2C_430/2024 12.11.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_430/2024, 2C_432_2024, 2C_433/2024, 2C_471/2024
Verfügung vom 12. November 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hänni, als Instruktionsrichterin,
Gerichtsschreiber Marti.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 12, 4051 Basel,
Justiz- und Sicherheitsdepartement
des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 6, 4001 Basel.
Gegenstand
Ausreisefrist, aufschiebende Wirkung, unentgeltliche
Rechtspflege, Kostenvorschuss,
Beschwerden gegen die Verfügungen des Appellationsgerichts Basel-Stadt, Präsident, vom 27. August 2024, vom 30. August 2024, vom 6. September 2024 und vom 19. September 2024 (VD.2024.136).
Erwägungen:
1.
1.1. Mit Urteil des Bundesgerichts 2C_389/2022 vom 23. September 2022 wurden der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des deutschen Staatsangehörigen A.________ (geb. 1960) sowie dessen Wegweisung aus der Schweiz rechtskräftig. Die ihm angesetzte viermonatige Ausreisefrist (vom 9. März 2024) erachtete das Bundesgericht mit Urteil 2C_169/2024 vom 4. Juni 2024 als nicht offensichtlich unverhältnismässig und unhaltbar. Es wies die von A.________ in diesem Zusammenhang erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
1.2. Am 23. Juli 2024 ersuchte A.________ beim Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt (erneut) um Erstreckung der Ausreisefrist. Mit Antwortschreiben vom 5. August 2024 wies ihn das Migrationsamt darauf hin, dass er sich rechtswidrig in der Schweiz aufhalte und das Land umgehend zu verlassen habe. Mit Eingabe vom 9. August 2024 gelangte A.________ an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, welches die Aufforderung des Migrationsamts, er habe die Schweiz zu verlassen, mit Schreiben vom 15. August 2024 bestätigte. Dagegen erhob A.________ Rekurs beim Appellationsgericht Basel-Stadt.
1.3. Im Rahmen des Rekursverfahrens erliess der Präsident des Appellationsgerichts am 27. August 2024 eine Zwischenverfügung. Darin wies er A.________s Antrag, ihm sei vorsorglich der Aufenthalt in der Schweiz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rekursverfahrens zu gestatten, sowie seinen Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege ab. Ausserdem wurde A.________ - unter Androhung des Nichteintretens - eine am 16. September 2024 ablaufende, einmal kurz erstreckbare Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 600.-- angesetzt. Zur Begründung führte der Präsident des Appellationsgerichts aus, dass der von A.________ in der Sache ersuchten Erstreckung der Ausreisefrist in vorläufiger und summarischer Beurteilung keine Erfolgschance zukomme. Auf zwei Gesuche von A.________ um Wiedererwägung der Verfügung vom 27. August 2024 (betreffend den Kostenvorschuss) trat der Präsident des Appellationsgerichts Basel-Stadt mit Verfügungen vom 30. August 2024 und 6. September 2024 nicht ein.
2.
2.1. Am 10. September 2024 gelangt A.________ gegen die Präsidialverfügungen des Appellationsgerichts vom 27. August 2024 (Verfahren 2C_430/2024), vom 30. August 2024 (Verfahren 2C_432/2024) und vom 6. September 2024 (Verfahren 2C_433/2024) ans Bundesgericht. Mit einer einzigen Eingabe erhebt er Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerden und beantragt im Wesentlichen, die angefochtenen Verfügungen seien aufzuheben, ihm sei im vorinstanzlichen Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und er sei von der Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses zu befreien. Zudem sei ihm der prozedurale Aufenthalt zu gewähren und es seien hinsichtlich seiner Wegweisung jegliche Vollstreckungs- und Vollziehungsmassnahmen zu unterlassen. In prozessualer Hinsicht verlangt er für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege.
2.2. Mit Verfügung vom 17. September 2024 vereinigte die Präsidentin der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die Verfahren 2C_430/2024, 2C_432/2024 und 2C_433/2024 (Dispositiv-Ziff. 1). Gleichzeitig hiess sie das Gesuch von A.________ um aufschiebende Wirkung bzw. vorsorgliche Massnahmen in dem Sinne gut, dass er nicht gehalten ist, den Kostenvorschuss gemäss Verfügung des Präsidenten des Appellationsgerichts vom 27. August 2024 zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 2). Das gleichzeitig gestellte Gesuch um vorsorgliche Gestattung des Aufenthalts während der Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens wies die Abteilungspräsidentin jedoch ab (Dispositiv-Ziff. 3).
2.3. Mit Verfügung vom 19. September 2024 trat der Präsident des Appellationsgerichts auf ein weiteres Gesuch von A.________ um Wiedererwägung der Verfügung vom 27. August 2024 nicht ein. Gleichzeitig verfügte er, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Auch gegen diese Verfügung vom 19. September 2024 erhebt A.________ mit Eingabe vom 24. September 2024 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Verfahren 2C_471/2024). Er beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und das Appellationsgericht sei anzuweisen, auf seine Wiedererwägungsgesuche einzutreten. Im Übrigen wiederholt er im Wesentlichen die bereits mit Beschwerden vom 10. September 2024 gestellten Anträge (vorstehende E. 2.1).
2.4. Mit Verfügung vom 30. September 2024 wies die Präsidentin der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts auch im Verfahren 2C_471/2024 das Gesuch um vorsorgliche Gestattung des Aufenthalts während der Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens ab. Mit Verfügung gleichen Datums wies die Abteilungspräsidentin zudem im Verfahren 2C_430/2024, 2C_432/2024 und 2C_433/2024 ein Gesuch von A.________ um Wiedererwägung (betreffend Dispositiv-Ziff. 3) der bundesgerichtlichen Verfügung vom 17. September 2024 ab.
2.5. Am 4. Oktober 2024 erging das Urteil in der Sache des Appellationsgerichts, mit welchem es den Rekurs von A.________ gegen den Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 15. August 2024 abwies.
Auf Einladung der Instruktionsrichterin nahm A.________ dazu mit Eingabe vom 21. Oktober 2024 Stellung: Er führt unter anderem aus, dass die bundesgerichtlichen Verfahren 2C_430/2024, 2C_432/2024 und 2C_433/2024 sowie 2C_471/2024 gegenstandslos geworden sein dürften. Soweit dies nicht der Fall sei, beantrage er den Rückzug der Beschwerden. Zudem solle von einer Kostenauferlegung abgesehen werden.
3.
Die Eingabe von A.________ vom 24. September 2024 im Verfahren 2C_471/2024 (vorstehende E. 2.3) betrifft denselben Sachverhalt und wirft dieselben Fragen auf wie die bereits vereinigten Beschwerdeverfahren 2C_430/2024, 2C_432/2024 und 2C_433/2024 (vorstehende E. 2.1 f.). Insofern erscheint es zweckmässig, auch das Verfahren 2C_471/2024 mit den Verfahren 2C_430/2024, 2C_432/2024 und 2C_433/2024 zu vereinigen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP; vgl. auch BGE 131 V 59 E. 1; Urteil 2C_313/2024, 2C_314/2024 vom 19. Juni 2024 E. 2).
4.
4.1. Am 4. Oktober 2024 erging das Urteil des Appellationsgerichts in der Sache (vorstehende E. 2.5). Spätestens seit diesem Zeitpunkt besteht kein aktuelles Interesse mehr daran, die Beschwerden gegen die angefochtenen Zwischenentscheide zu behandeln (vgl. BGE 139 II 233, nicht publ. E. 2; Urteil 2C_163/2024, 2C_260/2024 vom 5. Juni 2024 E. 2; Verfügung 2C_303/2022 vom 4. Mai 2022 E. 2).
4.2. Fällt das aktuelle Interesse im Verlaufe des bundesgerichtlichen Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP [SR 273]; BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 137 I 23 E. 1.3.1; jeweils mit Hinweisen). Es sind keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen würden, ausnahmsweise vom Erfordernis des aktuellen Interesses abzusehen (vgl. dazu BGE 146 II 335 E. 1.3; 142 I 135 E. 1.3.1; 139 I 206 E. 1.1; Verfügung 2C_1028/2020 vom 4. März 2021 E. 1.2).
4.3. Die Beschwerden können somit durch die Instruktionsrichterin als Einzelrichterin als gegenstandslos abgeschrieben werden (Art. 32 Abs. 2 BGG).
5.
Über die Kosten- und Entschädigungsfrage ist gestützt auf eine summarische Prüfung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds zu entscheiden (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen, soweit sich dieser ohne Weiteres feststellen lässt (BGE 125 V 373 E. 2a; Verfügung 2C_778/2021 vom 17. Dezember 2021 E. 3.1). Andernfalls ist auf allgemein zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, welche das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder in welcher die Gründe eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass der Prozess gegenstandslos geworden ist (BGE 118 Ia 488 E. 4a; Urteil 2C_622/2016 vom 31. März 2017 E. 3.1; Verfügung 2C_201/2008 vom 14. Juli 2008 E. 2.3).
6.
Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, muss aufgrund einer summarischen Prüfung davon ausgegangen werden, dass die vorliegenden Beschwerden voraussichtlich abgewiesen worden wären, soweit darauf hätte eingetreten werden können.
6.1. Die Beschwerden richten sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie des prozeduralen Aufenthalts in Bezug auf das vorinstanzliche Rekursverfahren. Beides begründete die Vorinstanz im mitunter angefochtenen Zwischenentscheid vom 27. August 2024 unter Berufung auf die fehlenden Erfolgsaussichten des vom Beschwerdeführer erhobenen Rekurses. Sie hielt diesbezüglich fest, dass der Beschwerdeführer eine Erstreckung der Ausreisefrist verlange bis zum Abschluss seines Einbürgerungsverfahrens, bis zum Abschluss des hängigen Rekursverfahrens betreffend (Neu-) Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und bis zur Beendigung des kriegerischen Konflikts betreffend die Ukraine zwischen der NATO bzw. deren Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation resp. für einen über die angesetzte Ausreisefrist hinausgehenden angemessenen Zeitraum. Diesen Gesuchen komme laut Vorinstanz in vorläufiger und summarischer Beurteilung der Sache keine Erfolgschance zu. Namentlich sei die Angemessenheit der Ausreisefrist bereits rechtskräftig beurteilt worden.
6.2. Auch in seinen Beschwerden vor Bundesgericht beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, Aspekte infrage zu stellen, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde. (Neue) Vorbringen, worin potentielle Gründe für eine (nochmalige) Erstreckung der Ausreisefrist liegen könnten, sind nicht ersichtlich. Im Rahmen einer summarischen Prüfung erscheint es insbesondere unzutreffend, dass sich die Lage in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg so verändert habe, dass der Beschwerdeführer - in Abweichung zur bisherigen bundesgerichtlichen Beurteilung - bei einer Ausreise nach Deutschland einer konkreten Gefährdungslage ausgesetzt sein könnte. Auch darin, dass andere sich rechtswidrig in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt aufhaltende EU-Bürger und abgewiesene Asylsuchende geduldet würden, ist kein potentieller Grund zu erkennen, der eine (nochmalige) Erstreckung der Ausreisefrist rechtfertigen könnte.
6.3. Vor diesem Hintergrund ist gestützt auf eine summarische Prüfung zum einen davon auszugehen, dass die Vorinstanz den Rekurs des Beschwerdeführers als aussichtslos qualifizieren und damit die unentgeltliche Rechtspflege verweigern durfte (Art. 29 Abs. 3 BV; BGE 142 III 138 E. 5.1; 139 III 475 E. 2.2; Urteil 2C_486/2023 vom 12. Dezember 2023 E. 4.1). Zum anderen ist aufgrund der klaren Hauptsachenprognose auch nicht auszumachen, dass die Vorinstanz den prozeduralen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Verletzung verfassungsmässiger Rechte (vgl. Art. 98 BGG) verweigert hat. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen - wie er hier hinsichtlich des prozeduralen Aufenthalts vorliegt - nur auf, wenn die beanstandete Interessenabwägung vernünftiger Grundlage entbehrt und nicht nachvollziehbar erscheint, d.h. letztlich unhaltbar bzw. willkürlich ist (BGE 129 II 286 E. 3; Urteile 2C_576/2023 vom 18. Januar 2024 E. 7.1; 2C_876/2021 vom 2. November 2022 E. 2.1; 2C_146/2016 vom 11. Februar 2016 E. 2.1). Dass dies hier zutreffen würde, vermag der Beschwerdeführer bei einer summarischen Beurteilung nicht darzutun.
6.4. Nach Gesagtem ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vor Bundesgericht voraussichtlich unterlegen wäre.
7.
Es rechtfertigt sich indes, von einer Kostenauflage abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach verfügt die Instruktionsrichterin:
1.
Die Verfahren 2C_430/2024, 2C_432/2024 und 2C_433/2024 sowie das Verfahren 2C_471/2024 werden vereinigt.
2.
Die Verfahren werden als gegenstandslos abgeschrieben.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Diese Verfügung wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht Basel-Stadt, Präsident, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 12. November 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Instruktionsrichterin: J. Hänni
Der Gerichtsschreiber: C. Marti