9F_15/2024 30.10.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9F_15/2024
Urteil vom 30. Oktober 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
Verfahrensbeteiligte
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Gesuchstellerin,
gegen
1. Uber B.V.,
2. Uber Switzerland GmbH,
beide vertreten durch Maître Rayan Houdrouge,
Gesuchsgegnerinnen.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 29. Mai 2024 (9C_85/2024 [Urteil AB.2023.00073]).
Sachverhalt:
A.
A.a. Auf ein von der Uber B.V. und der Uber Switzerland GmbH am 7. Oktober 2022 gestelltes Gesuch um Neubeurteilung der Statusfrage der "Uber-Fahrer" auf der Grundlage eines neuen Geschäftsmodells (Änderung der Terms & Conditions vom 18. Juli 2022; nachfolgend: Änderung von 2022) trat die Ausgleichskasse des Kantons Zürich mit Verfügung vom 27. April 2023 nicht ein, weil sie die geltend gemachten Änderungen nicht als rechtserheblich erachtete. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 24. Juli 2023).
A.b. Hiegegen liessen die Uber B.V. und die Uber Switzerland GmbH Beschwerde erheben. Mit Urteil vom 13. Dezember 2023 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich das Rechtsmittel gut. Es hob den Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die Ausgleichskasse zurück, damit sie auf das Gesuch vom 7. Oktober 2022 eintrete und die Statusfrage ab Juli (Einführungszeitpunkt gemäss Uber B.V. und Uber Switzerland GmbH) bzw. Oktober 2022 (Einführungszeitpunkt gemäss Ausgleichskasse) materiell prüfe.
A.c. Die von der Ausgleichskasse mit den Anträgen auf Aufhebung des kantonalen Urteils und Bestätigung ihres Nichteintretens erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wies das Bundesgericht mit Urteil 9C_85/2024 vom 29. Mai 2024 im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintrat (Dispositiv Ziffer 1). Es bestätigte das kantonale Urteil, soweit es die Uber B.V. betraf, und hob das kantonale Urteil und den Einspracheentscheid auf, soweit sie die Uber Switzerland GmbH betrafen (Dispositiv Ziffer 2).
B.
Die Ausgleichskasse reicht ein Revisionsbegehren ein mit dem Antrag, Dispositiv Ziffer 2 des Urteils vom 29. Mai 2024 sei dahingehend abzuändern, als das kantonale Urteil vom 13. Dezember 2023 auch mit Bezug auf die Uber Switzerland GmbH zu bestätigen sei.
Während die Uber B.V. und die Uber Switzerland GmbH auf Abweisung des Revisionsgesuches schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Das Gesuch muss einen solchen anrufen oder zumindest Tatsachen nennen, die von einem gesetzlichen Revisionsgrund erfasst sind (vgl. Urteile 2F_7/2024 vom 6. Mai 2024 E. 2.1; 2F_11/2023 vom 8. September 2023 E. 2.2). Ob tatsächlich ein Grund zur Revision vorliegt, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung (vgl. BGE 147 III 238 E. 1.2.1 f.). Entsprechend den in Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG statuierten Begründungsanforderungen ist im Revisionsgesuch in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der behauptete Revisionsgrund vorliegen soll. Zudem ist das Gesuch innert den in Art. 124 BGG vorgesehenen Fristen einzureichen.
1.2. Die Gesuchstellerin beruft sich auf die Revisionsgründe von Art. 121 lit. b und d BGG. Das Urteil vom 29. Mai 2024 wurde ihr am 11. Juni 2024 zugestellt. Sie reichte ihr Gesuch am 8. Juli 2024 ein, mithin innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung, welche Frist angesichts der hier angerufenen Revisionsgründe gilt (Art. 124 Abs. 1 lit. b BGG). Sodann erfüllt ihre Eingabe auch die formellen Begründungsanforderungen. Auf das form- und fristgerecht eingereichte Revisionsgesuch ist mithin einzutreten.
2.
2.1. In seinem Urteil 9C_85/2024 vom 29. Mai 2024 befasste sich das Bundesgericht mit der Beschwerde, welche die Ausgleichskasse gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Dezember 2023 erhoben hatte. In Letzterem war sie verpflichtet worden, auf das Gesuch der Uber B.V. und der Uber Switzerland GmbH einzutreten und die Statusfrage der "Uber-Fahrer" ab Inkrafttreten der Änderung von 2022 materiell zu prüfen. Bereits zuvor, am 23. Juli 2020 waren neue Terms & Conditions in Kraft gesetzt worden (nachfolgend: Änderung von 2020), zu welchen die Ausgleichskasse im Rahmen einer Feststellungsverfügung am 12. April 2022 erkannt hatte, die Fahrer seien weiterhin als unselbstständigerwerbend zu betrachten (bestätigt mit Einspracheentscheid vom 4. August 2022). Dagegen hatten die Uber B.V. und die Uber Switzerland GmbH beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde erhoben, welches zwei separate Beschwerdeverfahren eröffnete (AB.2022.00067 [Uber B.V.] und AB.2022.00071 [Uber Switzerland GmbH]), über deren Stand bzw. Ausgang nichts bekannt ist.
2.2. Die Kasse bringt als Revisionsgrund gemäss Art. 121 lit. d BGG sinngemäss vor, das Bundesgericht habe im Rahmen seines Urteils vom 29. Mai 2024 übersehen, dass sie im Rahmen des vorangehenden Verfahrens betreffend die Änderung von 2020, d.h. in der Feststellungsverfügung vom 12. April 2022, neu die Uber B.V. und die Uber Switzerland GmbH gemeinsam als Arbeitgeberinnen erfasst habe (als Gesellschafterinnen einer einfachen Gesellschaft, welche die Vermittlung und Durchführung von Taxifahrten zum Zwecke habe), von welcher Betrachtungsweise unter dem Geltungsbereich der Änderung von 2022 unverändert auszugehen sei. Selbst wenn das Bundesgericht die Rechtsauffassung der Ausgleichskasse zur Arbeitgebereigenschaft nicht teile, seien jedenfalls erhebliche Änderungen gegenüber den mit BGE 149 V 57 beurteilten Bestimmungen eingetreten. Hätte das Bundesgericht dieser Tatsache Rechnung getragen, wäre das vorinstanzliche Urteil auch in Bezug auf die Uber Switzerland GmbH zu bestätigen gewesen.
2.3. Ob die Ausgleichskasse mit ihrer Auffassung, wonach die Uber B.V. und die Uber Switzerland GmbH seit Inkrafttreten der Änderung von 2020 gemeinsam als Arbeitgeberinnen zu betrachten seien, dereinst durchdringen wird, ist nach wie vor offen. Dass die Kasse diese Möglichkeit auch unter den 2022 geänderten Bestimmungen weiterhin in Betracht ziehen will, blieb im Urteil vom 29. Mai 2024 versehentlich unberücksichtigt. Es rechtfertigt sich daher, das vorinstanzliche Urteil vom 13. Dezember 2023 auch in Bezug auf die Uber Switzerland GmbH zu bestätigen. In diesem Sinne ist Dispositiv Ziffer 2 des bundesgerichtlichen Urteils vom 29. Mai 2024 revisionsweise abzuändern. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich zu prüfen, wie es sich mit dem Revisionsgrund gemäss Art. 121 lit. b BGG verhält.
3.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist umständehalber ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen.
2.
Dispositiv Ziffer 2 des Urteils 9C_85/2024 vom 29. Mai 2024 wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
"Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Dezember 2023 wird, soweit es die Uber Switzerland GmbH betrifft, bestätigt."
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. Oktober 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann