2C_373/2024 30.10.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_373/2024
Verfügung vom 30. Oktober 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hänni, als Instruktionsrichterin,
Gerichtsschreiber Marti.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________, handelnd durch A.________, und B.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Spescha,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern,
Bahnhofstrasse 15, 6003 Luzern.
Gegenstand
Ausländerrecht, superprovisorische Massnahmen,
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, Einzelrichterin, vom 24. Juli 2024 (7H 24 168).
Erwägungen:
1.
1.1. Mit Urteil 2C_836/2021 vom 20. September 2023 bestätigte das Bundesgericht den Widerruf der Niederlassungsbewilligung des deutschen Staatsangehörigen A.________ (geb. 1971). Am 3. November 2023 reichte A.________ zusammen mit seiner in der Schweiz niedergelassenen polnischen Ehefrau B.________ (geb. 1973), und ihrem gemeinsamen Sohn C.________ (geb. 2013) ein neues Bewilligungsgesuch beim Amt für Migration des Kantons Luzern ein. Darin ersuchten sie, A.________ sei eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Erwerbstätigkeit und zum Verbleib bei seiner Familie zu erteilen.
1.2. Am 17. Juni 2024 erliess das Migrationsamt einen Zwischenentscheid mit dem es die Gewährung des prozeduralen Aufenthalts zugunsten von A.________ in der Schweiz ablehnte und ihn aufforderte, die Schweiz bis zum 7. Juli 2024 zu verlassen. Dagegen gelangten A.________, B.________ und C.________ mit Verwaltungsbeschwerde vom 27. Juni 2024 an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern. Sie beantragten unter anderem, der Zwischenentscheid vom 17. Juni 2024 sei aufzuheben, es sei festzustellen, dass der Verwaltungsbeschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme und dem Migrationsamt seien Vollzugsvorkehrungen superprovisorisch zu untersagen. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement wies das Gesuch um Erlass eines superprovisorischen Vollzugsstopps mit Zwischenentscheid vom 1. Juli 2024 ab und auf eine dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde trat das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 15. Juli 2024 nicht ein. Am selben Tag entschied das Justiz- und Sicherheitsdepartement über die Verwaltungsbeschwerde vom 27. Juni 2024. Es bestätigte dabei den Zwischenentscheid des Migrationsamts betreffend prozeduralem Aufenthalt und Ausreisefrist vom 17. Juni 2024.
1.3. Dagegen erhoben A.________, B.________ und C.________ am 22. Juli 2024 erneut Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Kantonsgericht. Sie verlangten insbesondere die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie, dass A.________ gestattet wird, sich bis zum Abschluss des Bewilligungsverfahrens in der Schweiz aufzuhalten. In prozessualer Hinsicht verlangten sie, es sei festzustellen, dass der VerwaItungsgerichtsbeschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme. Zudem seien dem Migrationsamt VoIIzugsvorkehrungen superprovisorisch zu untersagen. Mit Verfügung vom 24. Juli 2024 wies das Kantonsgericht den Antrag betreffend superprovisorische Massnahmen ab. Es erwog zusammengefasst, A.________ habe den Entscheid, ob die Voraussetzungen für die (Wieder-) Erteilung einer AufenthaItsbewiIIigung erfüllt seien, im Ausland abzuwarten, zumal prima vista nicht gesagt werden könne, er würde die ZuIassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllen.
1.4. Mit Eingabe vom 1. August 2024 gelangten A.________, B.________ und C.________ ans Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Zwischenentscheid des Kantonsgerichts vom 24. Juli 2024 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass A.________ bis zum materiellen Entscheid über sein Bewilligungsgesuch in der Schweiz aufenthaltsberechtigt sei.
Das Kantonsgericht Luzern beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtete darüber hinaus auf eine Vernehmlassung. Das Amt für Migration des Kantons Luzern liess sich nicht vernehmen.
Mit Verfügung vom 6. August 2024 hiess die Abteilungspräsidentin das Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw. vorsorgliche Massnahmen in dem Sinne gut, dass sie A.________ gestattete, den Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens in der Schweiz abzuwarten.
1.5. Am 25. September 2024 fällte das Kantonsgericht ein Urteil in der Sache. Es wies die Verwaltungsbeschwerde vom 22. Juli 2024 gegen den Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartement vom 15. Juli 2024 ab, soweit es darauf eintrat.
Auf Einladung des Bundesgerichts nahmen A.________, B.________ und C.________ mit Eingabe vom 21. Oktober 2024 dahingehend Stellung, dass das Verfahren gegenstandslos geworden und ihnen eine Parteientschädigung zuzusprechen sei, da die Beschwerde mutmasslich hätte gutgeheissen werden müssen.
2.
2.1. Nachdem das Kantonsgericht am 25. September 2024 in der Sache entschied (vorstehende E. 1.5), besteht kein aktuelles Interesse mehr daran, zu prüfen, ob die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers um Gestattung des prozeduralen Aufenthalts für dieses Verfahren zu Recht abgewiesen hat (vgl. Verfügung 2C_303/2022 vom 4. Mai 2022 E. 2).
2.2. Fällt das aktuelle Interesse im Verlaufe des bundesgerichtlichen Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP [SR 273]; BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 137 I 23 E. 1.3.1; jeweils mit Hinweisen). Es sind keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen würden, ausnahmsweise vom Erfordernis des aktuellen Interesses abzusehen (vgl. dazu BGE 146 II 335 E. 1.3; 142 I 135 E. 1.3.1; 139 I 206 E. 1.1).
2.3. Die Beschwerde kann somit durch die Instruktionsrichterin als Einzelrichterin als gegenstandslos abgeschrieben werden (Art. 32 Abs. 2 BGG).
3.
3.1. Über die Kosten- und Entschädigungsfrage ist gestützt auf eine summarische Prüfung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds zu entscheiden (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen, soweit sich dieser ohne Weiteres feststellen lässt (BGE 125 V 373 E. 2a; Verfügung 2C_778/2021 vom 17. Dezember 2021 E. 3.1). Andernfalls ist auf allgemein zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, welche das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder in welcher die Gründe eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass der Prozess gegenstandslos geworden ist (BGE 118 Ia 488 E. 4a; vgl. Verfügung 2C_303/2022 vom 4. Mai 2022 E. 3.1; Urteil 2C_622/2016 vom 31. März 2017 E. 3.1; Verfügung 2C_201/2008 vom 14. Juli 2008 E. 2.3).
3.2. Entscheidet eine Behörde über eine vorsorgliche Massnahme, tut sie dies anhand der ihr bis dahin zur Verfügung stehenden Akten aufgrund einer bloss summarischen Prüfung und Abwägung der im Spiel stehenden Interessen, ohne sich bereits vertieft mit den sich stellenden Sach- und Rechtsfragen auseinanderzusetzen (BGE 139 III 86 E. 4.2; 131 III 473 E. 2.3). Bei der entsprechenden Interessenabwägung kommt der Behörde praxisgemäss ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu (BGE 130 II 149 E. 2.2; 129 II 286 E. 3). Die Hauptsachenprognose kann dabei berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig ist (vgl. BGE 130 II 149 E. 2.2). Indessen soll der Entscheid über vorsorgliche Massnahmen den durch die Endverfügung zu regelnden Zustand weder präjudizieren noch verunmöglichen bzw. das Hauptverfahren nicht von vornherein als gegenstandslos erscheinen lassen (vgl. BGE 130 II 149 E. 2.2; Urteil 2C_595/2021 vom 30. September 2021 E. 4.3 mit Hinweisen).
3.3. Aufgrund einer summarischen Prüfung ist vorliegend davon auszugehen, dass die Beschwerde voraussichtlich gutgeheissen worden wäre, soweit darauf hätte eingetreten werden können:
Der angefochtene Zwischenentscheid des Kantonsgerichts vom 24. Juli 2024, mit welchem das superprovisorische Gesuch um Gestattung des prozeduralen Aufenthalts während des vorinstanzlichen Verfahrens abgewiesen wurde, nimmt den Entscheid in der Sache vorweg bzw. führt dazu, dass das Hauptverfahren, dessen Gegenstand die Gestattung des prozeduralen Aufenthalts während des hängigen neuen Bewilligungsverfahrens bildet (Art. 17 Abs. 2 AIG [SR 142.20]), seines Sinnes entleert wird. Zwar nimmt die Vorinstanz Bezug auf die negative Hauptsachenprognose, doch geht daraus für die hier infrage stehende Interessenabwägung nicht hervor, inwiefern das öffentliche Interesse an der Wegweisung des Beschwerdeführers vor Ausfällung des Entscheids über die Gestattung des prozeduralen Aufenthalts überwiegen soll (vgl. Verfügung 2C_303/2022 vom 4. Mai 2022 E. 3.3). Insoweit hat die Vorinstanz das superprovisorische Gesuch des Beschwerdeführers wohl zu Unrecht abgewiesen.
3.4. Dementsprechend sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführern zudem für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach verfügt die Instruktionsrichterin:
1.
Das Verfahren wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen.
4.
Diese Verfügung wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, Einzelrichterin, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 30. Oktober 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Instruktionsrichterin: J. Hänni
Der Gerichtsschreiber: C. Marti