sie bei Aufwendung nur eines "Mindestmasses an Aufmerksamkeit", hätte realisieren müssen, dies würde bereits seinen Rentenanspruch beeinflussen. Er habe das "typische Leben eines chronisch psychisch Kranken mit Familie und vier Kindern" geführt (vgl. Bericht des Psychiaters Dr. med. H.________ vom 2. April 2019), wobei sie unverändert die ganze damit zusammenhängende Last getragen habe. Der Vorwurf quasi grobfahrlässiger Ignoranz an sie gehe deshalb fehl. Am 7. November 2016 habe sie bei der IV-Stelle um Akteneinsicht ersucht und von diesem Zeitpunkt an vom laufenden Revisionsverfahren gewusst. Praxisgemäss zerstöre aber erst die Kenntnis der Umstrittenheit des Rechtsanspruchs den guten Glauben, was jedoch mit der blossen Einleitung eines Revisionsverfahrens noch nicht der Fall sei. Andernfalls würde jede laufende Rentenrevision immer den guten Glauben beim weiteren Leistungsbezug zerstören bzw. wäre gutgläubiger Leistungsbezug überhaupt nicht mehr denkbar, da letztlich die Möglichkeit einer Rentenüberprüfung immer bestehe bzw. diese in aller Regel (auch) ohne weiteren Anlass periodisch vorgenommen werde. Sie habe nicht vorausahnen müssen, dass das Revisionsverfahren zur Umstrittenheit des Rentenanspruchs führen würde. Denn lange habe nicht einmal die IV-Stelle gewusst, welche Schlüsse sie aus ihren Abklärungen ziehen sollte. In der Observation seien zwar vereinzelt die ausschlaggebenden Funktionsveränderungen ihres Ehemanns beobachtet worden. Trotzdem habe die RAD-Ärztin Dr. med. I.________ am 19. Oktober 2016 festgestellt, er weise ein "niedriges ausserhäusliches Aktivitätsniveau" auf, das demjenigen eines Rentners entspreche. Noch am 27. März 2018, nach Vorliegen des MEDAS-Gutachtens vom 11. Dezember 2017, sei Dr. med. I.________ zum Schluss gelangt, es liege bloss eine andere Beurteilung desselben Sachverhalts vor, und der Gesundheitszustand ihres Ehemanns habe sich seit dem Referenzzeitpunkt nicht relevant verändert. Ihm und ihr - der Beschwerdeführerin - sei ausserdem das Ergebnis der Begutachtung nicht bekannt gegeben worden. Sodann sei der Fall bei der IV-Stelle ein weiteres Jahr liegen geblieben, bis der Rechtsdienst am 17. Januar 2019 dafür plädiert habe, auf den Rentenanspruch mangels massgeblicher Veränderung nicht revisions-, sondern wiedererwägungsweise zurückzukommen. Mit dieser Einschätzung und dem MEDAS-Gutachten sei ihr Ehemann erst durch die Akteneinsicht seiner Rechtsvertreterin vom 18. März 2019 bzw. beim Standortgespräch vom 3. April 2019 konfrontiert worden. Ihr sei somit frühestens nach dieser Akteneinsicht bekannt geworden, dass sein Rentenanspruch nicht nur überprüft werde, sondern umstritten sei.
4.
4.1.
4.1.1. Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Rahmen der ursprünglichen Rentenzusprache vom 4. März 2009 aufgrund der Akten u.a. an ausgeprägter sozialer Isolation und enormer Reizbarkeit litt und sich beim Alleinsein Selbstverletzungen zufügte. Zudem war er gesundheitsbedingt nicht in der Lage, allein Auto zu fahren. Noch im Bericht vom 14. Dezember 2015 hielt Dr. med. H.________ fest, die Beschwerdeführerin habe die Auswirkungen seiner psychischen Störungen nicht mehr ertragen können, vor allem die soziale Isolation, den Rückzug zu Hause und die Ängste. Seitdem habe sich sein Zustand etwas verschlechtert.
4.1.2. Nicht streitig ist, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin gemäss dem Bericht vom 23. August 2016 betreffend die zwischen Juni und August 2016 durchgeführte Observation in der Lage war, allein Auto zu fahren, einzukaufen und mit Drittpersonen Gespräche zu führen. Ergänzend ist anhand der Akten festzuhalten (Art. 105 Abs. 2 BGG; Urteil 8C_583/2023 vom 27. Februar 2024 E. 5.1 mit Hinweis), dass er laut diesem Observationsbericht sogar fähig war, allein Auto zu fahren und dabei seine Kinder mitzuführen. Dieses von ihm an den Tag gelegte Verhalten setzt zum Teil erhebliche kognitive, visuelle und motorische Fähigkeiten voraus. Dies gilt insbesondere für seine Autofahrten im Stadtverkehr. Eine Verbesserung seines Gesundheitszustands war in diesem Lichte mithin evident (vgl. auch Urteil 9C_680/2014 15. Mai 2015 E. 6.1).
4.1.3. Nichts zu ihren Gunsten ableiten kann die Beschwerdeführerin aus der Stellungnahme der Dr. med. I.________ vom 19. Oktober 2016, wonach das niedrige Aktivitätsniveau ihres Ehemanns demjenigen eines Rentners entsprochen habe. Denn gleichzeitig stellte sie aufgrund des Observationsergebnisses u.a. fest, ihm seien verantwortungsvolle Aufgabe wie Chauffieren oder selbstständige Betreuung der Kinder übertragen worden. Es könne somit angenommen worden, dass seine Ehefrau davon ausgegangen sei, er sei in der Lage gewesen, diese Aufgaben zuverlässig zu erfüllen. Die für die Kinderbetreuung erforderliche Konzentration und Aufmerksamkeit lasse sich mit einer schweren depressiven Episode kaum in Einklang bringen. Dasselbe gelte für die Fahrtauglichkeit. Auf der Ebene des Bewegungsapparates vermittle die Dokumentation nicht den Eindruck des beschriebenen hochgradigen Leidensdrucks.
4.1.4. Unbehelflich ist weiter die Berufung der Beschwerdeführerin auf die Stellungnahme der Dr. med. I.________ vom 27. März 2018, wonach bloss eine andere Beurteilung desselben Sachverhalts vorliege, und sich der Gesundheitszustand des Ehemanns seit dem Referenzzeitpunkt nicht relevant verändert habe. Denn Dr. med. I.________ begründete dies damit, sie könne den Akten seit 2007 keine nachvollziehbaren Aspekte für eine psychische Störung mit invalidisierenden Folgen entnehmen, was zu einer falschen medizinischen Beurteilung geführt habe. Diese Auffassung wurde von der IV-Stelle letztendlich verworfen, und es wurde - vom Bundesgericht mit Urteil 8C_190/2022 vom 19. August 2022 bestätigt - von einer Verbesserung des Gesundheitszustands bzw. von einem Revisionsgrund per 1. Juli 2016 ausgegangen. Im Lichte der Observationsergebnisse konnte die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht von einem unveränderten Gesundheitszustand ihres Ehemanns ausgehen (vgl. E. 4.1.2 hiervor).
4.1.5. Nichts anderes folgt aus dem von der Beschwerdeführerin angerufene Bericht des Psychiaters Dr. med. H.________ vom 2. April 2019, wonach ihr Ehemann das "typische Leben eines chronisch psychisch Kranken mit Familie und vier Kindern" geführt habe. Er argumentierte u.a., in der Aussenperspektive sei es allein nicht möglich, psychiatrische Befunde zu erheben oder gar eine Diagnose zu stellen. Eine Observation könne ausschliesslich zur Prüfung der Konsistenz verwendet werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die observationsweise erhobenen Feststellungen sehr wohl Aufschluss über das Vorhandensein (erheblich einschränkender bzw. invalidisierender) psychischer Störungen geben (siehe auch Urteil 9C_680/2014 15. Mai 2015 E. 6.1). Hieran ändert nichts, dass die Observierung letztlich aus Momentaufnahmen besteht (vgl. auch Urteile 8C_486/2019 vom 18. September 2019 E. 5.3.2 und 9C_318/2013 vom 28. Juni 2013 E. 2.2.2).
4.2. Nach dem Gesagten ist der Vorinstanz insgesamt beizupflichten, dass die damals mit ihrem Ehemann zusammenlebende Beschwerdeführerin bei gebotener Aufmerksamkeit die seit Juni 2016 eingetretene Verbesserung seines Gesundheitszustands hätte bemerken und realisieren müssen, dass sein augenscheinlich verbessertes Funktions-, Ressourcen- und Aktivitätsniveau auf seine Invalidenrente bzw. die akzessorischen Kinderrenten einen Einfluss haben könne (vgl. E. 3.1 hiervor).
5.
5.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, erst die Kenntnis der Umstrittenheit des Rechtsanspruchs zerstöre den guten Glauben. Das Rentenrevisionsverfahren sei aber nicht gleichbedeutend mit der Umstrittenheit des Rentenanspruchs. Sie habe nicht vorausahnen müssen, dass das Revisionsverfahren hierzu führen würde (vgl. E. 3.2 hiervor).
5.2.
5.2.1. Im von der Beschwerdeführerin diesbezüglich angerufenen Urteil 9C_795/2020 vom 10. März 2021 wurde Folgendes erwogen: Der gute Glaube ist im Anwendungsbereich von Art. 25 Abs. 1 ATSG zu vermuten. Zu beantworten ist die Frage, ob eine Person als gutgläubig im Sinne von Art. 25 Abs. 1 ATSG gelten kann, die zwar von der Rechtmässigkeit des Leistungsbezugs ausgeht, aber immerhin weiss (bzw. bei gebotener Sorgfalt wissen müsste [vgl. BGE 138 V 218 E. 4]), dass die Rechtmässigkeit umstritten ist und dass sie, sollte sie mit ihrer Rechtsauffassung letztinstanzlich nicht durchdringen, die Leistungen ganz oder teilweise zurückerstatten muss. Diese Frage ist - auch mit Blick auf die Maxime "ignorantia iuris nocet" ("Rechtsunkenntnis schadet") - zu verneinen. Sinn und Zweck des Erlasses ist es, eine Erleichterung für jene versicherte Personen zu schaffen, welche im Vertrauen auf die unangefochten ausgerichtete Leistung diese für die Lebenshaltung vollständig verbrauchen, und hernach durch die Rückforderung in finanzielle Bedrängnis geraten würden. Personen, die wissen, dass die Rechtmässigkeit des Leistungsbezugs umstritten ist, können sich demgegenüber auf die allfällige Rückerstattungspflicht vorbereiten. Würde man der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin folgen, so hätte dies zur Folge, dass das Erfordernis des guten Glaubens weitgehend an Bedeutung verlieren würde, da dieser nur noch bei strafrechtlich relevanten Verhalten (vgl. Art. 148a StGB) zu verneinen wäre. Zudem würde ein Fehlanreiz dafür geschaffen, den Streit um die Rechtmässigkeit des Leistungsbezugs auch in aussichtslosen Fällen bis zur letzten Instanz durchzuprozessieren (E. 4.2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 8C_399/2021 vom 5. Oktober 2021 E. 4 und 9C_847/2017 vom 31. Mai 2018 E. 5).
5.2.2. Aus dieser Rechtsprechung kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie betrifft nämlich einzig Fälle, in denen die versicherte Person Kenntnis davon erhielt, dass die durch die Verwaltung verfügte (ursprüngliche) Leistungszusprache angefochten (Urteile 8C_399/2021 vom 5. Oktober 2021 und 9C_847/2017 vom 31. Mai 2018 E. 5: Anfechtung der Rentenzusprache durch die Pensionskasse) bzw. im laufenden Verfahren durch die verfügende Behörde selber mit Androhung einer Schlechterstellung ("reformatio in peius") in Frage gestellt wurde (Urteil 9C_795/2020 vom 10. März 2021 E. 4.2) und damit umstritten war. Das Bundesgericht verneinte jeweils den guten Glauben der versicherten Person ab dem Zeitpunkt, als diese davon Kenntnis erhielt, dass ihr Leistungsanspruch strittig war bzw. noch nicht rechtskräftig festgestellt wurde.
5.3. Der vorliegende Sachverhalt ist mit jenen Fällen nicht vergleichbar. Hier geht es einzig um die Frage, ob und bejahendenfalls ab wann die Beschwerdeführerin bei gebotener Aufmerksamkeit die seit Juni 2016 eingetretene Verbesserung des Gesundheitszustands ihres Ehemanns hätte bemerken müssen und damit hinsichtlich der Rechtmässigkeit seines Rentenanspruchs nicht mehr gutgläubig war (vgl. 4.2 hiervor). In diesem Zusammenhang spielt es - auch entgegen der vorinstanzlichen Auffassung - rechtlich keine Rolle, ob bzw. ab wann sie vom Rentenrevisionsverfahren Kenntnis hatte.
6.
Insgesamt lassen sämtliche Einwände der Beschwerdeführerin das vorinstanzliche Ergebnis, dass ihr guter Glaube als Voraussetzung für den Erlass der Rückerstattung ab Juni 2016 zu verneinen sei, weder in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich (vgl. BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 144 V 50 E. 4.2; Urteil 8C_537/2023 vom 17. April 2024 E. 1.1) noch sonstwie als bundesrechtswidrig erscheinen.
7.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihr gewährt werden (Art. 64 BGG). Sie hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Nadeshna Ley wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Oktober 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Der Gerichtsschreiber: Jancar