2C_171/2024 20.11.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_171/2024
Urteil vom 20. November 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichterin Hänni, Bundesrichter Kradolfer,
Gerichtsschreiber Plattner.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not, Rechtsanwalt Levin Sommer,
gegen
Einwohnergemeinde Thun,
Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun,
Beschwerdegegnerin,
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID), Kramgasse 20, 3011 Bern.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung infolge Sozialhilfeabhängigkeit,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 20. Februar 2024 (100.2023.244U).
Sachverhalt:
A.
A.a. Mit Verfügung vom 14. Dezember 2022 widerrief die Einwohnergemeinde Thun die Niederlassungsbewilligung EU/EFTA von A.________, Staatsangehörige von Deutschland (geb. 1980), infolge Wegfalls ihrer freizügigkeitsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft sowie dauerhaften und erheblichen Sozialhilfebezugs. Sie wies die Beschwerdeführerin aus der Schweiz weg und setzte ihr eine Ausreisefrist bis 28. Februar 2023.
A.b.
Mit folgender, handgeschriebener Eingabe vom 12. Januar 2023 gelangte die damals nicht anwaltlich vertretene A.________ an die Einwohnerdienste der Stadt Thun:
"Hiermit möchte ich, A.________, einen Widerspruch bzw. eine Beschwerde gegen meine Ausweisung einlegen. Da es mir nicht möglich ist, in dieser kurzen Zeit einen neuen Platz zum Leben zu finden und da Ihr Schreiben mich am 15. Dezember 22 erreicht hat, ich über die Feiertage keine Chance hatte, mir Hilfe für einen Einspruch innerhalb der vier Wochen zu suchen, versuche ich nun auf diesem Weg um eine Verlängerung der Ausreisefrist zu beantragen. Damit mein Sohn wenigstens noch das Schuljahr hier beenden kann. Ich werde mich weiterhin um noch eine Arbeitsstelle bemühen, damit wir nicht vom Amt abhängig sind. Ich bitte Sie um Nachsicht, da ich auf keine Hilfe von meiner Familie in Deutschland hoffen kann und diese mitunter auch ein Grund war, in die Schweiz auszuwandern. Bitte geben Sie mir noch diese Chance. Der Vater von meinem Sohn würde sich auch verweigern, eine Ausreisegenehmigung zu unterschreiben, lieber will er meinen Sohn in eine Pflegefamilie in seiner Nähe stecken. Er hat sich auch krankheitsbedingt nie richtig um ihn gekümmert. Und ich gehe ohne mein Kind nicht weg von hier, denn er ist mein ein und alles im Leben. Darum bitte Sie nochmals, bitte verlängern Sie die Frist."
B.
Die Einwohnerdienste der Stadt Thun leiteten das Schreiben vom 12. Januar 2023 zuständigkeitshalber an die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID) weiter. Diese schrieb mit Entscheid vom 15. August 2023 die Beschwerde als gegenstandslos ab, soweit sie darauf eintrat, und setzte eine neue Ausreisefrist auf den 15. Oktober 2023 an. Sie erwog im Wesentlichen, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Beschwerde vom 12. Januar 2023 einzig die Verlängerung der Ausreisefrist bis Ende des laufenden Schuljahres beantragt, damit ihr Sohn das Schuljahr in der Schweiz beenden könne. Streitgegenstand bilde daher lediglich die Ausreisefrist, nicht aber der Widerruf der Niederlassungsbewilligung. Nach Ende des Schuljahres Anfang Juli 2023 habe sie kein schutzwürdiges Interesse mehr an einem Entscheid in der Sache, sodass die Beschwerde insoweit gegenstandslos geworden und daher abzuschreiben sei.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine dagegen gerichtete Beschwerde mit Urteil vom 20. Februar 2024 ab.
C.
Mit Eingabe vom 8. April 2024 erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil vom 20. Februar 2024 sei aufzuheben und ihre Niederlassungsbewilligung zu verlängern. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung.
Mit Verfügung vom 9. April 2024 hiess das Abteilungspräsidium das Gesuch um aufschiebende Wirkung in dem Sinn gut, dass der Beschwerdeführerin gestattet wurde, den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abzuwarten.
Mit Eingabe vom 17. April 2024 reichte A.________ mit Blick auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege beim Bundesgericht ein Schreiben der Abteilung Soziales der Einwohnergemeinde Thun vom 19. Februar 2024 betreffend Grundlagenbudget Sozialhilfe sowie das aktuelle Sozialhilfebudget, Stand vom 19. Januar 2024, ein.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Februar 2024, mit dem der Abschreibungsentscheid infolge Gegenstandslosigkeit der SID bestätigt wurde. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nur zulässig, wenn auch ein Entscheid in der Sache mit diesem Rechtsmittel anfechtbar wäre, d.h. wenn kein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG vorliegt (vgl. BGE 137 I 371 E. 1.1; Urteil 2C_927/2022 vom 20. September 2023 E. 1.1).
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ausgeschlossen gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend die Wegweisung (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG), wobei der Entscheid über die Wegweisung und die damit verbundene Ausreisefrist eine Einheit bilden. Dagegen kann eine Partei nur subsidiäre Verfassungsbeschwerde führen (Urteile 2C_598/2023 vom 2. Juli 2024 E. 1.3; 2C_267/2023 vom 13. Juni 2023 E. 1.1; 2C_882/2020 vom 6. Mai 2021 E. 3.6).
Ob die Beschwerdeführerin sich nur gegen ihre Wegweisung oder auch gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zur Wehr setzte, war Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens. Das Verfahren könnte somit je nach Verfahrensausgang Auswirkungen auf den Widerruf der Niederlassungsbewilligung haben. Da auf die Weitergeltung der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich ein Anspruch besteht, ist das Rechtsmittel als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1; vgl. Urteil 2C_19/2023 vom 20. Juli 2023 E. 1). Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin des angefochtenen Entscheids ferner zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch alle weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 und Art. 42 BGG), ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
2.1. Das Bundesgericht prüft die Anwendung von Bundesrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten frei (Art. 95 lit. a und lit. c BGG; BGE 147 I 136 E. 1.4; 141 V 234 E. 2). Die Auslegung und Anwendung des einfachen kantonalen Rechts untersucht es hingegen nur auf Vereinbarkeit mit dem Willkürverbot und anderen verfassungsmässigen Rechten (BGE 146 I 11 E. 3.1.3; Urteil 2C_900/2022 vom 12. Juli 2024 E. 1).
2.2. Obschon das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft es nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG; Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 149 I 105 E. 2.1; 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2). Die beschwerdeführende Partei hat klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils aufzuzeigen, inwiefern eine Rechtsnorm verletzt worden sein soll (BGE 148 I 104 E. 1.3; 143 I 1 E. 1.4; Urteil 2C_534/2022 vom 21. April 2023 E. 2.1). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 I 104 E. 1.3; 145 I 26 E. 1.3; Urteil 2C_90/2022 vom 30. Januar 2023 E. 1).
3.
Letztinstanzlich umstritten ist, ob die Vorinstanz den Abschreibungsentscheid der Sicherheitsdirektion zu Recht bestätigte. Zu klären ist in der Sache, ob sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 12. Januar 2023 lediglich gegen die Ausreisefrist oder auch den Widerruf der Niederlassungsbewilligung wendete.
3.1. Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, mit dem einleitenden Satz der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vom 12. Januar 2023, sie möchte "einen Widerspruch bzw. eine Beschwerde" gegen ihre "Ausweisung" einlegen, liege kein klares Rechtsbegehren vor (vgl. den ganzen Wortlaut der verwaltungsinternen Beschwerde lit. A.b hiervor). Soweit sie um eine "Verlängerung der Ausreisefrist" ersucht habe, liege jedoch ein deutlicher Antrag vor. Daraus lasse sich schliessen, dass sie die Wegweisung grundsätzlich akzeptiert habe und sich die Beschwerde lediglich gegen die Ausreisefrist richte. Der wiederholte Antrag auf Fristverlängerung sei als Präzisierung bzw. Konkretisierung der Formulierung "Widerspruch" bzw. "Beschwerde" gegen die Ausweisung aufzufassen. Die Beschwerdeführerin habe nicht zu erkennen gegeben, dass sie über das laufende Schuljahr ihres Sohnes hinaus in der Schweiz habe verbleiben wollen. Gegen ein weites Verständnis des Antrags spreche zudem, dass sie nicht darlege, inwiefern die angefochtene Verfügung unrichtig sei. Die Mindestanforderungen seien nicht erfüllt und die weiteren Eingaben mit klareren Anträgen seien erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgt.
3.2. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, Art. 29 BV, Art. 9 BV, Art. 5 Abs. 3 BV, Art. 6 EMRK und Art. 11 Abs. 1 der Kantonsverfassung des Kantons Bern (KV/BE; SR 131.212) verletzt sowie einzelne Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern (VRPG/BE, BSG 155.21) unzutreffend angewendet zu haben. Die vorinstanzliche Auslegung der Eingabe vom 12. Januar 2023 widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben. Aus der gewählten Formulierung gehe hervor, dass sie im Hauptpunkt beantragt habe, in der Schweiz verbleiben zu dürfen, und lediglich in einem Nebenpunkt die Verlängerung der Ausreisefrist verlangt habe.
4.
Soweit die Beschwerdeführerin die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts beanstandet, genügt ihre Beschwerdeschrift nicht den Begründungs- und Rügeanforderungen (vgl. E. 2 hiervor). Sie legt weder dar, inwiefern das kantonale Gericht das kantonale Verfahrensrecht willkürlich angewendet haben soll, noch setzt sie sich mit dem kantonalen Verfassungsrecht auseinander. Auf diese Vorbringen ist nicht einzugehen (E. 2.1 hiervor).
5.
5.1. Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung und auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV). Eine formelle Rechtsverweigerung als Teilgehalt von Art. 29 Abs. 1 BV liegt vor, wenn die zuständige Behörde sich weigert, das formgerecht eingereichte Gesuch anhand zu nehmen und zu behandeln, obschon sie darüber befinden müsste. Auch ein in Verletzung von Verfahrensvorschriften ergangener Nichteintretensentscheid oder Abschreibungsbeschluss kann einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommen (vgl. Urteil 1C_502/2022 vom 25. Januar 2024 E. 3). Das Bundesgericht prüft die Frage, ob eine formelle Rechtsverweigerung vorliegt, frei (BGE 149 II 209 E. 4.2; 149 I 72 E. 3.2.1; Urteil 2C_304/2023 vom 17. Mai 2024 E. 4.1).
5.2. Art. 29 Abs. 1 BV verbietet als besondere Form der Rechtsverweigerung den überspitzten Formalismus. Überspitzter Formalismus liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Rechtsuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 29 Abs. 1 BV in Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert (BGE 149 III 12 E. 3.3.1; 142 V 152 E. 4.2 mit Hinweisen).
5.3. Das Verbot des überspitzten Formalismus weist einen engen Bezug zum Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV und Art. 9 BV; BGE 137 I 69 E. 2.5.1; 131 II 627 E. 6.1; 129 I 161 E. 4.1; Urteile 2C_942/2021 vom 2. März 2022 E. 5.1; 4A_511/2021 vom 11. Februar 2022 E. 3.3) auf: Rechtsbegehren dürfen nicht buchstabengetreu ausgelegt werden, ohne zu fragen, welcher Sinn ihnen vernünftigerweise beizumessen sei, wobei hierfür auch die Begründung heranzuziehen ist (BGE 147 V 369 E. 4.2.1). Eine sichtlich ungewollte oder unbeholfene Wortwahl der am Recht stehenden Person schadet ebenso wenig wie eine nicht geglückte oder rechtsirrtümliche Ausdrucksweise. Es genügt, wenn der Beschwerde insgesamt entnommen werden kann, was die beschwerdeführende Person verlangt (BGE 147 V 369 E. 4.2.1; Urteil 8C_62/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2.2, mit Hinweisen). Insbesondere auf der untersten Stufe des Instanzenzugs dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden. Das gilt namentlich für Eingaben von juristischen Laien (Urteil 2C_942/2021 vom 2. März 2022 E. 5.1). In Zweifelsfällen kann die Behörde zur Nachfrage verpflichtet sein (Urteile 2C_942/2021 vom 2. März 2022 E. 5.1; 1C_236/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 3.5).
5.4. Die Rügen der Beschwerdeführerin erweisen sich vor diesem Hintergrund als stichhaltig:
5.4.1. Mit Verfügung vom 14. Dezember 2022 widerrief die Einwohnergemeinde Thun die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin, wies sie aus der Schweiz weg und setzte ihr eine Ausreisefrist bis 28. Februar 2023. Die Beschwerdeführerin legte mit Eingabe vom 12. Januar 2023 "einen Widerspruch bzw. eine Beschwerde" gegen ihre "Ausweisung" ein. Die Wortwahl der Beschwerdeführerin ist zwar unglücklich: Anstatt sich ausdrücklich gegen den Bewilligungswiderruf und die damit verbundene Wegweisung (Art. 64 Abs. 1 lit. c AIG) zu wehren, verwendete sie im Einleitungssatz den in diesem Zusammenhang nicht zutreffenden Ausdruck "Ausweisung", die zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit der Schweiz verfügt werden kann (vgl. Art. 68 AIG). Eine rechtsirrtümliche Ausdrucksweise darf der Beschwerdeführerin aber nicht schaden. Die Beschwerde gegen die "Ausweisung" deutet denn auch darauf hin, dass die Beschwerdeführerin sich gegen die aufenthaltsbeendende Massnahme als solche und nicht lediglich gegen die Ausreisefrist zur Wehr setzen wollte.
5.4.2. Die Beschwerde vom 12. Januar 2023 enthält im Weiteren verschiedene Begründungselemente, wobei deren Aneinanderreihung in der Beschwerdeschrift eher zufällig erscheint. Gleichwohl ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin nicht nur - wie die Vorinstanz annimmt - die Ausreisefrist thematisiert, sondern auch Elemente der Rechtmässigkeit des in der Hauptsache umstrittenen Widerrufs der Niederlassungsbewilligung. So bittet die Beschwerdeführerin um eine weitere "Chance". Sie werde sich "um noch eine" Arbeitsstelle bemühen, damit sie und ihr Sohn nicht von der Sozialhilfe abhängig seien. Weiter macht sie geltend, der Vater des Kindes würde sich weigern, eine Ausreisegenehmigung zu unterschreiben; dieser wolle das Kind bei einer Pflegefamilie in seiner Nähe unterbringen. Der Vater habe sich krankheitsbedingt jedoch nie richtig um das Kind gekümmert. Sie gehe ohne das Kind "nicht weg von hier". Die Beschwerdeführerin bringt damit ihre Sorgen zum Ausdruck, dass das Kind, das über die schweizerische Staatsbürgerschaft verfügt, die Schweiz nicht mit ihr verlassen, sondern beim Vater bzw. in dessen Nähe verbleiben würde; dies bezieht sich ebenfalls auf das Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin und nicht die Ausreisefrist. Sodann bringt sie vor, sie könne in Deutschland auf keine Hilfe ihrer Familie in Deutschland hoffen; diese sei mitunter der Grund gewesen, in die Schweiz auszuwandern. Dieses Vorbringen berührt die Eingliederungschancen in ihrem Heimatland. Die verschiedenen Begründungselemente der Eingabe setzen sich demnach laienhaft und indirekt mit Aspekten des Widerrufs des Aufenthaltstitels auseinander.
5.4.3. Zu beurteilen ist eine im verwaltungsinternen Rechtsmittelverfahren eingereichte Rechtsschrift der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin. Aufgrund der prozessualen Ausgangslage dürfen keine hohen Anforderungen an die Eingabe gestellt werden. Zu beachten ist weiter, dass der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin zeitigt. Vor diesem Hintergrund kann nicht leichthin davon ausgegangen werden, sie akzeptiere den Widerruf bzw. die Wegweisung. Die gegenteilige Auslegung der Vorinstanz erweist sich als zu streng und verstösst gegen Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV.
5.5. Die Beschwerde erweist sich als begründet; sie ist gutzuheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Februar 2024 ist aufzuheben. Die Angelegenheit ist zur neuen Entscheidung an die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern zurückzuweisen.
5.6. Bei diesem Verfahrensausgang sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
Der Kanton Bern hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das vorliegende Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Mit diesem Entscheid wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.
Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückzuweisen (Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG e contrario).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Februar 2024 wird aufgehoben und die Sache zum neuen Entscheid im Sinn der Erwägungen an die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern zurückgewiesen.
2.
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Der Kanton Bern hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. November 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: P. Plattner