1C_509/2023 10.10.2024
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_509/2023
Urteil vom 10. Oktober 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag, Merz,
Gerichtsschreiber Poffet.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel Kaiser,
gegen
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen,
Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen,
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen,
Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Wiedererteilung des Führerausweises mit Auflagen (aufschiebende Wirkung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung III, Abteilungspräsident, vom 17. August 2023 (B 2023/150).
Sachverhalt:
A.
A.________ lenkte am 6. April 2021 einen Personenwagen in angetrunkenem Zustand mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,64 Gewichtspromille. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen verbot ihm in der Folge vorsorglich ab sofort das Führen von Motorfahrzeugen und entzog ihm gestützt auf ein verkehrsmedizinisches Gutachten vom 25. November 2021, in dem ein verkehrsrelevanter Alkoholmissbrauch festgestellt worden war, am 17. Februar 2022 den Führerausweis auf unbestimmte Zeit. Für die Wiedererteilung des Führerausweises wurde eine mindestens sechsmonatige Alkoholabstinenz vorbehalten.
B.
Nach einer erneuten verkehrsmedizinischen Begutachtung erteilte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt A.________ am 17. April 2023 den Führerausweis wieder mit der Auflage, auf unbestimmte Zeit, mindestens während eines Jahres, eine vollständige und mittels der Analyse von Haarproben - erstmals im Juli 2023 - kontrollierte Alkoholabstinenz einzuhalten. Für den Fall des Missachtens der Auflage wurde der Entzug des Führerausweises angedroht. Einem allfälligen Rekurs wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
A.________ erhob am 4. Mai 2023 bei der Verwaltungsrekurskommission gegen die Verfügung Rekurs und beantragte, der Führerausweis sei ihm mit der Auflage einer "Alkoholfahrabstinenz", allenfalls unter Einhaltung eines risikoarmen beziehungsweise sozialverträglichen Trinkverhaltens mit entsprechender haaranalytischer Verlaufskontrolle, wieder zu erteilen. Sein Gesuch, dem Rekurs die aufschiebende Wirkung wieder zu erteilen, wies die Präsidentin der Abteilung IV der Verwaltungsrekurskommission mit Zwischenverfügung vom 18. Juli 2023 ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Präsident der Abteilung III des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. August 2023 ab.
C.
Gegen diesen Entscheid erhebt A.________ am 21. September 2023 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Angelegenheit an die Verwaltungsrekurskommission, eventuell an das Verwaltungsgericht, zurückzuweisen. Eventualiter sei festzustellen, dass der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung zukomme, subeventualiter sei dieser die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Subsubeventualiter sei dem Rekurs an die Verwaltungsrekurskommission vom 4. Mai 2023 die aufschiebende Wirkung wiederzuerteilen.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Verwaltungsrekurskommission verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer hat sich erneut vernehmen lassen.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft die Sachurteilsvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 149 II 66 E. 1.3 mit Hinweisen).
1.1. In der Hauptsache geht es um die Wiedererteilung eines Führerausweises unter Auflagen und damit um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit (Art. 82 ff. BGG). Der angefochtene Entscheid, mit dem die Vorinstanz die verweigerte Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung gegen eine Alkoholabstinenzauflage bestätigte, schliesst das Verfahren nicht ab. Zwar schrieb die Verwaltungsrekurskommission das Verfahren im Zusammenhang mit der Auflage zwischenzeitlich ab. Das Verwaltungsgericht qualifizierte diesen Abschreibungsentscheid jedoch als rechtswidrig und wies die Verwaltungsrekurskommission an, einen materiellen Entscheid über die Gültigkeit der Auflage zu fällen, wie seinem auch dem Bundesgericht eröffneten Entscheid vom 13. August 2024 zu entnehmen ist. Das Verfahren ist damit nach wie vor nicht abgeschlossen und der angefochtene Entscheid stellt einen blossen anderen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG dar. Ob die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Anfechtung eines derartigen Zwischenentscheids gegeben sind, kann offenbleiben, weil dem Beschwerdeführer jedenfalls ein schutzwürdiges Interesse im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung fehlt.
1.2. Gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur legitimiert, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung des angefochtenen Hoheitsakts hat. Dieses muss nach der Rechtsprechung aktuell und praktisch sein. Ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, wenn der drohende oder erlittene Nachteil im Zeitpunkt der Beurteilung durch das Bundesgericht noch besteht und durch die beantragte Aufhebung des angefochtenen Hoheitsakts beseitigt würde (vgl. Urteile 1C_645/2022 vom 22. Juni 2023 E. 1.1; 8C_450/2022 vom 30. März 2023 E. 3.1.3; 2D_35/2010 vom 24. September 2010 E. 2.3; je mit Hinweisen). Fehlt das aktuelle Interesse bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, wird auf die Beschwerde nicht eingetreten; fällt es hingegen erst im Verlauf des Verfahrens dahin, wird der Rechtsstreit als erledigt erklärt und das Verfahren abgeschrieben (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 139 I 206 E. 1.1; 137 I 23 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).
1.3. In der Beschwerdeschrift wird darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer der Führerausweis am 7. August 2023 mit der Begründung entzogen worden sei, er habe entgegen der Auflage gemäss der Verfügung vom 17. April 2023 keine Haarprobe abgegeben. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, er habe dennoch ein aktuelles praktisches Interesse an der Beurteilung seines Rechtsmittels. Werde die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt, stehe fest, dass die Haarprobenabgabe im Juli 2023 nicht hätte "vollstreckt" werden dürfen. Diesfalls sei erwiesen, dass der vorsorgliche Führerausweisentzug zu Unrecht erfolgt sei. Dieser Zustand wäre in dem Sinne rückgängig zu machen, als der Beschwerdeführer den Widerruf bzw. die Wiedererwägung der Verfügung vom 7. August 2023 verlangen könnte. Diese Auffassung überzeugt nicht:
Das vorliegende Verfahren beschlägt die Frage der Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit der am 17. April 2023 verfügten Alkoholtotalabstinenzauflage und damit den einstweiligen Rechtsschutz (zur aufschiebenden Wirkung als Institut des einstweiligen Rechtsschutzes siehe statt vieler BENJAMIN MÄRKLI, Die aufschiebende Wirkung im öffentlichen Recht des Bundes und der Kantone, 2022, Rz. 23 ff.). Das praktische Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hätte für den Beschwerdeführer darin bestanden, der Auflage bis zum Abschluss des Hauptverfahrens einstweilen keine Folge leisten zu müssen, ohne einen Führerausweisentzug wegen Missachtung der Auflage zu riskieren (Art. 17 Abs. 5 SVG; vgl. BGE 140 II 334 E. 2). Nachdem ihm der Führerausweis am 7. August 2023 vorsorglich entzogen wurde, war dieses Interesse im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung beim Bundesgericht (21. September 2023) bereits nicht mehr aktuell. Hiesse das Bundesgericht die Beschwerde nun gut, stünde weiter keineswegs abschliessend fest, dass der Führerausweisentzug zu Unrecht erfolgt ist. Wie seine Vorinstanzen könnte es bloss eine summarische, keine definitive Prüfung vornehmen, die zudem auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt ist (Art. 98 BGG; BGE 134 II 192 E. 1.5 mit Hinweisen). Damit wäre die Frage der Gültigkeit der Auflage, mit deren Missachtung der Führerausweisentzug begründet wurde, nach wie vor nicht abschliessend geklärt. Dem Beschwerdeführer kann somit nicht gefolgt werden, wenn er geltend macht, im Zuge einer allfälligen Gutheissung seiner Beschwerde wäre der verfügte Führerausweisentzug zu widerrufen mit der Folge, dass ihm der Führerausweis umgehend wieder ausgehändigt würde. Ein aktuelles praktisches Interesse fehlte damit bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung, was zum Nichteintreten auf die Beschwerde führt.
1.4. Weiter gebietet auch die Rechtsprechung, wonach das Bundesgericht auf das Erfordernis eines aktuellen praktischen Interesses verzichtet, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen könnten, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 147 I 478 E. 2.2 mit Hinweisen), vorliegend kein Eintreten auf die Beschwerde. Die im Zentrum stehende Rechtsfrage des Hauptverfahrens besteht darin, ob die Auflage einer Alkoholtotalabstinenz rechtmässig war. Darüber wird zunächst die Verwaltungsrekurskommission zu entscheiden haben (vgl. vorne E. 1.1). Dem Beschwerdeführer steht es frei, das entsprechende Erkenntnis, sollte es zu seinen Ungunsten ausfallen, wiederum anzufechten. Ob die aufschiebende Wirkung im Einzelfall zu Recht entzogen bzw. nicht wiederhergestellt wurde, vermag der Beschwerdeführer nicht als Frage von grundsätzlicher Bedeutung auszuweisen, die trotz fehlendem aktuellen praktischen Interesse eine Beurteilung durch das Bundesgericht erheischt.
1.5. Schliesslich wird der Beschwerdeführer die mit dem angefochtenen Zwischenentscheid einhergehenden Kosten- und Entschädigungsfolgen mit Beschwerde gegen den Endentscheid anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG; zur späteren Anfechtbarkeit von Kostenentscheiden: BGE 143 III 416 E. 1.3; 142 II 363 E. 1.1; je mit Hinweisen). Auch seine diesbezüglichen Rügen gebieten kein Eintreten auf die Beschwerde.
2.
Demzufolge ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, Abteilungspräsident, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Oktober 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Poffet