6B_345/2024 08.11.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_345/2024
Urteil vom 8. November 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Denys,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichter Muschietti.
Bundesrichter von Felten,
Gerichtsschreiber Matt.
Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Ivan Brüschweiler,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 11. März 2024 (SST.2023.267).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau wirft A.________ (Beschwerdeführer) vor, am 14. März 2021 zwischen 11:50 Uhr und 12:05 Uhr auf der Autobahn A1 in Richtung Bern - ohne den Fahrzeugausweis mitzuführen - eine Fahrzeuggruppe durch den Wechsel von der Überhol- auf die Normalspur sowie Erhöhung der Geschwindigkeit rechts überholt und danach wieder auf die Überholspur gewechselt zu haben. Weiter sei er auf der Überholspur dem vor ihm fahrenden Fahrzeug über eine Distanz von ca. 222 Metern mit einem Abstand von lediglich 7 m bis 8 m bei einer Geschwindigkeit von mindestens 90 km/h gefolgt. Etwas später habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 174,77 km/h um 49 km/h überschritten.
Mit Strafbefehl vom 12. Juli 2021 sprach die Staatsanwaltschaft A.________ der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Rechtsüberholen, ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren und Missachtung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit sowie des Nichtmitführens des erforderlichen Fahrzeugausweises schuldig.
Das Bezirksgericht Aarau (Einzelgericht) und das Obergericht des Kantons Aargau sprachen A.________ am 26. September 2023 resp. 11. März 2024 von Schuld und Strafe frei.
B.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese verzichtet auf eine Vernehmlassung. Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:
1.
1.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG). Darunter fällt namentlich die Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG).
1.2. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau ist zur Beschwerde legitimiert. Sie stellt ein kassatorisches Rechtsbegehren. Ein solches ist zulässig, wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 137 II 313 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1). Die Beschwerdeführerin macht geltend, dies sei der Fall, da die Vorinstanz ihren Entscheid im Wesentlichen auf die Frage der Verwertbarkeit der Beweismittel beschränkt habe, während Ausführungen zur rechtlichen Subsumption und zur Sanktion fehlten. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Die Vorinstanz hat die Verwertbarkeit der Aufnahmen von Verkehrsüberwachungskameras, die die Gesetzesverstösse des Beschwerdegegners zeigen, unter Hinweis auf Art. 141 StPO verneint und den Beschwerdegegner freigesprochen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, entgegen der Vorinstanz bestehe für die Erstellung und Weitergabe der Aufnahmen an sie eine gesetzliche Grundlage.
2.1.
2.1.1. Art. 141 Abs. 2 StPO zufolge dürfen Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO verwertbar. Ermöglichte ein Beweis, der nach Absatz 2 nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre (Art. 141 Abs. 4 StPO in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung).
2.1.2. Die Videoüberwachung betrifft insbesondere das Recht auf Privatsphäre (Art. 13 BV). Das Bundesgericht hat mehrfach festgehalten, dass die Erhebung, Aufbewahrung und Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten, worunter auch Videoaufnahmen fallen, im öffentlich-rechtlichen Verhältnis in das Recht auf Privatsphäre bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen (BGE 145 IV 42 E. 4.2; 138 I 331 E. 5.1; je mit Hinweisen). Die informationelle Selbstbestimmung kann wie andere Grundrechte gestützt auf und nach den Kriterien von Art. 36 BV eingeschränkt werden. Einschränkungen bedürfen demnach einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein und müssen sich schliesslich als verhältnismässig erweisen. Um den Garantien von Art. 13 BV zu genügen, verlangt das Bundesgericht, dass die systematische Datenerfassung und -aufbewahrung von angemessenen und wirkungsvollen rechtlichen Schutzvorkehrungen begleitet werden, um Missbräuchen und Willkür vorzubeugen (BGE 144 1 126 E. 8.3.4 mit Hinweisen). Es ist jedenfalls nicht angebracht, mit dem Schlagwort der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unbeschränkte Überwachungen zu begründen, die in vielfältigsten Ausgestaltungen unterschiedlichen Zwecken dienen können. Die Beweiserhebung ist zudem nur dann rechtmässig, wenn und soweit gesamthaft betrachtet die Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns gemäss Art. 5 BV eingehalten und die Grundrechte der betroffenen Personen ausreichend beachtet wurden. Die Staatsanwaltschaft kann sich dem Gebot, Beweise rechtmässig zu erheben, nicht dadurch entziehen, dass sie sich aktiv anderer staatlicher Organe bedient, für welche die Grundsätze gemäss Art. 5 BV ebenso gelten und die die Grundrechte ebenfalls unmittelbar zu beachten haben (BGE 146 | 11 E. 3.3.2; 136 | 87 E. 8.3; Urteil 6B_1288/2019 vom 21. Dezember 2020 E. 2.2 f.).
2.1.3. Das Erstellen von Aufnahmen im öffentlichen Raum, auf denen Personen oder Autokennzeichen erkennbar sind, stellt ein Bearbeiten von Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a und lit. e des bis 31. August 2023 gültigen Bundesgesetzes über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 (DSG; SR 235.1) dar (BGE 147 IV 9 E. 1.3.2; 138 II 346 E. 6.5). Art. 4 Abs. 4 DSG bestimmt, dass die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein muss. Die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit von einer erkennbaren Beschaffung gesprochen werden kann, sind nach den Umständen sowie den Grundsätzen der Verhältnismässigkeit und von Treu und Glauben zu beurteilen (Art. 4 Abs. 2 aDSG). Erkennbarkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 4 aDSG bedeutet, dass eine betroffene Person aus den konkreten Umständen heraus mit einer Datenbeschaffung und dem Zweck der Datenbearbeitung rechnen musste oder, dass sie entsprechend informiert bzw. aufgeklärt wird. Je einschneidender die Datenbearbeitung in Bezug auf die Persönlichkeitsrechte ist, desto höhere Anforderungen sind an die Transparenz zu stellen (MAURER-LAMBROU/STEINER, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl. 2014, N. 16b f. zu Art. 4 aDSG). Die Missachtung dieses Grundsatzes stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar (Art. 12 Abs. 2 lit. a aDSG). Diese ist gemäss Art. 13 Abs. 1 aDSG widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Rechtfertigungsgründe beim Verstoss gegen einen Grundsatz von Art. 4 aDSG dürfen nur mit grosser Zurückhaltung bejaht werden. Hierzu sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen der Umfang der bearbeiteten Daten, der systematische und unbestimmte Charakter der Bearbeitung und der Personenkreis, der auf die Daten zugreifen kann, gehören (BGE 147 IV 16 E. 2.3; 138 II 346 E. 7.2 und E. 8 mit Hinweis). Wird die Rechtswidrigkeit durch einen Rechtfertigungsgrund aufgehoben, ist der Beweis uneingeschränkt verwertbar (zum Ganzen: Urteil 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2 mit Hinweisen).
2.1.4. Die Bestimmungen des 4. Kapitels "Nationale Rechtshilfe" regeln nach Art. 43 Abs. 1 StPO die Rechtshilfe in Strafsachen von Behörden des Bundes und der Kantone zugunsten der Staatsanwaltschaften, Übertretungsstrafbehörden und Gerichte des Bundes und der Kantone. Als Rechtshilfe gilt jede Massnahme, um die eine kantonale oder eidgenössische Behörde die andere im Rahmen ihrer Zuständigkeit in einem hängigen Strafverfahren ersucht (Art. 43 Abs. 4 StPO).
Gemäss Art. 44 StPO sind die Behörden des Bundes und der Kantone zur Rechtshilfe verpflichtet, wenn Straftaten nach Bundesrecht in Anwendung dieses Gesetzes verfolgt und beurteilt werden. Die Rechtshilfeverpflichtung trifft nicht nur die Strafbehörden des Bundes und der Kantone (eingeschlossen die der Gemeinden), sondern alle Behörden (BGE 149 IV 352 E. 1.3.2). Es ist von einem weiten Behördenbegriff auszugehen (CLAUDIA RIEDI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 3 zu Art. 44 StPO). Grundsätzlich ist die Rechtshilfe vorbehaltlos zu gewähren (BGE 129 IV 141 E. 3.2.1, publ. in: Pra 92 (2003) Nr. 185; 123 IV 157 E. 4a; STEFAN HEIMGARTNER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 3. Aufl. 2020, N. 4 zu Art. 44 StPO; LAURENT MOREILLON, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 4 zu Art. 43 StPO). Die ersuchte Behörde ist nicht befugt zu prüfen, ob die verlangte Massnahme materiell begründet oder aus dem Gesichtspunkt des von der ersuchenden Behörde betriebenen Verfahrens zweckmässig und notwendig ist (BGE 149 IV 352 E. 1.3.2; 129 IV 141 E. 3.2.1, publ. in: Pra 92 (2003) Nr. 185; 119 IV 86 E. 2c; 115 IV 67 E. 3b; ANDREAS DONATSCH, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 15 zu Art. 194 StPO; GUNHILD GODENZI, Strafuntersuchung gegen Mitarbeitende - was darf und was muss der öffentliche Arbeitgeber tun?, in: Jusletter vom 16. Februar 2015, Rz. 18 und Fn. 45; LAURENT MOREILLON, a.a.O., N. 4 zu Art. 43 StPO).
Art. 44 StPO nennt keine Einschränkungen. Jedoch hielt auch das Bundesgericht fest, Art. 44 StPO verpflichte lediglich die Strafbehörden des Bundes und der Kantone zur vorbehaltlosen Zusammenarbeit, während andere Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Möglichkeit hätten, sich auf Amtspflichten zu berufen, so beispielsweise wenn der Schutz der Privatsphäre, der Geheimhaltung oder der Daten das Interesse an der Strafverfolgung überwiege. Eine Verweigerung der Rechtshilfe muss möglich sein, wenn durch die Offenbarung von Informationen überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen oder aber spezialgesetzliche Bestimmungen missachtet würden (GUNHILD GODENZI, a.a.O., Rz. 18 und Fn. 46 mit Hinweisen). Eine Weiterleitung von Informationen an die Strafbehörden muss mit allen Bestimmungen vereinbar sein, die für die ersuchte Behörde gelten (GUNHILD GODENZI, a.a.O., Rz. 21 und Fn. 50; CLAUDIA RIEDI, a.a.O., N. 6b zu Art. 44 StPO; zum Ganzen: BGE 149 IV 352 E. 1.3.2).
2.2.
2.2.1. Die Vorinstanz erwägt, zum Zeitpunkt des zur Anklage gebrachten Sachverhalts habe zur Verwendung der vom Bundesamt für Strassen ASTRA erstellten Videoaufnahmen, auf die sich der angeklagte Sachverhalt im Wesentlichen stützt, zu Strafverfolgungszwecken keine gesetzliche Grundlage bestanden. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Videoaufnahmen im Strafverfahren verwertet werden dürften, richte sich bei einem bestehenden Tatverdacht nach Bundesrecht, namentlich den Regeln der StPO. Diese regle nicht ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen Beweise zuzulassen sind, die nicht von Straf-, sondern anderen staatlichen Behörden erlangt worden seien. Gestützt auf Art. 57c SVG und Art. 54a der Nationalstrassenverordung vom 7. November 2007 (NSV; SR 725.111) dürfe der Bund die Nationalstrasseninfrastruktur im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung bildlich erfassen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben stehe es dem Bund offen, dem Kanton die besagten Videoaufnahmen, d.h. zur Verkehrsüberwachung bzw. zur Gewährleistung eines sicheren Verkehrs, zur Verfügung zu stellen. Die Weitergabe der Aufnahmen sei auf diesen Zweck beschränkt. Eine darüber hinausgehende gesetzliche Grundlage zur Verwendung der Aufnahmen zur Strafverfolgung finde sich auf Bundesebene nicht. Dies gelte auch für die Weisung 73005 des ASTRA vom 1. Juni 2020. Eine Erweiterung bzw. Änderung der Zweckbestimmung gemäss der NSV sei nach Datenschutzgesetz nicht zulässig. Vielmehr bedürfte es für eine Änderung des Zwecks der durch das ASTRA zur Verkehrsüberwachung erstellten Aufnahmen hin zur Strafverfolgung einer gesetzlichen Grundlage.
Auch auf kantonaler Ebene bestehe zur Verwendung der Videoaufnahmen zu Strafverfolgungszwecken keine gesetzliche Grundlage, namentlich im kantonalen Datenschutz- oder Polizeigesetz, was die Beschwerdeführerin denn auch nicht behaupte. Das Erfordernis einer genügenden gesetzlichen Grundlage könne auch nicht dadurch umgangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin auf die nationale Rechtshilfe gemäss Art. 43 ff. StPO berufe. Es fehle somit eine gesetzliche Grundlage zur Verwendung der hier zu beurteilenden Aufnahmen zur Strafverfolgung. Deren Gebrauch zu diesem Zweck sei rechtswidrig.
2.2.2. Die Vorinstanz fährt fort, vorliegend stünden Widerhandlungen gemäss Art. 90 Abs. 1 und 2 SVG zur Beurteilung. Letztere könnten zwar gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich auch schwere Straftaten im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO darstellen. Dies jedoch nur in krassen Fällen bzw. wenn weitere erschwerende Tatumstände hinzukämen, was vorliegend nicht der Fall sei. Zwar wäre bei Überholen einer Fahrzeuggruppe durch Ausschwenken nach rechts und Wiedereinbiegen nach links im Bereich einer Autobahnausfahrt grundsätzlich von einer erhöhten abstrakten Gefährdung auszugehen. Gleiches würde beim Hintereinanderfahren ohne genügenden Abstand mit hohen Geschwindigkeiten gelten. Allerdings seien die groben Verkehrsregelverletzungen des Beschwerdegegners ohne besondere Vorkommnisse verlaufen, sodass das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse des Beschwerdegegners an der Unverwertbarkeit der zu beurteilenden Beweise nicht überwiege. Davon scheine auch die Beschwerdeführerin auszugehen.
2.2.3. Die Unverwertbarkeit der Videoaufnahmen führe aufgrund der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten zur Unverwertbarkeit aller Folgebeweise, d.h. insbesondere des gestützt auf die Videoaufnahmen erstellten Fachberichts Geschwindigkeitsermittlung (Weg-Zeit-Berechnung) vom 29. März 2021. Dessen Berechnung wäre ohne die vorhergehenden Videoaufnahmen nicht, auch nicht hypothetisch, möglich gewesen. Ohne die Videoaufnahmen und den Fachbericht lasse sich der Anklagesachverhalt mangels ermittelter Augenzeugen und -aussagen nicht erstellen, sodass der Beschwerdegegner freizusprechen sei.
2.3. Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden.
2.3.1. Es ist unbestritten, dass die Bestimmungen über die nationale Rechtshilfe anwendbar und die Behörden, worunter auch das ASTRA zu subsumieren ist, daher zur Rechtshilfe grundsätzlich verpflichtet sind. Die Vorinstanz anerkennt, dass sich die Voraussetzungen, unter denen die Videoaufnahmen im Strafverfahren verwertet werden dürfen, bei einem bestehenden Tatverdacht nach Bundesrecht richtet (oben E. 2.2.1). Dies ist hier der Fall. Gemäss Darstellung der Beschwerdeführerin hat vorliegend eine Patrouille der Mobilen Polizei aufgrund einer Meldung aus der Bevölkerung vom 14. März 2021, 11:49 Uhr, wonach ein blauer Mercedes und ein silberner BMW mit massiv überhöhter Geschwindigkeit unterwegs seien, auf dem Rastplatz Suhr (Autobahn A1, Fahrtrichtung Bern) Stellung bezogen. Entsprechend bestand ab diesem Zeitpunkt ein Tatverdacht gegen Unbekannt wegen Widerhandlungen gegen das SVG. Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nichts Abweichendes.
Ebenso ist unbestritten, dass die Videoaufnahmen, um deren Verwertung in einem Strafverfahren es hier geht, rechtmässig erstellt wurden. Die Erfassung stützt sich auf das SVG resp. die NSV. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bedarf es keiner ausdrücklichen Norm in den vorerwähnten Gesetzen, die die Weitergabe der rechtmässig erfassten Daten an die Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich gestatten würde. Diese ergibt sich vielmehr aus der Pflicht der Behörden zur nationalen Rechtshilfe, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt. Es genügt, dass die einschlägigen Spezialgesetze, namentlich das SVG und die NSV der Weitergabe der Videoaufnahmen an die Strafbehörden nicht entgegenstehen. Eine entsprechende Gesetzesnorm nennt die Vorinstanz nicht und ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil darf der Bund gemäss Art. 57c Abs. 2 lit. b SVG "auf den Nationalstrassen andere Massnahmen zur Verkehrsleitung und -steuerung anordnen, die geeignet und nötig sind, um einen sicheren und flüssigen motorisierten Verkehr zu gewährleisten". Die bildliche Verkehrserfassung auf Nationalstrassen dient mithin ausdrücklich auch der Verkehrssicherheit. Diese lässt sich aber nur gewährleisten, wenn bildlich festgehaltene Verkehrsregelverstösse auch Konsequenzen haben, namentlich in einem Strafverfahren geahndet werden können. Die Weitergabe der gestützt auf das SVG rechtmässig erfassten Bilddaten im Rahmen eines Strafverfahrens ist daher vom mit der Erfassung beabsichtigten Zweck zumindest implizit mitumfasst. Aus Art. 54a Abs. 1 zweiter Satz NSV ergibt sich nichts Anderes: Die Regelung, wonach bei der bildlichen Erfassung der Nationalstrasseninfrastruktur anfallende Personendaten nicht personenbezogen ausgewertet werden dürfen, bezieht sich auf die Aufgabenerfüllung des ASTRA, nicht der Strafverfolgungsbehörden. Ohnehin ginge das SVG der Verordnung d.h. der NSV vor. Dies gilt ebenso für die von der Vorinstanz erwähnte Weisung 73005 des ASTRA vom 1. Juni 2020, die sich an dieses richtet und für die Gerichte nicht verbindlich ist. Darauf ist nicht einzugehen.
2.3.2. Selbst wenn die Weitergabe resp. Verwendung der Bilddaten in einem Strafverfahren nicht vom Zweck gemäss Art. 57c Abs. 2 lit. b SVG erfasst sein sollte, stünde dies der Verwertbarkeit in einem Strafverfahren nicht entgegen. Namentlich erlaubt das Datenschutzgesetz die Datenbearbeitung, wenn eine betroffene Person aus den konkreten Umständen heraus mit einer Datenbeschaffung und dem Zweck der Datenbearbeitung rechnen musste (oben E. 2.1.3). Dies ist hier der Fall. Wer am Strassenverkehr, insbesondere auf Nationalstrassen, teilnimmt, muss sowohl damit rechnen, dass er resp. sein Fahrzeug von Verkehrskameras bildlich erfasst werden, als auch damit, dass die Daten in einem Strafverfahren, jedenfalls wegen Widerhandlungen, die mit dem Verkehr bzw. der Strassenverkehrsordnung in Zusammenhang stehen, verwendet werden können. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergeben sich für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus der Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung sowie der Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten. Darunter fallen neben Verhaltenspflichten auch vielfältige Auskunftspflichten gegenüber den Behörden sowie namentlich Duldungspflichten der beschuldigten Person zur Entnahme von Beweismitteln wie Blut, Atem, Urin, auch gegen ihren Willen (BGE 146 IV 88 E. 1.6.3; 145 IV 50 E. 3.6; 144 I 242 E. 1.2.3; je mit Hinweisen). Dies muss erst recht für weit weniger einschneidende Massnahmen wie Videoaufzeichnungen von Fahrzeugen und deren Kennzeichen gelten, die keinen Eingriff in die körperliche Integrität erfordern. Daten aus der Verkehrsüberwachung werden denn auch regelmässig im Strafverfahren verwendet z.B. wenn es darum geht, nachzuweisen, wo sich ein mutmasslicher Täter wann aufgehalten hat. Die Datenbearbeitung in Bezug auf die Persönlichkeitsrechte ist vorliegend auch nicht besonders einschneidend (vgl. dazu oben E. 2.1.3). Daran ändert nichts, dass die Daten in einem Strafverfahren verwendet werden. Dies ist nicht massgebend. Das Bundesgericht hat (im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 141 Abs. 2 StPO) erwogen, zu beurteilen sei die Schwere der Persönlichkeitsverletzung aufgrund der Datenbearbeitung. Diese bezeichnete es bei einem heimlich veröffentlichten Video, das eine Straftat zeigt, als marginal (Urteil 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.3). Gleiches gilt hier, zumal die Videoaufnahmen nicht der Identifizierung des Beschwerdegegners dienten. Er konnte vielmehr aufgrund der Verdachtsmeldung aus der Bevölkerung unmittelbar nach der mutmasslichen Tat durch die Polizei angehalten und seine Identität festgestellt werden. Die Videoaufnahmen dienten lediglich dem Nachweis der Tatvorwürfe.
Im Übrigen läge ein Rechtfertigungsgrund für die Datenverarbeitung bzw. Persönlichkeitsverletzung gemäss Art. 13 Abs. 1 aDSG vor, nämlich die Weitergabepflicht des ASTRA an die Strafbehörden gestützt auf Art. 43 ff. StPO. Die Weitergabe liegt im öffentlichen Interesse, demjenigen der Strafverfolgung und der Verkehrssicherheit, und überwiegt angesichts der Marginalität des Eingriffs das Interesse des Fahrzeuglenkers (vgl. oben).
2.4. Nach dem Gesagten bestand für die Weitergabe der strittigen Videoaufnahmen an die Strafverfolgungsbehörden eine gesetzliche Grundlage. Der Verwertung der Videoaufnahmen im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner steht nichts entgegen. Die Vorinstanz, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird das Strafverfahren unter Einbezug der Videoaufnahmen weiterzuführen haben.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Ausgangsgemäss sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache wird zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. November 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Matt