1C_245/2024 30.09.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_245/2024
Urteil vom 30. September 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag, Müller,
Gerichtsschreiber Vonlanthen.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Kuster,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________,
Beschwerdegegner,
Gemeinde Lumnezia,
Postfach 54, 7144 Vella,
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Luca Peng.
Gegenstand
Baueinsprache/Baugesuch (Auflage),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer,
vom 21. Dezember 2023 (R 22 112 und R 22 117).
Sachverhalt:
A.
Die Gemeinde Lumnezia erteilte A.________ am 27. April 2022 die Bewilligung für die Erstellung eines ebenerdigen Betonsockels, welcher in der nordöstlichen Ecke der Parzelle Nr. 2418 angrenzend an die Parzellen Nr. 2184 (Norden) und Nr. 2428 (Osten) zu stehen kommen soll. Tags darauf, am 28. April 2022, ersuchte A.________ sodann um Bewilligung der Montage eines sog. Solartrackers auf dem bewilligten Betonsockel.
Gegen das Baugesuch vom 28. April 2022 erhob B.________, Eigentümer der benachbarten Parzelle Nr. 2428, bei der Baukommission der Gemeinde Lumnezia Einsprache. Diese wies die Einsprache am 12. Juli 2022 ab, woraufhin B.________ mit Einsprache an den Gemeindevorstand der Gemeinde Lumnezia gelangte. Am 24. November 2022 wies auch der Gemeindevorstand das Rechtsmittel ab und erteilte die ersuchte Baubewilligung, jedoch unter Auflagen. Insbesondere dürften die beweglichen Teile des Solartrackers in der Ruhestellung (0° gegenüber der Horizontalen) - vorbehaltlich nachbarschaftlicher Vereinbarungen - bis maximal auf 1,5 m an die Grundstücksgrenzen zu den Nachbarparzellen ragen. Vor Baubeginn sei - unter Einreichung eines entsprechenden Situationsplans zur Genehmigung - ein Nachweis über die Einhaltung dieses Abstandes gegenüber der Parzelle Nr. 2428 beizubringen.
Gegen den Entscheid des Gemeindevorstands gelangten sowohl B.________ als auch A.________ mit Beschwerden vom 10. bzw. 22. Dezember 2022 an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Während der Nachbar den Bauabschlag beantragte, verlangte der Bauherr die Erteilung der Baubewilligung ohne eine Auflage betreffend den Grenzabstand.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden vereinigte die beiden Beschwerdeverfahren und entschied mit Urteil vom 21. Dezember 2023, dass die Beschwerde von A.________ abgewiesen (Dispositivziffer 1.1) und diejenige von B.________ teilweise gutgeheissen werde. Der Bau- und Einspracheentscheid vom 24. November 2022 wurde aufgehoben und die Angelegenheit zu neuem Entscheid an die Gemeinde Lumnezia zurückgewiesen (Dispositivziffer 1.2). Aus den Erwägungen geht hervor, die Gemeinde habe nachgebesserte Baugesuchsunterlagen einzuholen und zu prüfen, ob der geringe Abstand zur Bauzonengrenze einen Einfluss auf die Bewilligungsfähigkeit des Projekts habe.
C.
A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und beantragt, Dispositivziffer 1.1 des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden aufzuheben und es sei die Angelegenheit an die Gemeinde zurückzuweisen, um die Baubewilligung ohne Einhaltung eines Grenzabstandes zu erteilen, sofern die restlichen Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind.
B.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Gemeinde Lumnezia schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf eingetreten werden könne. Das Verwaltungsgericht verzichtet unter Hinweis auf das angefochtene Urteil auf eine Vernehmlassung. A.________ reichte keine weitere Stellungnahme ein.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3 mit Hinweis).
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen End- und Teilentscheide, die das Verfahren in der Hauptsache - aus materiellen oder formellen Gründen - ganz oder teilweise abschliessen (Art. 90 und 91 BGG; BGE 146 I 36 E. 2.2 mit Hinweis). Vor- und Zwischenentscheide sind demgegenüber Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen, sondern bloss eine formell- oder materiellrechtliche Frage im Hinblick auf die Verfahrenserledigung regeln, mithin einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen (BGE 139 V 42 E. 2.3).
Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide, die nicht die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll. Sie ist restriktiv zu handhaben, können Vor- und Zwischenentscheide doch gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG durch Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (BGE 144 III 253 E. 1.3 mit Hinweisen). Es obliegt der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Anfechtbarkeit eines Zwischenentscheids erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich ist (BGE 149 II 170 E. 1.3 mit Hinweis; Urteil 1C_12/2024 vom 1. Juli 2024 E. 2.2, zur Publikation vorgesehen).
1.2. Mit dem angefochtenen Urteil hat die Vorinstanz die Angelegenheit "zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen" an die Gemeinde zurückgewiesen. Aus den Erwägungen ergibt sich zum einen, dass es die Gemeinde unterlassen habe zu prüfen, ob aufgrund des geringen Abstands zur Bauzonengrenze Auswirkungen auf die benachbarte Landwirtschaftszone zu erwarten sind. Diesfalls hätte sie (allenfalls unter Einbezug der dafür zuständigen kantonalen Behörden) die Konformität auch mit der angrenzenden Zone prüfen müssen. Die Gemeinde müsse sich mit diesem Aspekt auseinandersetzen. Zum anderen gelangt die Vorinstanz zum Schluss, die Baugesuchsunterlagen seien unzureichend, um die Rechtmässigkeit des geplanten Solartrackers umfassend beurteilen zu können. Die Gemeinde habe deshalb den Baugesuchsteller zur Verbesserung des Baugesuchs aufzufordern und gestützt auf die später vorliegenden, aussagekräftigen und vollständigen Baugesuchsakten über das Baugesuch neu zu entscheiden.
Daraus folgt, dass das angefochtene Urteil das Baubewilligungsverfahren nicht abschliesst. Es handelt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, sondern um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG (vgl. BGE 142 II 20 E. 1.2; Urteil 1C_64/2023 vom 9. November 2023 E. 1.3 f.). Zwar behandelt das Bundesgericht Rückweisungsentscheide ausnahmsweise wie Endentscheide, wenn die Rückweisung allein der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient und der unteren Instanz, an die zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt (vgl. BGE 149 II 170 E. 1.9; 142 II 20 E. 1.2: Urteil 1C_64/2023 vom 9. November 2023 E. 1.3). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor, hat doch die Gemeinde gemäss Rückweisungsentscheid anhand der nachträglich einzureichenden Unterlagen nicht nur zu beurteilen, ob die Grenzabstandsvorschriften eingehalten sind, sondern sich darüber hinaus mit den Auswirkungen des geringen Abstands zur Bauzonengrenze auseinanderzusetzen.
Der Umstand allein, dass die Vorinstanz über gewisse im Verfahren streitige Rechtsfragen abschliessend entschieden hat, deutet dabei nicht auf einen End- oder Teilentscheid hin. Grundsatzentscheide, die einen Teilaspekt einer Streitsache beantworten, ohne das Verfahren ganz oder teilweise zu beenden - worunter auch Rückweisungsentscheide mit verbindlichen Anweisungen fallen - gelten in der Systematik des Bundesgerichtsgesetzes als Zwischenentscheide (vgl. BGE 142 II 20 E. 1.2; 134 II 137 E. 1.3.2; je mit Hinweisen; Urteil 1C_64/2023 vom 9. November 2023 E. 1.4). An der Qualifizierung des angefochtenen Urteils als Zwischenentscheid vermag somit der Umstand, dass das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der kantonalen Vorinstanz erwog, die streitgegenständliche Solartrackeranlage müsse vorbehältlich einer nachbarschaftlichen Vereinbarung einen minimalen Grenzabstand von 1,5 m zu den Nachbarparzellen einhalten, nichts zu ändern. Das Baubewilligungsverfahren wird mit dem angefochtenen Urteil nicht abgeschlossen.
1.3. Der angefochtene Zwischenentscheid kann somit lediglich unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG selbständig angefochten werden.
Inwieweit der Beschwerdeführer einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erleiden sollte, ist nicht ersichtlich. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers wird dieser nicht dazu verpflichtet, ein neues Baugesuch einzureichen. Er hat laut dem angefochtenen Urteil lediglich seine Baugesuchsunterlagen zu ergänzen, da aus den bisherigen Unterlagen nicht eindeutig hervorgeht, in welchem Abstand zu den Parzellengrenzen und zur Bauzonengrenze die geplante Solartrackeranlage zu stehen kommt. Die Gemeinde wird gestützt darauf zu beurteilen haben, ob die Grenzabstände eingehalten sind und wie der entsprechende Abstand mit Blick auf die benachbarte Landwirtschaftszone zu beurteilen ist. Sollte die Gemeinde feststellen, dass die Grenzabstände nicht eingehalten sind und dementsprechend den Bauabschlag erteilen, kann der Beschwerdeführer diesen Entscheid anfechten. Im Rahmen dieses Rechtsmittelverfahrens kann er ohne Rechtsverlust auch vorbringen, es seien andere bzw. keine Grenzabstände einzuhalten.
Eine Anfechtbarkeit des angefochtenen Zwischenentscheids lässt sich auch nicht aus Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ableiten. Wie der Beschwerdeführer eigens festhält, wäre selbst bei einem Entscheid des Bundesgerichts hinsichtlich der Frage des einzuhaltenden Grenzabstands ein Bauentscheid der Baubewilligungsbehörde erforderlich, da diese sich unter anderem damit auseinanderzusetzen hat, wie der geringe Abstand zur Bauzonengrenze hinsichtlich der Baubewilligungsfähigkeit zu bewerten ist.
1.4. Die Voraussetzungen für die selbständige Anfechtbarkeit des angefochtenen Zwischenentscheids sind folglich nicht erfüllt. Dieser ist jedoch mit Beschwerde gegen den späteren Endentscheid anfechtbar, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG). Der Beschwerdeführer wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2023 anfechten können, wenn und sobald das Verfahren nach Beurteilung der nachzureichenden Unterlagen abgeschlossen sein wird (vgl. BGE 149 II 170 E. 1.10).
2.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Lumnezia und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. September 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Vonlanthen