5A_652/2024 18.10.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_652/2024
Urteil vom 18. Oktober 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter Bovey, Hartmann,
Gerichtsschreiber Zingg.
Verfahrensbeteiligte
Zivilkreisgericht Basel-Landschaft Ost, Hauptstrasse 108/110, Postfach, 4450 Sissach,
Beschwerdeführer,
gegen
1. A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Rohrer,
2. Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht, Bahnhofplatz 16, Postfach, 4410 Liestal,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege (Abänderung Ehescheidungsurteil),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht, vom 13. August 2024 (410 24 131).
Erwägungen:
1.
1.1. Mit einer am 5. März 2024 beim Zivilkreisgericht Basel-Landschaft Ost gegen B.________ eingereichten Klage verlangt A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Rohrer, die Abänderung des Ehescheidungsurteils des Zivilkreisgerichts vom 22. November 2022. Die Klage betrifft die in der Scheidungsvereinbarung festgehaltenen Grundlagen der Unterhaltsberechnung und den Unterhalt für das gemeinsame Kind C.________. Zudem ersuchte A.________ um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung durch seine Rechtsvertreterin.
Ebenfalls am 5. März 2024 ersuchte A.________ um superprovisorische Massnahmen und auch in diesem Zusammenhang um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Mit Verfügung vom 7. März 2024 wies das Zivilkreisgericht das Gesuch um superprovisorische Massnahmen ab.
An der Einigungsverhandlung vom 30. April 2024 beantragte B.________ die Klageabweisung. Nach der Einigungsverhandlung wies der Zivilkreisgerichtspräsident mit Verfügung vom 30. April 2024 das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit der Begehren ab und setzte A.________ Frist bis zum 3. Juni 2024 zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 2'500.--.
1.2. Gegen die Verfügung vom 30. April 2024 erhob A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Rohrer, am 27. Mai 2024 Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft. Er ersuchte um Aufhebung der Verfügung und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das Abänderungsverfahren sowie das Beschwerdeverfahren.
Mit Verfügung vom 28. Mai 2024 leitete das Kantonsgericht die Beschwerde dem Zivilkreisgericht und B.________ zur Stellungnahme weiter, wobei es darauf hinwies, dass die Stellungnahme für B.________ fakultativ sei. Mit Eingabe vom 5. Juni 2024 (Postaufgabe) beantragte das Zivilkreisgericht die Abweisung der Beschwerde. B.________ reichte keine Stellungnahme ein. Am 27. Juni 2024 reichte A.________ eine weitere Stellungnahme ein.
Mit Entscheid vom 13. August 2024 hiess das Kantonsgericht die Beschwerde gut. Es hob die Verfügung vom 30. April 2024 auf und bewilligte dem Beschwerdeführer für das Abänderungsverfahren vor dem Zivilkreisgericht (Verfahren Nr. 120 24 398 I) die unentgeltliche Rechtspflege und ordnete ihm Rechtsanwältin Claudia Rohrer als unentgeltliche Rechtsbeiständin zu. Es auferlegte die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 600.-- dem Kanton Basel-Landschaft und ordnete die Auszahlung eines Honorars von Fr. 2'000.-- an Rechtsanwältin Claudia Rohrer aus der Gerichtskasse an.
1.3. Gegen diesen Entscheid hat das Zivilkreisgericht Basel-Landschaft Ost (handelnd durch den Gerichtspräsidenten sowie eine Gerichtsschreiberin) am 24. September 2024 Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Es verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Abweisung des Gesuchs von A.________ um unentgeltliche Rechtspflege für das Abänderungsverfahren vor dem Zivilkreisgericht; eventuell sei die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen; dies alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten von A.________, eventualiter zulasten seiner Rechtsvertreterin.
Das Bundesgericht hat auf den Beizug der Akten verzichtet und keine Beschwerdeantworten eingeholt.
2.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine bei ihm eingereichte Beschwerde zulässig ist (BGE 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1; 141 III 395 E. 2.1).
2.1. Der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts betrifft die unentgeltliche Rechtspflege in einem Verfahren auf Abänderung eines Scheidungsurteils. Die Angelegenheit unterliegt damit grundsätzlich der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 BGG). Zur Beschwerde berechtigt ist nur, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG) und durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Ein Anwendungsfall der Behördenbeschwerde gemäss Art. 76 Abs. 2 BGG liegt nicht vor.
2.2. Das Zivilkreisgericht behauptet, über ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG zu verfügen, da das Kantonsgericht A.________ die unentgeltliche Rechtspflege in einem offensichtlich aussichtslosen Verfahren gewährt habe, womit das Zivilkreisgericht das Honorar an dessen Rechtsvertreterin zu leisten hätte. Das Zivilkreisgericht werde damit - neben der Durchführung eines aussichtslosen Verfahrens auf Kosten des Steuerzahlers - zu konkreten Vermögensdispositionen zu seinen Lasten gezwungen, für die keine Rechtsgrundlage bestehe. Die Rückzahlungspflicht ändere daran nichts. Die Beschwerdeberechtigung ergebe sich auch daraus, dass das Kantonsgericht das Zivilkreisgericht als Beschwerdegegner bezeichnet und zu einer obligatorischen Stellungnahme aufgefordert habe. Habe das Kantonsgericht dem Zivilkreisgericht im kantonsgerichtlichen Verfahren zugestanden, die eigene Schuldnerstellung zu verhindern, müsse dies auch vor Bundesgericht möglich sein. Wenn niemand den gutheissenden Entscheid des Kantonsgerichts anfechten könne, hätte das Kantonsgericht diesen nur summarisch begründen und ohne Rechtsmittelbelehrung eröffnen können.
2.3. Ein Richter bzw. ein unteres kantonales Gericht ist nicht zur Beschwerde gegen die Aufhebung eines von ihm erlassenen Entscheids durch die Rechtsmittelinstanz befugt (vgl. BGE 107 Ia 266 S. 269; 149 IV 213 E. 2). Daran ändern die Ausführungen des Zivilkreisgerichts nichts, wonach es sich zur Durchführung eines aussichtslosen Verfahrens auf Kosten des Steuerzahlers gezwungen sehe. Die Ausrichtung eines Honorars an den unentgeltlichen Rechtsvertreter betrifft die allgemeinen Kantonsfinanzen, unabhängig davon, über welche Amtsstelle die Ausrichtung des Honorars genau erfolgt, d.h. auch dann, wenn die Zahlung aus der Gerichtskasse des Zivilkreisgerichts erfolgen sollte. Inwiefern das Zivilkreisgericht berufen sein könnte, allgemein die finanziellen Interessen des Kantons zu wahren, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen stünde auch dem Kanton eine solches Beschwerderecht nicht zu, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen:
Zur Beschwerdelegitimation des Gemeinwesens in finanziellen Belangen besteht eine reiche Rechtsprechung zu Art. 89 Abs. 1 BGG, der das allgemeine Recht zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten regelt und dessen Wortlaut sich - soweit von Interesse - mit demjenigen von Art. 76 Abs. 1 BGG deckt. Die entsprechende Praxis kann demnach bei der Anwendung von Art. 76 Abs. 1 BGG zumindest vergleichsweise berücksichtigt werden. Art. 89 Abs. 1 BGG ist - genau wie Art. 76 Abs. 1 BGG - in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten. Allerdings kann sich das Gemeinwesen auf Art. 89 Abs. 1 BGG stützen, falls es durch den angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird und nicht bloss das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung geltend macht (BGE 138 I 143 E. 1.3.1; 138 II 506 E. 2.1.1 mit Hinweisen und umfassender Kasuistik in der genannten und den folgenden Erwägungen). Dass ein Entscheid Auswirkungen auf die Finanzen des Gemeinwesens hat, genügt nicht für die Beschwerdeberechtigung (BGE 138 II 506 E. 2.1.3, 2.3 und 2.4). Insbesondere ist das Gemeinwesen nicht legitimiert, wenn ihm in Beschwerdeentscheiden gegen seine Verfügungen Verfahrens- oder Parteikosten auferlegt werden (BGE 138 II 506 E. 2.1.3 mit Hinweisen). In BGE 138 II 506 E. 2.4 wurde dem Kanton sodann die Berechtigung zur Beschwerde gegen einen Entscheid abgesprochen, in dem es um die Verjährung der Rückzahlungsforderung für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 123 Abs. 2 ZPO bzw. übergangsrechtliche Regelung) ging.
Vorliegend geht es nicht um die Rückzahlungsforderung, sondern um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. die entsprechenden Kostenfolgen für den Staat. In Bezug auf die Beschwerdeberechtigung liegt jedoch kein Unterschied vor. Das Gemeinwesen ist nicht wie ein Privater, sondern bloss allgemein in seinen fiskalischen Interessen in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger betroffen (vgl. BGE 138 II 506 E. 2.3) Über die finanziellen Auswirkungen des angefochtenen Entscheids hinaus wird die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht tangiert (vgl. BGE 138 II 506 E. 2.4). Vielmehr deckt sich das finanzielle Interesse des Gemeinwesens mit der Frage der richtigen Rechtsanwendung (nämlich in Bezug auf die Beurteilung der Aussichtslosigkeit der Abänderungsklage), was für die Beschwerdeberechtigung nicht genügt (vgl. BGE 138 II 506 E. 2.3).
2.4. Für die Frage des schutzwürdigen Interesses gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist sodann unerheblich, in welcher Form das Zivilkreisgericht am kantonsgerichtlichen Verfahren teilgenommen hat (dazu Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG). Namentlich ist nicht von Belang, ob es dort ausdrücklich als "Beschwerdegegner" bezeichnet wurde und ob die Stellungnahme vorgeschrieben war oder nicht. All dies verschafft dem Zivilkreisgericht noch kein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG. Ebenso wenig folgt ein schutzwürdiges Interesse daraus, dass der kantonsgerichtliche Entscheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war. In der Belehrung wurde vorbehalten, dass sich Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG richtet.
2.5. Auf die Beschwerde kann demnach nicht eingetreten werden.
3.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und B.________ mitgeteilt.
Lausanne, 18. Oktober 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Zingg